Role Models | Der ëres-Fragebogen

Dr. Gelsy Arlene Villanueva Samon

// Bettina Conci //
Die Chirurgin und Frauenärztin lebt seit neun Jahren in Meran und betreibt dort seit drei Jahren eine eigene Praxis, in der sie sich neben Frauenheilkunde auf regenerative Anti-Aging-Medizin, die Behandlung von Patientinnen in der Prä-, Post- und Menopause sowie Ernährungscoaching und ästhetische Medizin spezialisiert hat.
© Maria Pichler / ëres
Wie definierst du Feminismus?
Feminismus ist für mich die Möglichkeit, gleichgestellt zu leben, was alle Aspekte betrifft, unter denen eine Gesellschaft sich weiterentwickelt, inklusive dem Geschlecht.
Nenne eine Frau, die dich sehr beeindruckt!
Es gibt viele Frauen, die ich bewundere. Von den großen, berühmten Frauen, die in die Geschichte eingegangen sind, bis hin zu den anonymen Frauen, die zu meinen Patientinnen zählen. Ich komme aus einer frauenreichen Familie – und aus einem Land, in der Frauen in vielen Bereichen der Gesellschaft vertreten sind. Wenn man auf Schwierigkeiten stößt, gibt es in Kuba die Redewendung: „Levántate, álzate y combate como Mariana!“ (“Steh’ auf, erhebe dich und kämpfe wie Mariana!”). Mariana Grajales Cuello*, eine einfache Frau und Mutter mit starken Prinzipien und Idealen, war undist ein gutes Vorbild für mich.
Ein Jahr vor dem 45. Jahrestag des italienischen Gesetzes 194, das den freiwilligen Schwangerschaftsabbruch regelt, ist das Thema wieder in aller Munde – und umstritten.
Was in den USA passiert ist, hat viele Menschen – vor allem Frauen – zum Nachdenken gebracht und kann wohl als Rückschritt gedeutet werden angesichts allem, was bis zu diesem Punkt erreicht wurde. Ich arbeite sehr gerne in der Prävention, wo ich mich gegen die Einstellung einsetze, ein Schwangerschaftsabbruch sei nur eine alternative Verhütungsmethode. Daher nehme ich mir sehr viel Zeit, um mit meinen Patientinnen über die Risiken und die Präventionsmaßnahmen zu sprechen.
Die Wahrnehmung des Themas ist von vielen Grautönen geprägt. Wir müssen uns aber darüber im Klaren sein, dass ein Verbot oder eine Behinderung, diese Möglichkeit in Anspruch zu nehmen, zu noch viel größeren Problemen führen kann: unerwünschte Schwangerschaften, ungeliebte Kinder, Resignation und die Last der Fremdbestimmung auf der Seite der Mütter.
Wie hat sich deine Arbeit, wie haben sich die Frauen geändert, seit du als Ärztin arbeitest?
Heute ist die Lebenserwartung sehr hoch. Daher müssen wir bereits früh daran arbeiten, besser zu altern. Wir müssen unserem Körper vorbehaltlose Liebe entgegenbringen und in den Dialog mit ihm treten. Unser Körper ist wie die Natur selbst, er gibt uns immer Antworten – nur machen wir zu oft den Fehler, nicht auf ihn zu hören. Oft beanspruchen wir unseren Körper auch zu sehr, und später stellt es sich als schwierig heraus, gesundheitliche oder andere Probleme wieder zu lösen.

*Die Freiheitskämpferin (1815-1893) stammte ursprünglich aus der Dominikanischen Republik und wird bis heute als „Mutter Kubas“ im ganzen Land verehrt.

Editorial

Gleich - Uguali

„Isch gleich“, ist ein typischer Südtiroler Ausdruck, mit dem wir – zwar mit wenig Überzeugung – unsere Zustimmung geben. Aber „isch wirklich gleich?“, dass Frauen und Männer trotz aller Bemühungen für die Chancengleichheit bis heute keinen gleichen Zugang zu Lebenschancen haben? Und dass Women of Colour – ja, auch bei uns in Südtirol – noch einmal weiter von einer wahren Gleichberechtigung entfernt sind?
In dieser Ausgabe machen wir die Vielfalt der Frauen in Südtirol und in der Welt sichtbar. Dabei sprechen wir über aktuelle feministische Themen wie Frauen im Sport (Stichwort: Menstruation), die weltweite Diskussion zum Recht auf Abtreibung und die weibliche Vertretung in Südtirols Gemeinderäten – und geben vordergründig Women of Colour eine Stimme und eine Sichtbarkeit.
Schlussendlich aber sind wir nicht umhingekommen, auch die Themen Rassismus und intersektionale Diskriminierung zu thematisieren. Und wir geben Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, einen sprachlichen Leitfaden mit in die Hand, damit sie im Umgang mit den vielfältigen Frauen nicht ins Fettnäpfchen treten. „Weil’s eben nit gleich isch.“

Wir wünschen Ihnen eine gute Lektüre,
Maria Pichler, Chefredakteurin