Think

Weder Rache, noch Porno

// Ingrid Kapeller //
Rund zwei Millionen Menschen in Italien
sind Opfer von der Verbreitung oder Verwendung intimer Bilder und/oder Videos ohne ihre Einwilligung – eine Form der Gewalt, die unter dem irreführenden Begriff
„Revenge Porn“ bekannt ist.
Werden intime, sexuelle Bilder und/oder Videos ohne Einverständnis der darauf zu sehenden Personen veröffentlicht, verbreitet oder verkauft, spricht man umgangssprachlich (fälschlicherweise) von „Revenge Porn“, auf Deutsch: Racheporno. Eine Form der digitalen sexuellen Gewalt, die in Italien weit verbreitet und seit 2019 strafbar ist.
Dass nur von prominenten Menschen entsprechende Bilder oder Videos in Umlauf gesetzt werden, wie etwa das Sex-Tape von Pamela Anderson und Tommy Lee 1995, das gestohlen und ohne ihr Einverständnis verkauft und veröffentlicht wurde, stimmt nicht.
Denn Schätzungen zufolge sind in Italien rund zwei Millionen Menschen Opfer von der Verbreitung von Nacktfotos oder Sexvideos ohne ihre Einwilligung – etwa 70 Prozent der Betroffenen in Italien sind Frauen, circa 90 Prozent derjenigen, die intimes Bildmaterial veröffentlichen und verbreiten, sind weltweit Männer.
Während der Pandemie haben entsprechende Fälle Angaben der Postpolizei zufolge deutlich zugenommen. So wurden 2021 im Vergleich zum Vorjahr 78 Prozent mehr Fälle angezeigt. Im Internet finden sich unzählige Webseiten, die nur davon leben, dass Menschen ohne Einwilligung private und sexuelle Bilder oder Videos von Personen hochladen. Manche davon spezialisieren sich sogar auf Frauen in einer ganz bestimmten Rolle, der Exfreundin zum Beispiel. Und auch in den Sozialen Medien kursiert das Material und wird fleißig geliked und geteilt. Facebook musste 2019 beispielsweise eine halbe Million Beiträge pro Monat (!) daraufhin prüfen, ob es sich bei dem Gezeigten um (un)einvernehmliche Verbreitung von privaten, sexuellen Inhalten handelt.
Genaue Zahlen für Südtirol liegen derzeit noch nicht vor. In dem 2019 gestarteten Forschungsprojekt „Creep“ der Freien Universität Bozen soll das Phänomen jedoch genauer analysiert werden – in Südtirol und international.

