Think

Il diritto di vivere il nostro tempo secondo i nostri tempi

// Cristina Pelagatti | Centaurus //
Il queer time ovvero la libertà di godere di un tempo più fluido rispetto a quello che le norme sociali convenzionali impongono
© Adobe Stock
La maggiore età, il primo amore, la patente, lo studio, l’ingresso nel mondo del lavoro, il matrimonio, l’acquisto di una casa, la genitorialità, la pensione, la “nonnitudine”, sono questi grossomodo i presupposti eteronormativi sul corso della vita. Questa etero-temporalità differisce in modo sostanziale dagli stadi della vita delle persone LGBTQA+. Il concetto di queer time palesa come le esperienze di vita delle persone queer possano essere non sincronizzate con quelle “cisteteronormative”. Anche non volendo ricordare tempi in cui alle persone queer non era possibile accedere al mondo del lavoro per non parlare di unioni civili o genitorialità, è chiaro che anche oggi, le esistenze queer si distinguono per la mancanza di “crononormatività”, a partire dalla più giovane età, nel caso di persone che non si riconoscano con il sesso scritto nei propri documenti o con un orientamento eterosessuale.

Il coming out tardivo: la testimonianza
Laura (nome di fantasia), 49 anni, nonostante una famiglia progressista, università a Bologna, indipedenza economica e amicizie consolidate, solo da 6 anni ha deciso di fare coming out.

“A me stessa non avevo mai am­messo di essere lesbica, ma inconsciamente lo sapevo. Ho avuto la vita più conforme possibile: scuola, famiglia, amici, interessi, buon lavoro. A livello di rapporti personali mi sembrava giusto uscire con i ragazzi, ma l’aspetto sessuale della cosa non mi interessava. Ho avuto rapporti con ragazzi ma non mi hanno entusiasmata, tanto che per un certo periodo ho pensato di essere asessuale. Non ho avuto mai esperienze lesbiche prima del coming out, nonostante ne abbia avuto l’occasione, forse proprio perché inconsciamente sapevo che avrebbe significato molto di più di una singola esperienza fisica.

La svolta c’è stata nel 2019 quando ho conosciuto un uomo con cui mi sono trovata bene in modo straordinario: a lui mi sono trovata a dire, nel momento peggiore possibile, ‘mi piacciono le donne’. Non volevo trascinare le cose e fargli del male.”

Il diritto di seguire la propria logica temporale
“Da lì, oltre all’inizio di un percorso psicoterapico che avevo sempre rifiutato, è cominciata la mia adolescenza. Ho iniziato con le app di incontri e ho conosciuto donne e scoperto che in realtà l’attività sessuale mi interessa. Ho avuto anche un ‘primo amore’, travolgente come tutti i primi amori, anche a 46 anni, durato due anni. Ho affiancato al mio giro abituale di amicizie nuove persone e ho parlato chiaramente con la mia famiglia che mi ha rinfacciato il fatto che li avrei privati della gioia di avere dei nipoti, come se figliare fosse mai stato nei miei piani. Le amiche più care mi hanno chiesto se le ritenessi incapaci di capire e si sono dette dispiaciute per il fatto che avessi perso gli anni migliori della vita. Ma il mio tempo migliore è questo: mi sento bene e felice. Le vite queer seguono una propria logica temporale e credo sarebbe un bene che ognuno, queer o no, la seguisse.”

Herstory

Gut Ding braucht Weile (und Mühe)

// Lisa Settari | Frauenarchiv //
Die Zeit mag einige Wunden heilen, aber das Patriarchat vermag sie nicht von allein zu zerstören. Elena Lucrezia Cornaro Piscopias Biografie erinnert uns daran, dass zähe gemeinsame Kämpfe nötig sind, um Veränderung in die Wege zu leiten.
Elena Lucrezia Cornaro Piscopia war die erste laureata auf der italienischen Halbinsel © Public Domain
Ein Haushaltswarenladen in Padua, Herbst 2022. An der Kassa mansplainte mir der Verkäufer, was ich mit meinem neuen Stabmixer alles zubereiten könnte, und lud sich gleich selbst zum Essen ein. Da ich wenig geschmeichelt reagierte, wechselte er das Thema und fragte nach meinem Studiengang. „Frauen- und Gendergeschichte“, antwortete ich. Ob ich denn wüsste, wie die erste Frau hieß, die an der Universität von Padua einen Studientitel erhalten hat, wollte er dann wissen. Ich musste passen. „Elena Lucrezia Cornaro Piscopia“, unterrichtete er mich. Ein Name, der es in sich hat – wie die Namensträgerin selbst.

