Herstory

Widerstehen

// Martha Verdorfer | Frauenarchiv //
Vor genau 80 Jahren, im April 1945, wurde das Polizeiliche Durchgangslager in der Bozner Reschenstraße aufgelöst. Den Erfahrungen und Erlebnissen der Menschen, die aus rassistischen und politischen Gründen dort interniert waren, wurden lange Zeit keine Aufmerksamkeit geschenkt. Auch Frauen waren dort interniert und leisteten Widerstand innerhalb und außerhalb des Lagers.
Die beiden Schwestern Gemma und Maria Marsilli waren vom Jänner bis Ende April 1945 im Lager Bozen interniert, weil sie Partisanen unterstützt hatten. © Fondazione Museo storico del Trentino
Das Polizeiliche Durchgangslager in der Bozner Reschenstraße bestand vom Sommer 1944 bis April 1945. Insgesamt waren etwa 10.000 Frauen, Männer und Kinder im Polizeilichen Durchgangslager in Bozen interniert. Der Anteil der Frauen, die mit den Kindern in einem Block zusammengefasst waren, betrug etwas weniger als zehn Prozent. Die Ältesten der Insassen waren um die 80 Jahre alt. Das jüngste Kind im Lager, von dem wir wissen, war ein jüdisches Mädchen, Ester Misul, geboren im Jänner 1944. Die internierten Menschen waren in der Mehrzahl italienische Staatsbürger*innen; auf einer unvollständigen Liste scheinen insgesamt 30 unterschiedliche Herkunftsländer auf.

Die Häftlinge waren auf verschiedene Blocks aufgeteilt, der Frauenblock war der heterogenste. Dort begegneten sich Frauen, die aus sehr unterschiedlichen Milieus und politischen Zugehörigkeiten kamen: sogenannte staffette, meist junge Frauen, die in der resistenza aktiv waren, Sippenhäftlinge aus Südtirol, deren Söhne und Brüder desertiert waren, Jüdinnen und Romafrauen mit Kindern, die aus rassistischen Gründen interniert waren.

Zwischen den Frauen im Lager, so unterschiedlich sie auch waren, gab es in der schwierigen Situation, in der sie sich befanden, immer wieder Formen der gegenseitigen Unterstützung und Solidarität. Ehemalige Häftlinge berichten davon, dass z.B. Neuankömmlinge besonders unter die Fittiche genommen, ergatterte Lebensmittel geteilt wurden und die Frauen sich gegenseitig aufmunterten. Die Hoffnung und den Überlebenswillen nicht zu verlieren, ist unter den Bedingungen des Lagers durchaus auch als Akt des Widerstandes zu sehen.
Innerhalb des Lagers gab es eine Widerstandsorganisation, die vor allem von zwei Frauen getragen wurde: Ada Buffulini und Laura Conti. Beide kamen als politische Häftlinge ins Lager und wurden als Medizinstudentinnen in der Krankenstation eingesetzt. Von dort aus knüpften sie Verbindungen zur Widerstandsorganisation außerhalb des Lagers. Auch in dieser waren Frauen führend beteiligt wie etwa Franca Turra, Maria Caretti und andere. Briefe wurden aus dem Lager heraus- und ins Lager hineingeschmuggelt, Pakete mit Lebensmitteln kamen so ins Lager und auch manche erfolgreiche Flucht wurde über dieses Netz organisiert.

Über die Geschehnisse im Lager Bozen wurde lange Jahre ein Mantel des Schweigens gelegt. Es ist vor allem auch ein Verdienst von Carla Giacomozzi, Historikerin und Archivarin in Bozen, dass das Lager Bozen, spät aber doch, zu einem Erinnerungsort für die Bevölkerung wurde. Ein Erinnerungsort, der noch viel häufiger besucht und öfter ins Gedächtnis gerufen werden sollte. Auch um den Anteil der Frauen am Widerstand gegen das NS-Regime zu sehen und zu würdigen.