Der Name „Revenge Porn“ oder „Racheporno“ ist auf Englisch als auch in Deutsch mehr als irreführend und beschwichtigend (siehe auch ëres 1/2021). Denn beim Veröffentlichen und Verbreiten von intimen, sexuellen Bildern oder Videos geht es weder um Rache noch um Pornographie. Einerseits hat diese Straftat mit Pornographie wenig am Hut, da pornographisches Material einvernehmlich und für ein breiteres Publikum bestimmt produziert wird. Andererseits wird mit dem Begriff „Rache“ suggeriert, dass das unrechtmäßige Verbreiten des Materials eine Reaktion auf ein Fehlverhalten sei und das Veröffentlichen dementsprechend gerechtfertigt wäre. Ein Trugschluss. Denn nichts, rein gar nichts, entschuldigt den Angriff auf die Würde und den Eingriff in die Intimsphäre eines Menschen durch das Verbreiten privater Bilder, auch kein „Fehlverhalten“, das nur in den Augen der Täterperson eines ist.
Bei dieser Form der Gewalt, dem unerlaubten Verbreiten und Veröffentlichen intimer Bilder, geht es also um Kontrolle, Macht und Besitz. Welche Art der Macht ausgeübt wird, variiert. Die Präsidentin der Kontaktstelle gegen Gewalt GEA, Christine Clignon, hält fest, dass das Phänomen Frauen in allen Altersklassen betrifft, die Gründe privates Bildmaterial zu veröffentlichen aber je nach Alter verschieden sein können. „Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen wird ein privates Bild meistens veröffentlicht und verbreitet, um sich damit zu brüsten. Ein intimes Bild wird einer Trophäe gleichgesetzt. Bei erwachseneren Frauen wird sexuelles Bildmaterial oft zur Erpressung eingesetzt, als Drohung und damit als Mittel der Kontrolle – der Frau, ihrer Sexualität und ihrer Beziehungen.“
Dabei ist das Verbreiten intimer Bilder ohne Einverständnis eine Straftat. Zwischen 5.000 und 15.000 Euro und bis zu sechs Jahren Haft droht Täterpersonen bei der unerlaubten Verbreitung des Materials. Das ist im „Codice Rosso“ von 2019 unter Artikel 10 des Gesetzes 69 festgehalten, wo die Verbreitung und Verwendung intimer Bilder und Videos ohne Einwilligung der Betroffenen als Straftat geregelt und als eine Form der Gewalt anerkannt wird. Denn Studien belegen, dass sich Folgen von digitaler sexueller Gewalt mit jenen von physischen sexuellen Übergriffen decken und verheerende Auswirkungen auf die physische und psychische Gesundheit Überlebender haben.

Die Bildungswissenschaftlerin Chiara Orri, diesjährige Zweitplatzierte der Auszeichnung von wissenschaftlichen Arbeiten zur Gleichstellung der Frau vom Landesbeirat für Chancengleichheit, hat sich in ihrer Masterarbeit mit dem Titel „Diffusione non consensuale di immagini e/o video intimi online: analisi e approfondimento di una nuova forma di cyber-violenza e confronto con la realtà degli interventi a tutela delle persone colpite“ mit dem Phänomen auseinandergesetzt. Orri erklärt: „Eine meiner Schlussfolgerungen ist, dass ein Gesetz, das die Verbreitung von intimen Bildern ohne Einwilligung bestraft, sehr wichtig ist. Aber es muss noch mehr passieren, um dieser Form von Gewalt ein Ende zu bereiten. Das Gesetz muss spezifischer werden und dann auch konkret und im Sinne der Opfer angewendet werden.“. Orri erläutert weiters, dass Betroffene oft sekundäre Viktimisierung erfahren, wenn sie über ihre Erfahrungen sprechen. Das heißt, sie werden zusätzlich noch von der Gesellschaft verurteilt, weil die Bilder in erster Linie aufgenommen wurden und auf diese Weise Sexualität ausgedrückt wird. Dieser doppelten Viktimisierung gilt es entgegenzuwirken, denn sie verdreht Tatsachen und spielt das patriarchalische Spiel im Sinne der Täter-Opfer-Umkehr mit. Das Problem sind nicht Menschen, die intime Bilder von sich selbst machen, sondern diejenigen, die sie missbrauchen. Denn weibliche Lust und Sexualität in Bildern auszudrücken, ist kein Vergehen – die Stigmatisierung und der Missbrauch davon aber schon.


Werden intime Bilder und/oder Videos verschickt, sollte dennoch auf einen aufmerksamen Umgang damit geachtet werden. Einmal verschickt, hat man keine Kontrolle mehr darüber, was mit dem Material geschieht. Daher ist auch die Dokumentation der Unterhaltung, mittels Screenshots zum Beispiel, sehr wichtig, um später eventuell Beweise zu haben. Weiters sollte darauf geachtet werden, dass das Gesicht auf dem intimen Material nicht zu erkennen ist. Im Falle einer Verbreitung des Materials ohne Einwilligung kann man sich an Gewaltschutzzentren wenden, die emotionale Unterstützung leisten und bei einer eventuellen Anzeige bei der Postpolizei helfen. Um eine potenzielle rasante Verbreitung im Netz zu bremsen, sollten entsprechende Schritte und Maßnahmen möglichst zeitnah erfolgen.

