Frauen im Journalismus

Das Journalismusfest Innsbruck aus Frauensicht

// Bettina Conci //
Qualitativ hochwertiger Journalismus ist in unserer komplexen Welt immer wichtiger. Für die (Weiter-)Entwicklung von Demokratien und die Wissensproduktion, aber auch für die tägliche Orientierung und das Voranbringen feministischer Themen sind die sachkundigen Analysen und fundierten Recherchen der Journalist*innen aller Medien unabdingbar. Weibliche Perspektiven und Sichtbarkeit von Frauen im Journalismus sind außerdem erste wichtige Schritte in Richtung größere Sichtbarkeit von Themen, die uns betreffen.
Die Bühne gehörte den Frauen beim Thema Fußball. © ëres/Bettina Conci
Auf dem ersten Journalismusfest Innsbrucks, das vom 13. bis 15. Mai dieses Jahres stattfand, kamen 112 Vortragende aus verschiedenen Regionen der Welt mit ihrer spezifischen Expertise zu Wort, nahmen Stellung zu aktuell drängenden Fragestellungen, debattierten miteinander und kamen mit Wissenschaftler*innen, NGO-Vertreter*innen und mit dem Publikum ins Gespräch. Von diesen 112 Mitwirkenden waren 58 Frauen.
Diskussionen, Filme, Ausstellungen, Vorträge, Buchvorstellungen, Audiofeatures und vieles mehr öffneten das „Fenster für die komplexe Gegenwart, in der wir leben“, wie es die Veranstalter (ein gemeinnütziger Verein zur Stärkung von Qualitätsjournalismus, Informationsfreiheit und Demokratie) treffend formulieren.
Hoher weiblicher Besucheranteil
Auch beim Besuch der einzelnen Vorträge und Diskussionen fiel das ausgewogene, wenn nicht gar umgekehrte Geschlechterverhältnis (im Vergleich zu ähnlichen Veranstaltungen in anderen Sparten) auf. Wir von ëres konnten zwar nicht überall dabei sein, waren aber durchaus angetan von den Themen und der Begeisterung, mit denen die geladenen Gäste und das Publikum sich ihnen widmeten, und nicht zuletzt vom weiblichen Besucheranteil. Dieser lag bei Vorträgen wie etwa dem von Sheila Mysorekar zu Rassismus in der medialen Berichterstattung bei ungefähr 90 Prozent und bei einem der Publikumsmagneten, dem Thema Fußball, wo mit Khalida Popal am Freitag ein wahrer Stargast zu Besuch war (am Samstag musste sie auch schon weiter nach Washington, um im Weißen Haus einen Preis entgegenzunehmen) und am Samstag Sportjournalistin Alina Schwermer mit Haifa Tlili und Johanna Small über die feministische Transformation im Frauenfußball diskutierte, bei 50 Prozent.

