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Kolumne – Macht ist männlich

// Alexandra Kienzl //
Manchmal sind es starke Bilder, die uns zeigen: Es ist noch ein weiter Weg.
Das Foto machte schnell die Runde in den sozialen Netzwerken und erntete dort vor allem Spott und Entsetzen: 30 Herren mittleren bis fortgeschrittenen Alters in dunklen Anzügen, geradezu gespenstisch in ihrer Gleichförmigkeit, sitzen an einer gedeckten Tafel (siehe S. 27). Es war das „CEO-Lunch“ am Rande der Münchener Sicherheitskonferenz, hätte aber genauso gut ein Prostata-Informationstreffen für Wirtschaftstreibende sein können, denn die Frauen im Bild hatte man schnell erfasst: Zero, null, nada. Eine (!) war zwar geladen, verspätete sich aber und schaffte es deshalb nicht auf das Foto. Der Spiegel wollte von ihr wissen, wie sie sich gefühlt habe, als sie das Bild von dieser rein männlichen Angelegenheit gesehen habe. Erschrocken sei sie gewesen, meinte Julie Linn Teigland, Partnerin bei der Wirtschaftsberatung Ernst & Young, dann aber auch erstaunt, weshalb die Menschen so überrascht darüber waren. Recht hat sie: Es ist ja wahrhaftig keine Neuigkeit, dass die oberen Etagen generell und in den Bereichen Wirtschaft und Politik insbesondere äußerst spärlich mit Frauen bestückt sind. Das Gesicht der Macht, es ist weiß, männlich und nicht mehr ganz jung. Das dürfte die Welt schon geahnt haben, bevor sie die Männerriege in Erwartung des Grußes aus der Küche auf die Bildschirme bekam. Trotzdem hinterlässt so ein Bild natürlich einen ganz anderen Eindruck als bloße Statistik.
Auf Südtirol bezogen wissen wir zum Beispiel ganz genau, dass die Politik fest in Männerhand ist: Bei den letzten Gemeinderatswahlen waren schlappe 31 Prozent der Kandidierenden Frauen, magere 26 Prozent der Gemeinderäte sind weiblich, im Landtag kommen auf 26 Männer neun Frauen, wir haben nur zwei Landesrätinnen, und wenn wir uns die 116 Bürgermeisterposten im Land anschauen, dann werden bloß 13 davon derzeit von Frauen besetzt. 13 von 116. Das sind 11,2 Prozent, in einer Welt, in der das Geschlechterverhältnis in der Bevölkerung doch recht ausgewogen 50:50 beträgt. Ein Bild von allen Südtiroler Bürgermeister*innen an einer langen Tafel wäre wohl ähnlich beschämend wie jenes des CEO-Lunches. Etwas diverser vielleicht, weil da Anzug neben Sarner, jung neben alt säße, aber aufs Geschlecht bezogen auch nicht gerade berauschend, wenn auf jede Frau etwa zehn Männer kämen.
Was tun? Teilhabe fördern natürlich, sei es im Öffentlichen durch Strukturen, die Frauen bessere Vereinbarkeit ermöglichen, sei es im Privaten durchs In-die-Pflicht-Nehmen der Partner, die sich immer noch allzu oft aus der Verantwortung stehlen mit dem Hinweis, Care-Arbeit, das sei doch Frauensache. Nicht zuletzt aber braucht es vor allem eines: Den Willen der Frauen, Macht und Verantwortung zu übernehmen. Dass sie letzteres können, und darüber hinaus über ungeahnte Kräfte verfügen, das haben sie in den vergangenen zwei Jahren eindrucksvoll unter Beweis gestellt, als vor allem sie es waren, die in der Pandemie Beruf und Familie unter widrigsten Bedingungen unter einen Hut bringen mussten. Wir haben gezeigt, dass wir es draufhaben, wir haben den Laden geschaukelt, obwohl es ordentlich an die Substanz ging, wieso also jetzt nicht ganz offiziell mitreden, mitbestimmen, mitgestalten? Dass die weibliche Perspektive bei letzterem bitter nötig ist, diese Erfahrung steckt uns noch frisch in den Knochen. Deshalb, nur Mut, wir können das. Und die Männer werden die Tür auch nicht versperren, wenn wir selbstbewusst Einlass fordern anstatt schüchtern davor herumzuscharwenzeln und darauf zu warten, dass wir reingebeten werden. Im Gegenzug überlassen wir ihnen gern auch mehr Teilhabe in den traditionell weiblichen Bereichen, lassen sie mehr erziehen, sorgen, kümmern, damit es auch dort diverser wird. Damit das Bild vom CEO-Lunch eines Tages mal ebenso gut vom (zugegeben dann sehr formellen) Opa-Abend im Kindergarten stammen könnte.

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Wir müssen uns nicht alle liebhaben