Think

La dignità delle persone transgender

// Verena De Monte //
Camilla Vivian ha una figlia assegnata maschio alla nascita. Nel 2016 inizia a condividere la sua storia di genitore di una persona transgender(1) prima con il blog Mio figlio in rosa e poi in un libro dallo stesso titolo. All’interno della manifestazione “My Life Is Revolution” organizzata da Centaurus Arcigay Bolzano, ha presentato il suo secondo libro Gender libera tuttə(2). Storie vere per amare, capire e fare la rivoluzione, un testo che raccoglie le testimonianze di 33 persone transgender di tutte le età e parla delle tante vicissitudini dolorose e spiazzanti cui vanno incontro: dall’uso del giusto pronome al riconoscimento giuridico, dalle terapie ormonali alla transizione chirurgica.
“Liber* di essere” © Alessio Giordano
In che modo viene violata la dignità delle persone transgender?
Negare l’esistenza è la base della violenza e le persone transgender “non esistono”: non hanno nessun tipo di rappresentazione nel quotidiano, non se ne parla, non compaiono in nessun testo scolastico, non si vedono nei film ecc. Esistere è la base per poter rivendicare dei diritti.
Cosa prevede la legislazione in questo ambito?
Per la legge esiste semplicemente una persona che ha una patologia e si deve adeguare a quella che è una richiesta sociale. La persona si deve sempre incastrare in una delle due categorie, uomo o donna, mentre sappiamo che ci sono infinite possibilità di vivere l’identità di genere(3).
Cosa consigli ai genitori che hanno un figlio o una figlia transgender?
Di informarsi, stando attenti a chi si rivolgono per evitare informazioni false e di credere alle parole del figlio o della figlia, lasciandolə vivere la loro vita tranquillamente. Consiglio anche di concentrarsi sul presente, evitando di caricarsi di stress preoccupandosi per il futuro, quando tanto non lo si può prevedere.
Quando nel sottotitolo del tuo libro parli di “fare la rivoluzione” cosa intendi?
Ritengo ci sia bisogno di una rivoluzione culturale che non riguarda solamente l’identità di genere delle persone transgender ma l’identità di genere di tuttə e la società in generale. È necessario cambiare paradigma e capire che il problema non è della persona ma di un contesto che quella persona non la prevede. Non è la persona non conforme a doversi adeguare non sono i genitori a dovere "accordare" il figlio o la figlia per proteggerli, ma sono gli altri che devono imparare a conoscere, capire e accogliere.
Cosa dovrebbero mettere in discussione quelli che hai ora definito “gli altri”?
La vera questione è: perché le persone cisgender4 non riescono a vedere più in là del loro naso? Cosa le spaventa? Cosa perderebbero se crollasse la costruzione dei due generi ben distinti, una costruzione finta che oggettivamente non corrisponde alla realtà? Bisogna cercare di creare una società che sia di tuttə e rappresenti tuttə, a partire dalla scuola. È necessario parlare di varietà affinché si cominci a strutturare una mentalità diversa nel futuro.


1. Le persone transgender sono persone che non si riconoscono o non si riconoscono del tutto e sempre nel genere assegnato loro alla nascita.
2. Questa lettera chiamata “schwa” è il simbolo utilizzato per indicare una vocale intermedia e in tempi recenti viene usata per includere tutti i generi
3. Indica il sentimento intimo con cui una persona, sin dai primissimi anni di vita, definisce il proprio sentirsi maschio, femmina o altro rispetto a dei modelli sociali di riferimento, che variano a seconda del contesto culturale e delle esperienze individuali.
4. Donne e uomini che si riconoscono nel genere
assegnato loro alla nascita in base ai loro
organi genitali
Libri di Camilla Vivian © Verena De Monte