Die „Internationalen Tage der Information“, so der Alternativtitel des Innsbrucker Events, hat seine Wurzeln in der italienischen Stadt Ferrara, wo seit 2007 ein vom italienischen Wochenmagazin Internazionale organisiertes Festival für Journalist*innen und Wissensvermittler*innen aller Sparten stattfindet. Vom 30. September bis zum 2. Oktober 2022 findet die diesjährige Ausgabe der italienischen „Patin“ statt. Die Aufstellung der Vortragenden ist noch nicht vollständig, derzeit listet die Webseite 23 Mitwirkende – von denen auch wieder 12 weiblich sind. Hier sind also keine Unterschiede zwischen Italien und Österreich festzustellen. Aber wie sieht es mit der Geschlechterverteilung in der Berufssparte der Journalisten, mit den Arbeitsbedingungen und den Perspektiven allgemein aus?
Frauen im Journalismus: jünger und besser ausgebildet als männliche Kollegen
Der österreichische „Journalisten-Report“, die empirische Erhebung über Österreichs Medien und ihre Macher, konstatierte 2020 eine ziemlich ausgewogene Geschlechterverteilung (47 Prozent Frauen gegen 53 Prozent Männer), stellt allerdings fest: „Frauen im Journalismus sind jünger und besser ausgebildet als ihre männlichen Kollegen, verdienen aber weniger.“ In Italien ist das Geschlechterverhältnis laut einer Untersuchung von 2018 ähnlich (42 Prozent vs. 58 Prozent), und die italienische Aufsichtsbehörde für das Kommunikationswesen AGCOM stellt vor allem eine generelle Überalterung in dieser Berufssparte sowie den statistisch dem allgemeinen Durchschnitt entsprechenden Gender Pay Gap fest.
Während Journalist*innen in Italien vor allem gegen prekäre Arbeitsbedingungen kämpfen, die es ihnen erschweren, ihrer Arbeit nachzugehen, kämpfen Journalist*innen in beiden Ländern noch gegen ein anderes Gespenst: Im Pressefreiheits-Ranking, das am 3. Mai 2022 zum 20. Mal von der Organisation „Reporter ohne Grenzen“ herausgegeben wurde, landeten beide Staaten auf den billigen Plätzen, Österreich von Platz 17 im Vorjahr auf 31, Italien von 41 auf 58.
Prekäre Journalist*innen, prekäre Pressefreiheit
Zurück zum Thema Frauen: Am Rande angesprochen wurde das Thema Frauen im Beitrag von Sheila Mysorekar, die in Innsbruck über „Medien und schwarze Perspektiven“ referierte. Die Journalistin und Vorsitzende des Netzwerks neue deutsche organisationen richtete den Appell an die Redaktionen, das Thema Diversität ernst zu nehmen und sich zu bemühen, Leute zu rekrutieren, die Mehrdimensionalität bringen. Als Good-practice-Beispiel führte sie die BBC an, die mit dem Programm 50:50 The Equality Project ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis in den Redaktionen innerhalb 2022 anstrebt – durch statistische Erhebungen, Einzelprojekte und konstantes Monitoring nicht nur der Beschäftigten, sondern auch der Anzahl interviewter Frauen, der Protagonistinnen in den Beiträgen usw.
So lobenswert die Frauenbeteiligung beim Journalismusfest am Rednerpult und im Publikum war, so dünn gesät waren die Themen, die sich mit den „Frauen im Journalismus“ und den Problemen, denen sie sich stellen müssen, befassten. Auch der Lokaljournalismus kam nach Meinung einiger Kommentatoren zu kurz. Gerade aus Südtiroler Perspektive zwei wichtige Punkte, wie wir finden. Vielleicht findet sich ja für die nächste Ausgabe ein Plätzchen.
Das Datum für das nächste Journalismusfest steht übrigens schon: vom 12. bis zum 14. Mai 2023 steht Innsbruck wieder ganz im Zeichen der Information.
Journalismusfest-Co-Organisator Benedikt Sauer (RAI Südtirol) im Gespräch mit Chiara Nielsen, Vizedirektorin des Wochenmagazins Internazionale. © ëres/Bettina Conci

Think

Age Positivity

// Bettina Conci //
Der Sommer ist da, und mit ihm die leidige Frage nach dem Beach-Dresscode. Dass die sozialen Medien mit ihren omnipräsenten Bildern durchtrainierter, gestylter, gepimpter und notfalls eben gefilterter und retuschierter Körper einen schlechten Einfluss auf junge Menschen ausüben können, ist mittlerweile gemeinhin bekannt. Es wird auch versucht, dem entgegenzuwirken, und „Body Positivity“ ist immer mehr im Kommen. Aber wie sieht es eigentlich bei den Alten aus?
Als unbeliebtester Körperteil, bei welchem durchaus auch ein chirurgischer Eingriff in Erwägung gezogen wird, werden Bauch bzw. Taille genannt. © Fuu J/Unsplash
Heidi Klums immer wieder mal umstrittene – und gerade deswegen erfolgreiche – Fernsehshow „Germany’s next Topmodel“ ist dieses Jahr auch auf den Diversitäts-Zug aufgesprungen, bricht mit herkömmlichen Model-Stereotypen und bietet dem Publikum Frauenkörper in allen Formen, Größen, Farben – und in verschiedenen Stadien körperlichen Verfalls. Dabei fällt auf, dass genau die „Vorzeige-Alte“ Lieselotte die Meinungen spaltet. Zum einen, weil die 66-Jährige eine etwas andere Herangehensweise als ihre Möchtegern-Model-Kolleginnen hat, zum anderen, weil sie mit ihrer koketten Art, mit dem eigenen Alter umzugehen, durchaus polarisiert. Heidi freut‘s, und die interessierte Zuschauerin fragt sich: Was haben wir eigentlich für ein (gestörtes) Verhältnis zu alternden Frauenkörpern? Ist die Ü50-Generation, also die, die garantiert nicht auf TikTok oder Instagram zu finden ist, zufriedener mit ihrem Aussehen, weil der ständige Vergleich fehlt? Was für ein Verhältnis haben wir Frauen überhaupt zu unserem Körper, sobald er nicht mehr als „jung“ durchgeht?
„Frauen gelten schneller als alt“
„Vor dem Hintergrund leistungsgesellschaftlicher Ansprüche mit nahezu skurrilen Idealbildern des Alter(n)s, wird die Entwicklung bzw. Aufrechterhaltung einer positiven Altersidentität zur großen Herausforderung.“ So das Fazit der Autorinnen Alexandra Grillitsch und Brigitte Jenull in ihrem 2015 im Journal für Psychologie erschienenen Artikel „50+ und der Traum vom jugendlichen Aussehen.“

