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Age Positivity
// Bettina Conci //
Der Sommer ist da, und mit ihm die leidige Frage nach dem Beach-Dresscode. Dass die sozialen Medien mit ihren omnipräsenten Bildern durchtrainierter, gestylter, gepimpter und notfalls eben gefilterter und retuschierter Körper einen schlechten Einfluss auf junge Menschen ausüben können, ist mittlerweile gemeinhin bekannt. Es wird auch versucht, dem entgegenzuwirken, und „Body Positivity“ ist immer mehr im Kommen. Aber wie sieht es eigentlich bei den Alten aus?
Als unbeliebtester Körperteil, bei welchem durchaus auch ein chirurgischer Eingriff in Erwägung gezogen wird, werden Bauch bzw. Taille genannt. © Fuu J/Unsplash
Heidi Klums immer wieder mal umstrittene – und gerade deswegen erfolgreiche – Fernsehshow „Germany’s next Topmodel“ ist dieses Jahr auch auf den Diversitäts-Zug aufgesprungen, bricht mit herkömmlichen Model-Stereotypen und bietet dem Publikum Frauenkörper in allen Formen, Größen, Farben – und in verschiedenen Stadien körperlichen Verfalls. Dabei fällt auf, dass genau die „Vorzeige-Alte“ Lieselotte die Meinungen spaltet. Zum einen, weil die 66-Jährige eine etwas andere Herangehensweise als ihre Möchtegern-Model-Kolleginnen hat, zum anderen, weil sie mit ihrer koketten Art, mit dem eigenen Alter umzugehen, durchaus polarisiert. Heidi freut‘s, und die interessierte Zuschauerin fragt sich: Was haben wir eigentlich für ein (gestörtes) Verhältnis zu alternden Frauenkörpern? Ist die Ü50-Generation, also die, die garantiert nicht auf TikTok oder Instagram zu finden ist, zufriedener mit ihrem Aussehen, weil der ständige Vergleich fehlt? Was für ein Verhältnis haben wir Frauen überhaupt zu unserem Körper, sobald er nicht mehr als „jung“ durchgeht?
Die Altersforschung unterscheidet zwischen dem 3. Lebensalter, das mittlerweile durchaus positiv besetzt ist (die „agilen Alten“), und dem 4. Lebensalter, die sogenannten „Hochbetagten“ (Ü80), wo es zunehmend zu altersspezifischen Funktionsverlusten kommt: Gesundheits- und Mobilitätsprobleme, Schmerzen, und: das Gefühl, dem Bild jugendlichen Aussehens gerecht werden zu müssen, das die Gesellschaft vor allem von uns Frauen verlangt. Diese geschlechtsspezifischen Vorstellungen davon, wie wir altern (sollen), werden auch von Grillitsch und Jenull thematisiert: „Frauen gelten schneller als alt. Die unterschiedliche soziale bzw. gesellschaftliche Bewertung des Alter(n)s bei Frauen und Männern wird dadurch deutlich, dass Frauen als alt betitelt werden, sobald sie das jugendliche Alter überschritten haben.“
Der Subjective age bias, also das Gefühl, sich jünger als sein kalendarisches Alter zu fühlen, betrifft beide Geschlechter und nimmt mit steigendem Alter zu. Bei Frauen über 50, so hat die Studie von Grillitsch und Jenull an 99 Teilnehmerinnen ergeben, liegt dieser Unterschied bei elf Jahren. Interessant dabei ist, dass sich diese Frauen zwar jünger fühlen, aber weniger zufrieden mit ihrem Aussehen als ihre jüngeren Geschlechtsgenossinnen sind. Auch ist ein BMI, der in der Norm liegt, nicht immer mit größerem Selbstwertgefühl gleichzusetzen: leicht übergewichtige Frauen, die an der Studie teilnahmen, fanden sich selbst attraktiver als solche mit Normalgewicht.
Als Trost sei allen Leser*innen mitgegeben: Die Untersuchung einer Stichprobe von über 1.000 Mädchen und Frauen zwischen 14 und 93 Jahren (Pook, Brähler und Tuachen-Caffier, 2009) zeigte, dass Frauen über 65 generell weniger unzufrieden mit ihrer Figur sind als jüngere. Die Körperzufriedenheit von Frauen scheint sich in höheren Lebensjahrzehnten zu verbessern und ab 75 Jahren sogar jener der Männer anzugleichen. Forscher*innen sind sich größtenteils einig, dass Frauen im Alter zu einem positiveren Körperbild finden und ihr Selbstwertgefühl daraus schöpfen.
Ändern können wir den doppelten Standard, wenn es um unsere alternden Leibeshüllen geht, sowieso nur auf eine Art: indem wir uns zeigen, wie wir sind. So natürlich, wie wir möchten (Schönheits-OPs zu verteufeln ist ebenso intolerant wie über Falten und Fett zu meckern), so alt, wie wir sind, und so ver- oder enthüllt wie wir gerade Lust haben. Wir googeln nicht „ab wann kein bikini mehr“ (über 10 Millionen Treffer), sondern halten es mit Marilyn Monroe, die gesagt hat: „Wahre Schönheit und Weiblichkeit sind alterslos."
