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„Wir müssen uns selbst genug wert sein“
// Bettina Conci //
Die Landesvorsitzende der KVW-Frauen Helga Mutschlechner befasst sich seit Jahren mit dem Thema der finanziellen Vorsorge von Frauen. Sie und ihre Mitarbeiterinnen sensibilisieren südtirolweit dafür, sich rechtzeitig damit zu befassen – will heißen: früh genug, um sich nicht dem sehr realen Szenario stellen zu müssen, in die Altersarmut abzudriften. Denn, und das sagt Mutschlechner in aller Klarheit: „Altersarmut ist weiblich.“
© Omid Armin/ Unsplash
Was sind die „klassischen“ Ursachen für Altersarmut in einer so reichen Provinz wie Südtirol?
Es sind dieselben Ursachen wie anderswo. Altersarmut von Frauen ist ein europäisches Phänomen. Frauen tun sich schwer, einer kontinuierlichen Arbeit nachzugehen, und zwar aufgrund der Familienarbeit, der Unterbrechungen durch Mutterschaft und durch die Pflegezeit für erkrankte Familienangehörige. Auch ist ein Neueinstieg ins Berufsleben oft problematisch. Ehrenamtliche Arbeit liegt oft in Frauenhänden und nimmt viel Zeit in Anspruch. Und die Berufswahl hängt natürlich ebenfalls damit zusammen, sowie die Tatsache, dass veraltete Rollenbilder immer noch in den Hinterköpfen vorhanden und durch die Pandemie wieder mehr in den Vordergrund gerückt sind.Viele dieser Arbeiten, die für die Gesellschaft unverzichtbar sind, werden unbezahlt geleistet und zwar vorwiegend von Frauen, das heißt, auf ein arbeitsreiches Leben folgt ein Alter in Armut.
Und die Arbeitsmodelle selbst?
Teilzeitarbeit kann zur Falle werden – geringere Rentenbeiträge werden eingezahlt, weil die derzeitigen Renten auf das beitragsbezogene System aufgebaut sind. Neue Arbeitsmodelle zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf müssen geschaffen werden, in der Gesellschaft muss ein Umdenken stattfinden. Oft wird die Arbeit der Frauen weniger anerkannt. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit heute, heißt auch bessere Absicherung im Alter. Die Familienarbeit muss gerecht zwischen beiden Partnern aufgeteilt werden. Das sogenannte „Landeskindergeld+“ wurde in fünf Jahren lediglich von 465 Vätern in Südtirol in Anspruch genommen (Quelle: AFI-IPL). Auch hier fehlt es an Bewusstsein für diese Möglichkeiten, in den allermeisten Fällen sind es die Frauen, die zuhause bleiben müssen.
Was kann Frau also tun?
Die grundlegende Erneuerung des Rentensystems in den vergangenen Jahren hat dazu geführt, dass die Bevölkerung, besonders die Frauen, künftig mit erheblich niedrigen Renten rechnen muss. Um dieses Rentendefizit zu decken, bedarf es der Ergänzungsvorsorge. Das Rentenberechnungssystem verzeiht außerdem keine langfristigen Lücken, daher gibt es Möglichkeiten, sich freiwillig weiter zu versichern. Da Frauen vorwiegend in Teilzeit und als Hausfrau arbeiten, werden wenige oder keine Beiträge in die Rentenkasse eingezahlt. Es ist notwendig, diese niedrigen Beiträge zu ergänzen und Beiträge in die Rentenkasse oder auch in einen Zusatzrentenfonds einzuzahlen. Dann ist es noch möglich, für die Erziehungszeiten um Beiträge von der Autonomen Provinz Bozen anzusuchen, ebenso gibt es Zuschüsse für pflegende Angehörige. Die KVW-Frauen fordern schon seit langem die Anerkennung von zwei Jahren an Erziehungszeiten.
Ist diese Forderung realistisch?
Warum nicht! In der öffentlichen Verwaltung werden drei Jahre an Erziehungszeiten anerkannt.Ich kann es nicht oft genug betonen und appelliere an alle Frauen: Jede von uns muss sich fragen, was für sie wichtig ist. Dass muss ich mir selbst wert sein. Mangelnde finanzielle Absicherung bedeutet ja auch geringere gesellschaftliche Teilhabe, weniger Selbstwertgefühl und Anerkennung, Isolation, man kann sich weniger leisten.
Stichwort Niederschwelligkeit: Wie einfach ist es, selbst aktiv zu werden?
Sehr einfach. In den Patronaten des KVW werden kostenlose Beratungen zum Thema angeboten. Detaillierte Informationen werden auf der Homepage, sowie in den Broschüren des KVW angeführt. Die Wichtigkeit zur Einzahlung einer Zusatzrente wird leider oft unterschätzt, weshalb wir auch mit Aufklärungskampagnen in Zusammenarbeit mit der Politik und anderen Akteuren darauf hinweisen. Jedes Patronat, jede Gewerkschaft gibt Auskunft zu diesen Themen. Es gibt viele Anlaufstellen – einen Termin machen und hingehen müssen die Frauen halt selbst.
Was ist Ihre Botschaft an die Leserinnen?
Wir arbeiten wirklich tagtäglich daran, die Frauen wachzurütteln. Frauen müssen sich selbst so viel wert sein, an sich und die eigene Zukunft zu denken. Es ist kein Trost, dass es ein weitverbreitetes Phänomen ist, dass die Rentenlücke, das sogenannte Gender Pension Gap, ein gesamteuropäisches Problem ist, und auch keiner, dass die Situation der Frauen in Südtirol besser als in den anderen Regionen Italiens ist. Wenn ich etwas will, dann muss ich mich informieren, so einfach ist es.Informationen, Adressen und nützliche Links finden sich auf den folgenden Webseiten:
ASWE: www.aswe.provinz.bz.it
PensPlan: www.pensplan.com
KVW: www.mypatronat.eu und www.mycaf.eu
Unermüdlicher Einsatz bei der Schaffung von mehr Bewusstsein für weibliche Altersvorsorge © ëres/Bettina Conci