Die Altersforschung unterscheidet zwischen dem 3. Lebensalter, das mittlerweile durchaus positiv besetzt ist (die „agilen Alten“), und dem 4. Lebensalter, die sogenannten „Hochbetagten“ (Ü80), wo es zunehmend zu altersspezifischen Funktionsverlusten kommt: Gesundheits- und Mobilitätsprobleme, Schmerzen, und: das Gefühl, dem Bild jugendlichen Aussehens gerecht werden zu müssen, das die Gesellschaft vor allem von uns Frauen verlangt. Diese geschlechtsspezifischen Vorstellungen davon, wie wir altern (sollen), werden auch von Grillitsch und Jenull thematisiert: „Frauen gelten schneller als alt. Die unterschiedliche soziale bzw. gesellschaftliche Bewertung des Alter(n)s bei Frauen und Männern wird dadurch deutlich, dass Frauen als alt betitelt werden, sobald sie das jugendliche Alter überschritten haben.“
Der doppelte Standard des Alterns
Susan Sontag sprach bereits 1972 vom „Double Standard of Ageing“, dem doppelten Standard, wenn es ums Altern geht: Graues Haar und Falten gelten bei Männern als interessant, bei Frauen als unästhetisch. Während Frauen sich Gedanken darüber machen, ob Bikini oder Badeanzug angebracht sind, ob man die Dellen an den Oberschenkeln mit einem locker an der Hüfte sitzenden Pareo (im Italienischen treffend-uncharmant Copricellulite genannt) verdecken sollte und ob der Busen noch herzeigbar genug ist, um oben ohne am Strand zu liegen, recken Männer munter ihre Wohlstandsbäuche in die Sonne, lassen ihre Man-Boobs baumeln und schwitzen unter ihren Rückenhaarmatten, aus denen sich ganze Pullis stricken ließen, denn der nächste Winter kommt bestimmt.
Der Subjective age bias, also das Gefühl, sich jünger als sein kalendarisches Alter zu fühlen, betrifft beide Geschlechter und nimmt mit steigendem Alter zu. Bei Frauen über 50, so hat die Studie von Grillitsch und Jenull an 99 Teilnehmerinnen ergeben, liegt dieser Unterschied bei elf Jahren. Interessant dabei ist, dass sich diese Frauen zwar jünger fühlen, aber weniger zufrieden mit ihrem Aussehen als ihre jüngeren Geschlechtsgenossinnen sind. Auch ist ein BMI, der in der Norm liegt, nicht immer mit größerem Selbstwertgefühl gleichzusetzen: leicht übergewichtige Frauen, die an der Studie teilnahmen, fanden sich selbst attraktiver als solche mit Normalgewicht.
Gute Aussichten für den Lebensabend
Der weibliche Körper unterliegt schon sehr früh der Bewertung von außen, und zwar oft bereits seitens der Mütter mit deren Einstellung zum Körperbild (die ja auch mittlerweile getrost als überholt betrachtet werden darf), aber auch die Gesellschaft im Allgemeinen definiert Frauen eher über ihr Aussehen als Männer.

Als Trost sei allen Leser*innen mitgegeben: Die Untersuchung einer Stichprobe von über 1.000 Mädchen und Frauen zwischen 14 und 93 Jahren (Pook, Brähler und Tuachen-Caffier, 2009) zeigte, dass Frauen über 65 generell weniger unzufrieden mit ihrer Figur sind als jüngere. Die Körperzufriedenheit von Frauen scheint sich in höheren Lebensjahrzehnten zu verbessern und ab 75 Jahren sogar jener der Männer anzugleichen. Forscher*innen sind sich größtenteils einig, dass Frauen im Alter zu einem positiveren Körperbild finden und ihr Selbstwertgefühl daraus schöpfen.

Ändern können wir den doppelten Standard, wenn es um unsere alternden Leibeshüllen geht, sowieso nur auf eine Art: indem wir uns zeigen, wie wir sind. So natürlich, wie wir möchten (Schönheits-OPs zu verteufeln ist ebenso intolerant wie über Falten und Fett zu meckern), so alt, wie wir sind, und so ver- oder enthüllt wie wir gerade Lust haben. Wir googeln nicht „ab wann kein bikini mehr“ (über 10 Millionen Treffer), sondern halten es mit Marilyn Monroe, die gesagt hat: „Wahre Schönheit und Weiblichkeit sind alterslos."
Schön mit 85: Tante Berta, die stets den Rat ihres Arztes befolgt hat, eine gerade Haltung zu bewahren.