Weihnachtsgeschenke-Edition

Warum Feminismus gut für Männer ist

// Hannah Lechner //
Von Jens van Tricht
Am längsten überlegt habe ich, welches Buch ich meinem Papa schenken will: Es sollte eines sein, das „ruhig“ und sachlich erklärt, woran ich immer wieder gescheitert war, weil ich zu wütend geworden war und wir zu streiten begonnen hatten: Warum Feminismus nicht „böse“ ist und wir letztendlich alle von einer Welt profitieren würden, in der jeder Mensch seine Vorlieben und Talente frei entfalten kann und nicht in toxischen Rollenbildern gefangen ist. Das versucht Jens van Tricht in Warum Feminismus gut für Männer ist und bricht dabei auf wissenschaftlich fundierte und gesellschaftspolitisch informierte Art und Weise mit überkommenen, toxischen Vorstellungen von Männlichkeit und den damit einhergehenden Erwartungen – an andere Männer und an sich selbst. Das Buch verschenken sollten alle, die sich mehr Dialog und Austausch mit ihren Vätern (oder anderen Menschen) wünschen und (noch) daran arbeiten, eine gemeinsame Basis zu schaffen.

Role Models | Der ëres-Fragebogen

Verena Giesinger

// Hannah Lechner //
Ausgebildete Musiktherapeutin und Kunst- und Kulturmana­gerin. Kein geradliniger Weg zur Dirigentin also, als die sie heute arbeitet, das Dirigieren hat sie sich selbst beigebracht. Aktuell ist sie als Arrangeurin, Performerin und Dirigentin in unterschiedlichen österreichischen Theaterproduktionen zu sehen und leitet den Schmusechor und den femchor in Wien – mit ersterem war sie schon dreimal in Südtirol, zuletzt am Thrive Festival für female* Empowerment in Bruneck.
© Sophie Kirchner
Wenn wir an Frauen oder FLINTA*-Personen (siehe Seite 5) in „typischen Männerberufen“ denken, denken wir oft als erstes an „technische“ Berufe oder schwere körperliche Arbeit. Warum hat, wenn es um Chancengleichheit und Diversität geht, aber auch (oder gerade) die Kulturbranche ein gewaltiges Problem?
Ich denke, die Antwort darauf kann ganz kurz mit „Patriarchat“ zusammengefasst werden. Die Unterrepräsentation von FLINTA*s in der Kunst- und Kulturbranche und im Musikbereich liegt etwa daran, dass sie lange Zeit ganz einfach keinen Zugang dazu hatten. Wirft man einen Blick auf klassische Orchester, nahmen beispielsweise die Wiener Philharmoniker erst 1997 zum ersten Mal eine Frau auf – Berufsmusiker*in zu sein, war für FLINTA*s somit lange Zeit schlichtweg keine Option und musste (und muss noch immer) erst erkämpft werden. Bei Führungspositionen wie Dirigent*innen oder Konzertmeister*innen ist die Sichtbarkeit von FLINTA*s auch 2023 erschreckend: Das Aushängeschild für die sogenannte österreichische Hochkultur z.B. – das Neujahrskonzert in Wien – wird seit 83 Jahren nur von Cis-Männern dirigiert. Und immer noch gibt es Festivals mit ausschließlich cis-männlichen Line-Ups. Der Weg in Richtung Chancengleichheit ist also noch lang.
Wie war es für dich, in dieser Musikwelt als Dirigentin Fuß zu fassen?
Immer wieder herausfordernd und auf vielen Strecken verunsichernd. Wegen den eben genannten fehlenden Vorbildern für mein Berufsbild, habe ich mich lange nicht getraut, den Begriff Dirigentin überhaupt für mich zu verwenden – ich dachte, gar nicht genügend Expertin sein zu können, obwohl ich de facto bereits seit neun Jahren als Diri­gentin arbeite. Auch gibt es genügend Menschen in der Musikwelt, die diese Unsicherheit bewusst nähren, die Zusammenarbeit mit Tontechnikern (bewusst nicht gegendert) ist ein gutes Beispiel: Obwohl ich mir mit meinen Chören in der österreichischen Musik- und Performancewelt längst einen Namen gemacht habe, muss ich mich an fast jedem Veranstaltungsort in den ersten Minuten einem unangenehmen Kampf stellen und mich profilieren, bis ich von den Haustechnikern – die mir immer wieder gern erklären, wie mein Chor funktioniert – überhaupt ernst genommen werde.
Was würdest du deinem jüngeren Ich heute sagen bzw. dir für sie wünschen?
Ich hab vor kurzem einen wundervollen Spruch gelesen, der hier gut passt: Man solle sich vorstellen, wie das Leben verlaufen wäre, wenn man sich selbst als Vorbild gehabt hätte. Das hätte ich mir für mein jüngeres Ich gewünscht – eine FLINTA*-Person, die mir einen Weg vorlebt, der endlich die einschränkende Geschlechterstereotypie aufbricht und mir zeigt, dass ich meinem Bauchgefühl vertrauen kann. Dass keine Tür verschlossen bleiben muss, nur weil ich eine Frau bin, und dass es okay ist, dabei nicht angepasst und pleasing zu bleiben. Wenn ich für eigene Projekte nach FLINTA*s suche, die z.B. Dirigent*innen oder Schlagzeuger*innen sind, ist diese Suche nach wie vor mühevoll, weil es einfach zu wenige gibt. Ich wünsche mir, dass wir unsere eigenen Vorbilder werden und nachkommende Menschen nicht mehr ganz so viel Pionier*innenarbeit leisten müssen wie wir gerade.