// Bettina Conci //
Dem Phänomen des „Girl hate“ (neudeutsch für „Zickenkrieg“) tritt man laut der Bloggerin Tavi Gevinson am besten mit der sogenannten „Shine Theory“ entgegen, die von der US-amerikanischen Journalistin Ann Friedman aufgestellt wurde. Diese besagt, dass Frauen stärker davon profitieren, wenn sie sich gegenseitig unterstützen, statt sich als Konkurrentinnen zu sehen. Scheint banal, im echten Leben ist dieses „Zammschauen“ allerdings manchmal etwas komplizierter. Was aber nicht heißt, dass Frauenbündnisse unmöglich sind. Wir müssen nur die rosarote Brille abnehmen und uns auf unsere Stärken besinnen. Ein Plädoyer für Frauensolidarität ohne Perfektionsanspruch.
Zusammen geht’s leichter – auch ohne Harmonie um jeden Preis. © Tim Marshall/Unsplash
Die Weltfrauenkonferenz war eine Veranstaltung der UN, die ursprünglich alle fünf Jahre durchgeführt werden sollte. Bereits bei der ersten Zusammenkunft 1975 in Mexiko City kam es zu grundlegenden Meinungsverschiedenheiten unter den Delegierten der zivilgesellschaftlichen Frauenorganisationen aus 133 Ländern, die über „Gleichberechtigung, Entwicklung und Frieden“ diskutieren sollten. Auslöser dafür war die unterschiedliche Gewichtung der Themen Frieden, Gleichstellung, Recht auf freie Meinungsäußerung und Entscheidungsfreiheit über den eigenen Körper. Themen, deren verschiedenartige Wahrnehmung wiederum auf die jeweiligen Lebenswelten der Teilnehmerinnen zurückzuführen war.
Ein typischer Fall von mangelnder Frauensolidarität, wie sie uns auch heute noch vorgeworfen wird, schlimmstenfalls unter Verwendung diverser genderstereotypen Huftiermetaphern. Oder?
Wir sind nicht alle gleich, nur weil wir Frauen sind
Werfen wir einen Blick darauf, wie das Ganze ausging. Trotz aller Streitigkeiten steigerten das heterogene Meinungsspektrum innerhalb der Teilnehmerinnen und die verschiedenen Realitäten, aus denen sie kamen, die Bedeutung der Frauenrechte auf internationaler Ebene ungemein. Frauenfeindlichkeit wurde dem Rassismus gleichgesetzt, als Folge der Konferenz wurde ein Jahr später der UN-Entwicklungsfonds für Frauen (UNIFEM) gegründet, 1979 die auf der Konferenz entworfene Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau auf den Weg gebracht. Die UN-Weltfrauenkonferenz fand noch dreimal statt, zum letzten Mal 1995. Der Grund für das (vorläufige) Ende ist so einfach wie traurig: Die Aktionsplattform, die bei der letzten Zusammenkunft in Peking gegründet worden war, erstellte 12 Schwerpunktthemen mit Zielen, von denen einige bis heute nicht erreicht wurden. Somit wurde beschlossen, keine weitere Konferenz mehr einzuberufen, bis man sich diesen Zielen angenähert hatte. Manche*r behauptete auch, die Diskussion um die Flut an Themen und ihre unterschiedlichen Prioritäten habe dazu geführt, dass keine der Teilnehmerinnen große Lust dazu hatte, die Konferenzen fortzuführen.

1975 war nicht nur das Jahr der ersten Weltfrauenkonferenz, sondern auch das Jahr, in dem die Vereinten Nationen zum ersten Mal den Weltfrauentag feierten. Als sozialistischer Kampftag bereits 1911 auf europäischem Boden aus der Taufe gehoben, wandelte sich der 8. März vom Aktionstag über eine verbotene Tradition zur Zeit des Nationalsozialismus (damals wurde er wegen der besseren Harmonie mit der Nazisymbolik durch den Muttertag ersetzt) bis hin zum belächelten Anlass, Blumen zu schenken, und in jüngerer Zeit zum feministischen Kampftag, der nicht nur Frauen, sondern alle LGBTQIA*-Personen miteinbezieht. Und siehe da, auch so ein vermeintlich universeller Brauch wie der Frauentag schafft es regelmäßig, die Gemüter zu erhitzen. So zirkulierten als Motto für 2022 die verschiedensten Alliterationen wie „Break the Bias“, „Choose to Challenge“ oder „Climate Change“, je nachdem, welche Organisation sich dem Thema gerade widmete. Am weitesten verbreitet war schließlich der Slogan „Each for Equal“: jeder und jede für Gleichberechtigung. Ein inklusiver Claim, der niemanden ausschließen soll, aber von einer unrealistischen Prämisse (oder einem unrealistischen Ziel) ausgeht: dass wir alle gleich sind.
Mehr Einigkeit in all dem Facettenreichtum
Harmonie um jeden Preis ist der Tod jeder konstruktiven Diskussion, weshalb wir Frauen vielleicht einfach lernen sollten, unsere unterschiedlichen Ansichten als Facettenreichtum zu sehen – und zu nutzen. Schließlich arbeiten wir kollektiv auf ein Ziel hin – oder behaupten es zumindest. Da dürfen wir uns nicht von einer anerzogenen Abneigung gegen Streitkultur von diesem Ziel abbringen lassen. Wir dürfen diskutieren, streiten, und das auch laut und ohne Rücksicht auf Verluste. Nur dürfen wir nicht vergessen, uns danach wieder an einen Tisch zu setzen, um in all unserer Vielfalt an unseren Zielen zu arbeiten (zur Erinnerung: jene der Aktionsplattform der Weltfrauenkonferenz, die seit 1995 auf ihre Verwirklichung warten, sind Gleichstellung der Frau in allen Bereichen, Schutz der Frauen vor Verfolgung, Gewalt und Armut, Abbau geschlechtsspezifischer Unterschiede in der Gesundheitsversorgung und im Bildungssystem).

Die Mimose, mit der man in Italien am 8. März als weiblich gelesene Person unweigerlich beschenkt wird, wurde übrigens nicht nur wegen ihrer Ubiquität als Symbol für die Frauen und ihren Kampf für Geschlechtergerechtigkeit gewählt: Ihre Blüten bestehen aus vielen kleinen Kügelchen, einer Vielzahl einzelner Elemente, die ein Kollektiv bilden.

* LGBTQIA+ = ist eine Abkürzung der englischen Wörter Lesbian, Gay, Bisexual, Transsexual/Transgender, Queer, Intersexual und Asexual und weitere.
Wo wir schon bei bildhaften Vergleichen sind: auch Stutenbissigkeit ist passé. © Mikael Kristenson/Unsplash