„Frauen gelten schneller als alt“
„Vor dem Hintergrund leistungsgesellschaftlicher Ansprüche mit nahezu skurrilen Idealbildern des Alter(n)s, wird die Entwicklung bzw. Aufrechterhaltung einer positiven Altersidentität zur großen Herausforderung.“ So das Fazit der Autorinnen Alexandra Grillitsch und Brigitte Jenull in ihrem 2015 im Journal für Psychologie erschienenen Artikel „50+ und der Traum vom jugendlichen Aussehen.“Die Altersforschung unterscheidet zwischen dem 3. Lebensalter, das mittlerweile durchaus positiv besetzt ist (die „agilen Alten“), und dem 4. Lebensalter, die sogenannten „Hochbetagten“ (Ü80), wo es zunehmend zu altersspezifischen Funktionsverlusten kommt: Gesundheits- und Mobilitätsprobleme, Schmerzen, und: das Gefühl, dem Bild jugendlichen Aussehens gerecht werden zu müssen, das die Gesellschaft vor allem von uns Frauen verlangt. Diese geschlechtsspezifischen Vorstellungen davon, wie wir altern (sollen), werden auch von Grillitsch und Jenull thematisiert: „Frauen gelten schneller als alt. Die unterschiedliche soziale bzw. gesellschaftliche Bewertung des Alter(n)s bei Frauen und Männern wird dadurch deutlich, dass Frauen als alt betitelt werden, sobald sie das jugendliche Alter überschritten haben.“
Der doppelte Standard des Alterns
Susan Sontag sprach bereits 1972 vom „Double Standard of Ageing“, dem doppelten Standard, wenn es ums Altern geht: Graues Haar und Falten gelten bei Männern als interessant, bei Frauen als unästhetisch. Während Frauen sich Gedanken darüber machen, ob Bikini oder Badeanzug angebracht sind, ob man die Dellen an den Oberschenkeln mit einem locker an der Hüfte sitzenden Pareo (im Italienischen treffend-uncharmant Copricellulite genannt) verdecken sollte und ob der Busen noch herzeigbar genug ist, um oben ohne am Strand zu liegen, recken Männer munter ihre Wohlstandsbäuche in die Sonne, lassen ihre Man-Boobs baumeln und schwitzen unter ihren Rückenhaarmatten, aus denen sich ganze Pullis stricken ließen, denn der nächste Winter kommt bestimmt.Der Subjective age bias, also das Gefühl, sich jünger als sein kalendarisches Alter zu fühlen, betrifft beide Geschlechter und nimmt mit steigendem Alter zu. Bei Frauen über 50, so hat die Studie von Grillitsch und Jenull an 99 Teilnehmerinnen ergeben, liegt dieser Unterschied bei elf Jahren. Interessant dabei ist, dass sich diese Frauen zwar jünger fühlen, aber weniger zufrieden mit ihrem Aussehen als ihre jüngeren Geschlechtsgenossinnen sind. Auch ist ein BMI, der in der Norm liegt, nicht immer mit größerem Selbstwertgefühl gleichzusetzen: leicht übergewichtige Frauen, die an der Studie teilnahmen, fanden sich selbst attraktiver als solche mit Normalgewicht.
Gute Aussichten für den Lebensabend
Der weibliche Körper unterliegt schon sehr früh der Bewertung von außen, und zwar oft bereits seitens der Mütter mit deren Einstellung zum Körperbild (die ja auch mittlerweile getrost als überholt betrachtet werden darf), aber auch die Gesellschaft im Allgemeinen definiert Frauen eher über ihr Aussehen als Männer.Als Trost sei allen Leser*innen mitgegeben: Die Untersuchung einer Stichprobe von über 1.000 Mädchen und Frauen zwischen 14 und 93 Jahren (Pook, Brähler und Tuachen-Caffier, 2009) zeigte, dass Frauen über 65 generell weniger unzufrieden mit ihrer Figur sind als jüngere. Die Körperzufriedenheit von Frauen scheint sich in höheren Lebensjahrzehnten zu verbessern und ab 75 Jahren sogar jener der Männer anzugleichen. Forscher*innen sind sich größtenteils einig, dass Frauen im Alter zu einem positiveren Körperbild finden und ihr Selbstwertgefühl daraus schöpfen.
Ändern können wir den doppelten Standard, wenn es um unsere alternden Leibeshüllen geht, sowieso nur auf eine Art: indem wir uns zeigen, wie wir sind. So natürlich, wie wir möchten (Schönheits-OPs zu verteufeln ist ebenso intolerant wie über Falten und Fett zu meckern), so alt, wie wir sind, und so ver- oder enthüllt wie wir gerade Lust haben. Wir googeln nicht „ab wann kein bikini mehr“ (über 10 Millionen Treffer), sondern halten es mit Marilyn Monroe, die gesagt hat: „Wahre Schönheit und Weiblichkeit sind alterslos."
Schön mit 85: Tante Berta, die stets den Rat ihres Arztes befolgt hat, eine gerade Haltung zu bewahren.