Martha Verdorfer
Vorstandsmitglied im Frauenarchiv Bozen/Archivio delle donne Bolzano seit seiner Gründung 2005. Unterrichtet Geschichte und Philosophie an der Oberschule und arbeitet zur Südtiroler Zeitgeschichte und zur Geschlechtergeschichte.

Männerclub

Tradition trifft Zukunft – aber wo bleiben die Frauen?

// Kathinka Enderle //
Ein Zukunftslabor – aber nur für Jungs? Beim TüftleLab von InnoValley South Tyrol fehlen auf dem Bild die Mädchen © Facebook
Mädchen? Gemeint, aber nicht gezeigt
„Schon Pläne für den Sommer?“ – so beginnt die Social-Media-Anzeige von InnoValley South Tyrol. Klingt spannend: ein TüftleLab voller Einblicke, Expert*innen und Möglichkeiten. Klingt nach Zukunft. Klingt nach Fortschritt. Doch ein Blick aufs Bild – und plötzlich fühlt sich diese Zukunft ziemlich einseitig an. Junge Gesichter strahlen entgegen: motiviert, neugierig – aber Mädchen? Fehlanzeige. Niemand behauptet, sie seien nicht willkommen. Das Gendersternchen im Text versichert immerhin, dass sie „gemeint“ sind – und das ist schon mal ein guter Ansatz, denn grundsätzlich finden sich auch auf der Facebookseite von InnoValley South Tyrol auch immer wieder taffe Frauen. Aber wären sie nicht noch etwas „gemeinter“, wenn sie in dieser Anzeige auch sichtbar wären? „Mehr Mädchen in die Technik“ passiert nicht von allein. Es braucht Vorbilder, gezielte Ansprache – und nicht zuletzt auch Bilder, in denen sich Mädchen wiederfinden. Und das haben „die Macher“ dieser Kampagne leider versäumt. Wie soll eine Zehnjährige auf die Idee kommen, dass sie eingeladen ist, wenn die Bildsprache keine Mädchen zeigt? Vielleicht ist es – grundsätzlich gesprochen – an der Zeit, nicht nur an unseren Worten zu arbeiten und das Gendersternchen zu setzen, sondern auch an der Sprache der Bilder. Sonst bleibt Fortschritt ein Männerclub.



Wo bleiben die Musikerinnen? „Unser Land, unser Sound“ will eigentlich die Musikszene Südtirols widerspiegeln © Facebook
„Unser Sound“ – aber wessen eigentlich?
Musik verbindet, Musik bringt Menschen zusammen – zumindest in der Theorie. In der Praxis scheint das bei „Unser Land, unser Sound“ auf Rai Südtirol aber anders. Zumindest in der Bewerbung des besonderen Radiotags auf RAI Südtirol. Denn geht es nach der Social-Media-Card zum Hörerlebnis, dann verbindet Musik vor allem eins: Männer.
Musiker? Männlich. Band? Männlich. Gäste? Auch männlich. Frauen kommen im „unser“ offenbar nicht vor. Dabei heißt es, man wolle die „vielfältige Musikszene“ widerspiegeln. Klingt gut – doch von dieser Vielfalt fehlt auf dieser Ankündigung jede Spur. Statt eines repräsentativen Querschnitts gibt es das altbekannte Bild: Musik scheint Männersache zu sein.

Es ist ja nicht so, dass talentierte Musikerinnen in Südtirol fehlen. Und deren Musik wurde sicher an diesem Thementag auch gespielt. Schade daher, dass die Bewerbung auf die altbewährte Männer-Runde setzt. Und der altmodische Eindruck erweckt wird, die Bühne gehöre nur den Männern. Denn das spiegelt dann glücklicherweise angesichts der vielen talentierten Musikerinnen und Künstlerinnen doch nicht die Realität wieder. Deshalb: No women no panel!