Around the World

FeministsAgainstWar

// Ingrid Kapeller //
Unter dem Hashtag „#FeministsAgainstWar“, zu Deutsch „Feminist*innen gegen Krieg”, verbreiten Feministinnen in Russland ein Manifest, in dem sie sich entschieden gegen Putins Krieg in der Ukraine stellen und Feministinnen weltweit dazu auffordern, es ihnen gleich zu tun. Darin verurteilen sie die Aggression Putins aufs Schärfste und zeigen die Notwendigkeit von feministischem und pazifistischem Aktivismus auf. Es folgt ein Ausschnitt aus dem Manifest:
Russische Feministinnen gegen Putins Krieg © benstevens/istockphoto.com


„Wir rufen russische feministische Gruppen und einzelne Feministinnen auf, sich dem Feministischen Widerstand gegen den Krieg anzuschließen und ihre Kräfte zu vereinen, um sich aktiv gegen den Krieg und die Regierung, die ihn begonnen hat, zu stellen. Außerdem rufen wir Feministinnen in der ganzen Welt auf, sich unserem Widerstand anzuschließen. Wir sind viele, und gemeinsam können wir viel erreichen: In den letzten zehn Jahren hat die feministische Bewegung eine enorme mediale und kulturelle Macht erlangt. Es ist an der Zeit, diese in politische Macht umzumünzen. Wir sind die Opposition gegen Krieg, Patriarchat, Autoritarismus und Militarismus. Wir sind die Zukunft, die sich durchsetzen wird.
Wir rufen Feministinnen auf der ganzen Welt auf:
Beteiligt euch an friedlichen Demonstrationen, startet Offline- und Online-Kampagnen gegen den Krieg in der Ukraine und Putins Diktatur, und organisiert eure eigenen Aktionen. Gerne könnt ihr das Symbol des Feministischen Widerstands gegen den Krieg in euren Materialien und Publikationen verwenden, ebenso wie die Hashtags #FeministAntiWarResistance und #FeministsAgainstWar.
Verbreitet Informationen über den Krieg in der Ukraine und Putins Aggression. Wir brauchen die ganze Welt, um die Ukraine in diesem Moment zu unterstützen und Putins Regime jede Unterstützung zu entziehen.
Teilt dieses Manifest mit anderen. Es ist notwendig zu zeigen, dass Feministinnen gegen diesen Krieg sind – und gegen jede Art von Krieg. Ebenso wichtig ist es zu beweisen, dass es noch russische Aktivistinnen gibt, die bereit sind, sich zum Widerstand gegen Putins Regime zusammenzuschließen. Wir alle laufen jetzt Gefahr, vom Staat verfolgt zu werden und brauchen eure Unterstützung.“ (Quelle: jacobin.de, zuletzt aufgerufen am 7.03.2022).

Hexenwahn

„Es waren keine Hexen, es waren Frauen“

// Bettina Conci //
Das Regionalparlament Kataloniens begnadigte Anfang des Jahres fast 1.000 im Zeitraum zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert in der Region wegen Hexerei hingerichtete Frauen. Mit dem Beschluss wollte man der Opfer gedenken und sie und ihre Familien rehabilitieren.
Abbildung einer Hexenverbrennung auf dem Scheiterhaufen aus der Nachrichtensammlung des Johann Jakob Wick (1560 bis 1587) © Zürcher Zentralbibliothek
Ursula Strumecker wurde um 1440 in Truden geboren. Anfang Januar 1505 wurde sie zusammen mit sechs Fleimser Frauen der Hexerei beschuldigt und in Cavalese unter Folter verhört. Beim 6. Folterverhör am 23. Januar brach sie zusammen und gab alles zu, was ihre Peiniger hören wollten: sich dem Teufel hingegeben und Schadgewitter verursacht zu haben sowie Haustieren, Knaben und Männern das Herz herausgerissen und verspeist zu haben. Anna Jobst wurde im Rahmen des „Völser Hexenprozesses“ mit und ohne Folter befragt. Dies geschah im Sommer 1506. Neben den üblichen Schandtaten wurde ihr zur Last gelegt, sich gar zur Königin von Engeland gewählt haben zu lassen.
Grundlose Frauenverfolgung einer misogynen Gesellschaft?
Zwischen 40.000 und 60.000 Menschen wurden europaweit zwischen dem 15. und dem 18. Jahrhundert Opfer der Hexenverfolgung. Das selbsternannt unabhängige Katalonien war nicht nur eine der ersten Regionen in Europa, in denen Hexenjagden stattfanden, sondern auch eine der schlimmsten, was Hinrichtungen angeht. Die Begnadigung der Opfer erfolgte auf einen Beschluss hin, der von allen großen politischen Gruppierungen mitgetragen wurde und sich auf das Manifest „Es waren keine Hexen, es waren Frauen“ der Zeitschrift Sapiens stützte. Damit wollte man die Feststellung unterstreichen, dass Frauen in dieser Zeit von einer misogynen Gesellschaft grundlos verfolgt wurden. Der katalanische Präsident Pere Aragonés nannte die Hinrichtungen gar einen „institutionalisierten Femizid“.

