Role Models | Der ëres-Fragebogen

Karin Cirimbelli

Karin Cirimbelli – Die gelernte Immobilienmaklerin, Jahrgang 1973, ist Mutter eines Sohnes, Präsidentin des Freiwilligenverbandes SOS Bozen und Mitarbeiterin bei der Flüchtlingsberatungsstelle der Caritas. Sie koordiniert das Projekt „Living in Dignity“ im Zeilerhof in Bozen Gries, wo seit Ende Januar 2020 zwischen 26 und 30 Migranten mit Arbeitsvertrag untergekommen sind, und ist weit über die Grenzen der Hauptstadt hinaus für ihren unermüdlichen Einsatz für Obdachlose und Asylsuchende sowie gegen die erstarkende rechte Szene bekannt.
Welche Aufgabe hat Feminismus?
Ich muss gestehen, dass ich mich nie so richtig mit diesem Ausdruck identifizieren konnte und kann. Feminismus im Sinne der Abschaffung einer patriarchalen Gesellschaft, in der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau herrschen sollte, befürworte ich.
Was beschäftigt dich gerade?
Am allermeisten beschäftigt mich die Tatsache, dass wir in einer ungerechten Welt leben, eine Welt, die ich mir anders wünschen würde. Meine Gedanken kreisen fast monothematisch um Migration und Flüchtlinge und deren Schicksale. Man wirft mir nicht selten vor, dass ich befangen bin, aber so ist es nicht. Ich habe großes Glück, dass ich einem Beruf nachgehen kann, der mich total aus- und erfüllt. Meine Freizeit widme ich auch fast ausschließlich Menschen in Not, aber ich möchte nicht anders, vielleicht kann ich auch nicht anders. Und genau das hat mich auch dazu gebracht, meine Wohnsituation zu überdenken. So habe ich vor einigen Monaten beschlossen, den ersten Stock im Zeilerhof zu beziehen, zusammen mit einer jungen nigerianischen Frau und zwei jungen Afghanen. In den oberen beiden Stockwerken leben noch andere Bewohner. Und genau diese Konstellation hilft mir – so paradox es klingt – von all den Lasten, die mich beschäftigen, einerseits Abstand zu gewinnen und zur selben Zeit nie zu vergessen, wie privilegiert ich bin, wir sind. Vielleicht ist diese Wohnsituation sogar
Ausdruck einer Art Feminismus, den ich doch
(unbewusst?) in mir habe und es mir möglich macht,
so zu wohnen und zu leben.
Wer beeindruckt dich besonders? Politisch? Persönlich?
Mich beeindrucken eigentlich all jene Menschen, die es wagen, gegen Windmühlen zu kämpfen, sich für andere einzusetzen. Mein großes Vorbild, politisch betrachtet wie auch menschlich, ist aber sicher die junge Elly Schlein.
Was ist das schönste Kompliment, das du je bekommen hast?
Wenn man mir sagt, dass meine Augen leuchten, sobald ich über meine Arbeit rede oder über meine Tätigkeit als Freiwillige für Menschen in Not.
Wie wichtig sind soziale Medien für deine Arbeit?
Schlicht und einfach unentbehrlich.
Welche Botschaft hast du an die Frauen und Männer, die behaupten, Feminismus sei nicht nötig?
Solange wir gezwungen sind, überhaupt noch das Wort Feminismus zu benutzen, stimmt etwas nicht mit dem Gleichgewicht unserer Gesellschaft. Also an die Arbeit, damit wir irgendwann einmal gar nicht mehr darüber reden müssen!

Editorial

Mut Coraggio

Mut ist etwas, das wir alle ersehnen und gut gebrauchen können. Dabei gehört Mut zu jenen Tugenden, die besonders Männern gerne zugeschrieben werden. Deshalb widmen wir diese ëres-Ausgabe mutigen Frauen in Südtirol und in der Welt. Frauen, die für Frieden und Gerechtigkeit kämpfen. Frauen, die „einfach mal machen“ und Frauen, die es in ihrem Streben nach Perfektionismus auch einfach mal gut sein lassen.

Nicht gut sein lassen dürfen wir Frauen es beim Thema Geld. Denn wenn wir Frauen für gleiche Arbeit weniger Lohn (und weniger Rente) erhalten, dann schreit das förmlich nach Ungerechtigkeit. Einmal davon abgesehen, dass wir die Hauptlast der unbezahlten Care-Arbeit tragen – und das nicht erst seit Corona. Wir berichten und informieren in dieser ëres-Ausgabe zum Equal Pay Day darüber, wollen aber das Thema auch zukünftig immer wieder auf den Tisch bringen und Frauen ermutigen, sich um das Thema Finanzen zu kümmern. Denn hierbei ist es offensichtlich: Mut lohnt sich.

Wir wünschen Ihnen eine gute Lektüre,
Maria Pichler, Chefredakteurin