THINK
Kümmern ist menschlich
// Ingrid Kapeller //
Das Gender Pay Gap ist nur eines von vielen Gaps, die die Krater hinsichtlich Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen aufzeigen. Da gibt es beispielsweise noch das Gender Pension Gap, das Gender Orgasm Gap oder das Gender Care Gap: Frauen bekommen weniger Rente als Männer, sie erreichen beim Sex seltener einen Orgasmus und sorgen sich häufiger um Kinder und pflegebedürftige Angehörige. Davon ist das Gender Pay Gap mit ca. 17 Prozent in Südtirol wohl noch das geringste, denn das Pension Gap erreichte 2019 hierzulande ca. 32 Prozent. Das Orgasm Gap ist, weltweit betrachtet, mit 30 Prozent ähnlich hoch.
Das größte aller Gaps findet sich jedoch in der unbezahlten Care-Arbeit: Frauen verbringen nämlich knapp zweimal so viel Zeit mit Care wie Männer.
Das größte aller Gaps findet sich jedoch in der unbezahlten Care-Arbeit: Frauen verbringen nämlich knapp zweimal so viel Zeit mit Care wie Männer.
Der Begriff „Care“ kommt aus dem Englischen und bedeutet „Sorge, Fürsorge“. Care-Arbeit ist demnach (Für)Sorgearbeit und fasst alle Formen der emotionalen, pflegerischen und häuslichen Arbeit in einem Begriff zusammen. Bei Care-Arbeit geht es darum, sich um andere Menschen zu kümmern und dafür zu sorgen, dass zwischenmenschliche Beziehungen funktionieren und Grundbedürfnisse, wie etwa Sicherheit, Nahrung oder Liebe, gestillt werden. Sie ist der Grund, warum unsere Gesellschaft in erster Linie funktionieren kann, da ohne Care-Arbeit keine andere Form von Arbeit verrichtet werden könnte. Schließlich sind die Erziehung von Kindern, die Pflege von älteren Menschen sowie ein funktionierendes Miteinander genauso wichtig für unsere Gesellschaft wie das Bauen von Gebäuden oder Autos – und das nicht nur aus wirtschaftlicher Perspektive.
Dabei haben volkswirtschaftliche Studien herausgefunden, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) eines Landes zwischen 10 und 39 Prozent steigen würde, würde unbezahlte Care-Arbeit in der Gesamtwertschöpfung erfasst und als Arbeitsleistung gelten. Mit diesem Wert würde Care-Arbeit mehr zum BIP eines Landes beitragen als die Sektoren Handel, Produktion oder Transport. Schließlich liegt die Zeit, die täglich weltweit für unbezahlte Care aufgewendet wird, Schätzungen der UN-Women zufolge bei 16 Milliarden Stunden.
In Österreich beispielsweise leisteten Frauen während den Anfängen der Pandemie (April 2020 bis Mai 2021) rund 60 Prozent der unbezahlten Care-Arbeit, was ca. 27 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung entsprechen würde. In Geld umgerechnet haben Frauen in Österreich während dieser Zeit also unbezahlt Care-Arbeit im Wert von 108 Milliarden Euro geleistet.
Das European Institute for Gender Equality (EIGE) sieht im Gender Care Gap die Wurzel des Problems der ungleichen Bezahlung und daher dringenden Handlungsbedarf. Es betont, dass die Pandemie das Care Gap drastisch vergrößert hat.
Doch abgesehen von der individuellen Pflicht eines*einer jeden, seinen*ihren Beitrag im Kleinen zu leisten, sind realistische, umsetzbare und rentable politische Maßnahmen erforderlich, die (Care-)Dienstleistungen und grundlegende Strukturen bereitstellen. Nicht nur um die Aufteilung der Haus- und Betreuungsarbeit zwischen Männern und Frauen zu fördern, sondern auch um Alleinerziehenden zu helfen und Frauen vor der (Alters)Armut zu bewahren.
Wann also fangen wir endlich damit an, Care-Arbeit aufzuwerten? Sie zu bezahlen? Frauen aus der Doppelbelastung zu befreien? Und nicht zuletzt damit, das Problem an seiner Wurzel zu packen, auszureißen und damit alle Gender Gaps zu schließen – beginnend mit dem Gender Care Gap?