Auch auf dem Gebiet des heutigen Nord-, Süd- und Osttirol fanden vor etwa 500 Jahren über 200 Gerichtsverfahren mit mindestens 400 Angeklagten statt, von denen 72 nachweislich hingerichtet wurden. Dabei war das Geschlechterverhältnis mit 50:50 allerdings ausgewogener als im mitteleuropäischen Durchschnitt, wo der Frauenanteil 75 Prozent betrug.
Symbolisches Handeln statt sachlicher Analyse
Dem Konzept der „Begnadigung“ stand der Historiker Manfred Tschaikner bereits vor sieben Jahren kritisch gegenüber. 2015 bezeichnete er das öffentliche Bedauern der Hexenprozesse und die soziale und ethische Rehabilitierung der Opfer als eine eigentliche „Abkehr von der Vergangenheit, da diese nicht aus ihren Voraussetzungen heraus, sondern nach unseren modernen Maßstäben beurteilt wird. Das schafft einfache Orientierung in einer komplexen Gegenwart und ermöglicht relativ problemloses symbolisches Handeln vor dem Hintergrund ganz anderer Herausforderungen.“ Der Fachmann für die Geschichte der Magie und des frühneuzeitlichen Hexenwesens in Tirol betonte die Wichtigkeit einer sachlichen Analyse und zweifelte die Sinnhaftigkeit von Rehabilitierungsbestrebungen an, weil „Verfolgung und Ausgrenzung von Menschen in der heutigen Zeit dadurch nicht aufhören, sondern sich nur die Vorzeichen ändern“.

Auch der Historiker Hansjörg Rabanser, Autor des Buches „Hexenwahn“ und Experte für Fragen rund um Hexenverfolgungen in Tirol, ist dieser Meinung und ergänzt: „Wenngleich die moderne Hexenforschung von Rehabilitierungsverfahren absieht bzw. abrät, so heißt das nicht, dass die Verfolgungen verharmlost werden sollten. Eine Art Rehabilitation sollte vielmehr durch die Aufarbeitung der Thematik, die Erinnerung an die Vorgänge und durch das Lernen aus diesen erfolgen. Denn die Mechanismen, welche die Hexenverfolgungen von damals verursachten und hinter diesen steckten, sind auch heute noch präsent – auch in Europa, auch inmitten unserer Gesellschaft – und werden zum Teil auch rege angewandt!“
Afrika in den Siebzigern: Hexenwahn statt Impfstrategien
Womit Rabanser recht hat. Während in Europa Denkmäler errichtet, Tote begnadigt und Straßen umbenannt werden, nimmt der Aberglaube anderswo, zum Beispiel in Lateinamerika, Südostasien und vor allem in Afrika noch einen großen Platz in der Gesellschaft ein. Seit 1960 sind vermutlich sogar mehr Menschen wegen Hexerei hingerichtet oder umgebracht worden als während der gesamten europäischen Verfolgungsperiode. So zum Beispiel in Tansania, wo in den vergangenen dreißig Jahren jährlich 100 bis 200 vermeintliche Hexen oder Zauberer ermordet werden, oder im Kongo, wo die zu trauriger Berühmtheit gekommenen „Hexenkinder“ für Krankheiten wie AIDS verantwortlich gemacht und umgebracht werden. In Westafrika wurden in den siebziger Jahren Hexen für eine Epidemie verantwortlich gemacht. Anstatt Impfprogramme voranzutreiben, ließ die Regierung im Radio die Geständnisse alter Frauen verbreiten, dass sie die Gestalt von Waldkäuzchen angenommen hätten, um kranken Kindern die Seele zu stehlen.
In 41 Ländern der Welt werden Hexen verfolgt
Armut, wirtschaftlicher Notstand, Epidemien und mangelnde Bildung fördern diese Hexenverfolgungen, ganz zu schweigen von der Geldmacherei sogenannter Hexendoktoren, die oft maßgeblich zur Verstümmelung, Folter und Ermordung der Opfer beitragen. Die UNHCR und die UNO verurteilen diese Praktiken, die noch in 41 Ländern der Erde ausgeübt werden, scharf. Die Opfer sind meist Frauen, Kinder, Alte und Außenseitergruppen.

Ursula Strumecker wurde übrigens am 15. März 1505 auf dem Scheiterhaufen lebendig verbrannt. Fünfhundert Jahre später rehabilitierte sie der Trudner Gemeinderat offiziell und benannte eine Straße nach ihr. Anna Jobstin wurde 1506 in Völs verbrannt, als erste Hexe im Schlerngebiet. 2006 wurde ihr und anderen Opfern zu Ehren auf Schloss Prösels ein Denkmal in Form eines Scheiterhaufens errichtet. Auch sie wurde posthum zur Namensgeberin einer Straße in Völs.
Wie der Teufel aussah, wussten die Menschen im Mittelalter dank Fresken wie diesem im Brixner Kreuzgang (um 1465) © Bettina Conci