Schubladenblick

Wie Ohspialer nicht ausschauen

// Hannah Lechner //
Eine Almgeschichte über Berufswahl, Identitätskategorien und den Schubladenblick von außen
Irgendwann am Anfang des vergangenen Sommers wanderte ich mit zwei mir verwandten Personen in ihren frühen 60ern, nennen wir sie Roman und Irene, auf eine Alm im Obervinschgau. Die Saison hatte noch nicht begonnen, alles war in Vorbereitungsstimmung. Jemand lud große Plastiksäcke voll geselchter Rippen aus dem Kofferraum eines kleinen blauen Autos, die Küche hatte noch geschlossen und vor dem Haus saß ein Mann – nennen wir ihn Martin – und schliff mit einer Handschleifmaschine Forstbänke ab. Wie man das auf Almen im Obervinschgau so macht, blieb Roman neben ihm stehen. „Iaz wearts nor sou longsom lousgean, ha? Wos tuasch du do aft Olb?“, fragte er. „I bin dr Ohspialer.“, sagte Martin, Roman freundlich anschauend. Dieser lachte: „Bisch dr Chef, oder?“ „Nana“, bekräftigte Martin, ruhig und immer noch freundlich, „i bin dr Ohspiahler. Und soulong mr nu koan Aufschonk hobn, hilfi holt drweil olls herrichtn.“ Ich stand daneben, verwirrt über den Verlauf dieses beiläufigen Gesprächs. Etwas stimmte nicht mit seinem Aufbau, etwas an der inneren Logik dieser kurzen Frage-Antwort-Sequenz wollte sich mir nicht ganz erschließen. Was war hier gerade passiert? Obwohl sich Martin ohne unterdrücktes Lachen, das auf einen (schlechten) Witz hätte hindeuten können, ohne die Spur eines Grinsens auf seinem Gesicht, ohne einen Hauch von Ironie in seiner Stimme als Ohspialer vorgestellt hatte, schien diese Antwort für Roman so absurd, dass er sie ohne zu zögern als Scherz interpretierte und seinerseits einen Alternativvorschlag in Bezug auf Martins Rolle auf der Alm machte: jene des Chefs. Erlaubt mir einen Analyseversuch: Die Person, die Bänke-schleifend vor uns saß, war definitiv zu alt, um einen Sommer lang als Praktikant ausgenutzt zu werden, sie war weiß, männlich gelesen und ihrer Sprache nach zu urteilen aus Südtirol. Diese Kombination von nach außen sichtbaren Identitätskategorien hatte offensichtlich dazu geführt, dass Roman eine völlig ernst gemeinte Antwort ganz automatisch als scherzhaft verbucht hatte: Für ‚mittelalte‘, weiße, ‚einheimische‘ Männer ist die Rolle des Ohspialers ganz einfach nicht vorgesehen, sondern eine andere.
Warum erzähle ich diese Geschichte? Weil sie auf wunderbar komprimierte und plakative Art und Weise ein Problem vor Augen führt, das sich weder auf Almen im Obervinschgau noch auf Roman als Person beschränkt: So lange wir in einer Gesellschaft leben, in der die Antwort von Menschen wie Martin, sie seien ‚dr Ohspialer‘, als Witz interpretiert wird, sind wir nicht frei in der Berufswahl. So lange werden junge Mädchen eher keine Ingenieurinnen werden und bildungsbenachteiligte Menschen oder Menschen mit Migrationsgeschichte eher keine Lehrer*innen, Ärzt*innen oder Bürgermeister*innen. Weil die Gesellschaft andere (Berufs)Kategorien für sie vorsieht und diese Wege ganz einfach nicht im Rahmen des Denk- und Träumbaren liegen. Und so lange – denn das ist die andere Seite der Medaille – werden die Martins dieser Welt den Druck verspüren, eben nicht ‚nur‘ der Ohspialer zu sein, sondern mindestens der Junior-Chef. „Ach komm“, wollen einige von euch jetzt vermutlich sagen, einen Anflug von Genervtheit ob meiner pauschalisierenden und pessimistischen Zukunftsprognose verspürend, „das liegt doch jedem frei und außerdem kenn ich diese eine Tochter eines Freundes, die ist eine junge Bauingenieurin und sehr erfolgreich, und die Geschichte dieses einen jungen Mannes, der kam vor ein paar Jahren als Flüchtling hier an, hat seinen Schulabschluss gemacht und ist jetzt an der Uni inskribiert.“ Das ist sehr schön, würde ich antworten, ich freu mich für die Tochter und ich freu mich für den jungen Mann – ich mag Erfolgsgeschichten! Aber leider kennt ihr halt immer noch nur diese einen.

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Come d'aria

// Linda Albanese //
© Elliot
edito da Elliot
È il libro vincitore dell’ultima edizione del Premio Strega che si aggiudica anche la 10a edizione del Premio Strega Giovani. L’autrice, Ada D'Adamo, scompare a 55 anni per una malattia, poco dopo aver saputo di essere entrata tra i 12 finalisti del premio. Era una danzatrice, aveva studiato e insegnato discipline teatrali e aveva scritto diversi saggi sulla danza e il teatro. Il suo libro racconta una storia d’amore, di unione e di verità, ed entra nel vivo del rapporto tra la scrittrice e la figlia, nata con una grave patologia. Daria è la figlia, il cui destino è segnato sin dalla nascita da una mancata diagnosi. Ada è la madre, che sulla soglia dei cinquant'anni scopre di essersi ammalata. Questa scoperta diventa occasione per lei di rivolgersi direttamente alla figlia e raccontare la loro storia. Tutto passa attraverso i corpi di Ada e Daria: fatiche quotidiane, rabbia, segreti, ma anche gioie inaspettate e momenti di infinita tenerezza. Il silenzio è la dimensione del dialogo di Ada con Daria, l’unico possibile, senza parole. “L’aborto è una scelta dolorosa per chi la compie, ma è una scelta e va garantita. Anche se mi ha stravolto la vita, io adoro la mia meravigliosa figlia imperfetta. Ma se avessi potuto scegliere, quel giorno, avrei scelto l’aborto terapeutico” aveva scritto l’autrice in una lettera pubblicata su La Repubblica. La sua è un’affermazione di diritto, che rivendica la possibilità di una scelta che a lei è stata negata.