Ora et studia
Elena Lucrezia Cornaro Piscopia wurde am 5. Juni 1646 in Venedig geboren. Die Cornaro Piscopia gehörten zur Oberschicht der venezianischen Republik, allerdings schadete die lange, außereheliche und kinderreiche Beziehung von Elena Lucrezias Eltern sowie die bescheidene Herkunft ihrer Mutter Zanetta Boni dem Familienprestige. Cornaro Piscopias Vater bemühte sich auf verschiedene Art, den guten Ruf der Familie wiederherzustellen. Der Historiker Ruggero Rugolo interpretierte Giovanni Battista Cornaro Piscopias Streben nach Ansehen als eine Quelle für Elenas wissenschaftlichen Eifer – die Familie sollte glänzen, warum nicht auch dank der brillanten Tochter? Ab ihrem siebten Lebensjahr erhielt Cornaro Piscopia eine klassische Bildung. Neben Griechisch, Latein, Literatur und Philosophie standen später noch Hebräisch, Aramäisch, Arabisch, Französisch, Spanisch, Musik, Astronomie, Geografie, Mathematik und Naturwissenschaften auf dem Lehrplan. Mit dem Christentum setzte sich Cornaro Piscopia als Studentin der Theologie und als tiefgläubige junge Frau auseinander. Als sie 19 Jahre alt war, wurde sie Oblatin, legte ein Keuschheitsgelübde ab und lebte nach den Regeln des Benedikt von Nursia. Zu diesem Anlass wählte sie einen neuen zusätzlichen Vornamen aus: „Scholastika“, den Namen der Schwester Benedikts von Nursia, der freilich auch Assoziationen mit Schule und Bildung weckt. Theologie war auch das Fach, in dem Cornaro Piscopia promovieren wollte. Allerdings sprach sich Gregorio Barbarigo, der Bischof von Padua und Rektor der dortigen Universität, strikt dagegen aus – die Promotion einer Frau in Theologie würde die Universität vor der ganzen Welt lächerlich machen, so seine Befürchtung.

Ein bisschen Freiheit, für einige
Aus heutiger Sicht zeigt diese Entscheidung, dass trotz des liberalen Mottos der Universität von Padua, „Universa universis Patavina libertas“ („Die gesamte Freiheit [der Universität] von Padua ist allen eigen“) zu diesem Zeitpunkt noch Luft nach oben war, was die Freiheit von Akademikerinnen betraf. Aber Cornaro Piscopia war immerhin belesen genug, um einfach ein anderes Fach für ihre Promotion auszusuchen. Am 25.6.1678 konnte Elena Lucrezia Cornaro Piscopia schließlich vor eine Kommission treten, um in Philosophie zu promovieren. Sie präsentierte ihre Dissertation und referierte über zwei Thesen des Aristoteles, die ihr per Los zugewiesen worden waren. Sie meisterte ihre Prüfung, wie von allen erwartet, mit Bravour und gilt somit als erste laureata auf der italienischen Halbinsel. Schon bald nach ihrer Promotion sorgte sich ihr Lehrer und Förderer Carlo Rinaldini zunehmend um Cornaro Piscopias Gesundheit, klagte über ihr hohes Arbeitspensum und ihren asketischen Lebensstil. Tatsächlich erkrankte Cornaro Piscopia immer wieder und verstarb 1684 mit nur 38 Jahren, sechs Jahre nach ihrer Promotion. Sie wurde in der Basilika Santa Giustina in Padua beigesetzt, der Abteikirche eines Benediktinerklosters, was an ihren Herzensorden erinnert.

Und dann?
Nachdem Elena Lucrezia Cornaro Piscopia die Vernichtung ihrer Schriften nach ihrem Tod angeordnet hatte, ist nur wenig aus ihrer eigenen Feder erhalten. Warum sie sich dafür entschied, bleibt offen. Wollte die tiefgläubige Frau nicht hochmütig wirken? Hatte sie schon zu Lebzeiten genug Aufmerksamkeit bekommen, als sie ihr Vater als Wunderkind herzeigte? Hat es etwas mit dem heute unter Frauen und Minderheiten häufig verbreiteten Imposter-Phänomen zu tun? In jedem Fall spielte Cornaro Piscopia bis zum dreihundertsten Jahrestag ihrer Promotion keine besondere Rolle in der öffentlichen Wahrnehmung. Heute erinnert die Universität von Padua freilich gerne an ihre besondere Alumna. Im Souvenirladen der Hochschule schmückt Cornaro Piscopia Tassen und Kühlschrankmagnete, im historischen Universitätssitz, dem Palazzo del Bo, verabschiedet eine Statue der Cornaro Piscopia Besucher*innen nach einem Rundgang, und ein nach ihr benannter Preis zeichnet Frauen für besondere Verdienste in Lehre und Forschung an der Universität von Padua aus. Allerdings nennt auch diese Institution die Dinge beim Namen: Nichts weist darauf hin, dass sich Cornaro Piscopia als Frauenrechtlerin oder Wegbereiterin verstand und auch eine Revolution setzte sie nicht in Gang. Die nächsten Frauen sollten auf der Halbinsel erst Jahrzehnte später promovieren, und erst zwei Jahrhunderte nach Cornaro Piscopias Tod wurde dies im Königreich Italien üblicher. Die Folgen dieser gesetzlichen und kulturellen Veränderungen tragen heute natürlich Früchte – jüngste ISTAT-Zahlen zeigen, dass teilweise sogar mehr Studentinnen als Studenten in italienischen Hörsälen sitzen, die ihr Studium zudem oft schneller und besser abschließen als ihre Kommilitonen. Dennoch bilden Frauen noch eine kleine Minderheit in naturwissenschaftlichen und technischen Fächern, und oft werden die Karrieren der brillanten Absolventinnen weniger glänzend als die der Kollegen. Deshalb bedarf es auch hier noch Zeit – und Mühen.

Denkmal von Elena Lucrezia Cornaro Piscopia im Palazzo del Bo in Padua © Wikipedia/Didier Descouens CC BY-SA 4.0
Lisa Settari © Olivia Kieser
Lisa Settari ist seit Mai 2024 Vorstandsmitglied im Frauenarchiv Bozen/Archivio storico delle donne di Bolzano. Studium der Politikwissenschaften und der Europäischen Frauen- und Gendergeschichte. Derzeit lehrt sie am Germanistikinstitut der Universität von Iaşi (Rumänien).