Und jährlich grüßt die Lohnlücke
Alle Jahre wieder müssen wir uns aufgrund von sexistischen und patriarchalen Gesellschaftssystemen und Versagen der Politik über das Gender Pay und das Gender Pension Gap empören; immer und immer wieder dieselbe Forderung skandieren: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Ein Anspruch, der weder neu noch innovativ ist, sondern eigentlich längst Vergangenheit sein sollte. Ebenso müssen alljährlich längst überholte und bereits ausdiskutierte Diskussionen darüber geführt werden, warum es diese Ungleichheiten überhaupt gibt. Häufig genannte (und ebenso stumpfsinnige) Erklärungsversuche für das Gender Pay Gap sind beispielsweise, dass Frauen oft in Teilzeit arbeiten, weniger Überstunden machen und deshalb keine Führungspositionen einnehmen können, weil sie sich um die Familie kümmern müssen (…darin liegt doch bereits der erste Fehler, denn warum sollen bitte nur Frauen das machen müssen?). Ähnliche, vermeintliche Erklärungsansätze finden sich auch oft in der Diskussion über das Gender Pension Gap: Frauen bleiben halt ab dem ersten Kind zuhause, arbeiten nicht mehr und können demnach nicht mehr in die Pensionskasse einzahlen, zumindest nicht mehr so viel wie Männer. Was dabei übersehen wird: die Care-Arbeitsleistungen, die (meist) Frauen fast immer gratis erbringen.
Der wahre Wert von Care
Genau weil diese Art der Arbeit meist im Privaten verrichtet und nicht entlohnt wird, wird ihr wenig Anerkennung geschenkt, in vielen Fällen wird sie sogar als selbstverständlich betrachtet. Lohnarbeit hingegen wird bewundert und, wie der Name bereits verrät, monetär entlohnt. Warum die eine Art von Arbeit mehr wert sein soll als die andere und sich das dann auch noch im (Renten)Einkommen niederschlägt, ist doch eigentlich unverständlich. Immerhin arbeiten Frauen in ihrem Leben fünf Prozent mehr als Männer, nur verbringen sie zweimal so viel Zeit damit, sich um andere zu kümmern und emotionale Arbeit zu leisten.Dabei haben volkswirtschaftliche Studien herausgefunden, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) eines Landes zwischen 10 und 39 Prozent steigen würde, würde unbezahlte Care-Arbeit in der Gesamtwertschöpfung erfasst und als Arbeitsleistung gelten. Mit diesem Wert würde Care-Arbeit mehr zum BIP eines Landes beitragen als die Sektoren Handel, Produktion oder Transport. Schließlich liegt die Zeit, die täglich weltweit für unbezahlte Care aufgewendet wird, Schätzungen der UN-Women zufolge bei 16 Milliarden Stunden.
In Österreich beispielsweise leisteten Frauen während den Anfängen der Pandemie (April 2020 bis Mai 2021) rund 60 Prozent der unbezahlten Care-Arbeit, was ca. 27 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung entsprechen würde. In Geld umgerechnet haben Frauen in Österreich während dieser Zeit also unbezahlt Care-Arbeit im Wert von 108 Milliarden Euro geleistet.
Das European Institute for Gender Equality (EIGE) sieht im Gender Care Gap die Wurzel des Problems der ungleichen Bezahlung und daher dringenden Handlungsbedarf. Es betont, dass die Pandemie das Care Gap drastisch vergrößert hat.
Geteilte Care ist halbe Care
Die Umverteilung von Care ist essenziell, und eigentlich längst überfällig: Ein ausgewogenes 50:50-Modell wäre nicht nur wünschenswert, sondern muss auch das Ziel sein. Wenn Männer ihre 50 Prozent der Haus- und Care-Arbeit übernehmen, werden Frauen nicht nur emotional entlastet, sondern haben auch mehr Möglichkeiten und vor allem Zeit, sich selbst zu verwirklichen; in Arbeit, in Freizeit, in Politik, worin auch immer. Sie tragen nicht mehr alleine die Verantwortung über das Wohlbefinden der Familie, sondern können die soziale und wirtschaftliche Teilhabe wahrnehmen, die ihnen zusteht.Doch abgesehen von der individuellen Pflicht eines*einer jeden, seinen*ihren Beitrag im Kleinen zu leisten, sind realistische, umsetzbare und rentable politische Maßnahmen erforderlich, die (Care-)Dienstleistungen und grundlegende Strukturen bereitstellen. Nicht nur um die Aufteilung der Haus- und Betreuungsarbeit zwischen Männern und Frauen zu fördern, sondern auch um Alleinerziehenden zu helfen und Frauen vor der (Alters)Armut zu bewahren.
Wann also fangen wir endlich damit an, Care-Arbeit aufzuwerten? Sie zu bezahlen? Frauen aus der Doppelbelastung zu befreien? Und nicht zuletzt damit, das Problem an seiner Wurzel zu packen, auszureißen und damit alle Gender Gaps zu schließen – beginnend mit dem Gender Care Gap?