Herstory

Achtsamkeit vs. „nur Schichtwechsel“

// Lisa Settari | Frauenarchiv //
„Der Grundsatz […] acht Stunden Arbeit – acht Stunden Ruhe und Erholung – acht Stunden Schlaf – für die Arbeiterin gilt er nicht. Gibt es für sie überhaupt den Begriff der Freizeit? Einige Stunden der Woche muss doch der Körper, müssen die Nerven nach Ruhe, Erholung, Abwechslung verlangen.“ So bewertete Käthe Leichter die Notwendigkeit der Entspannung, Entfaltung, oder: Achtsamkeit, und die Möglichkeit dazu, im Alltag der Wiener Arbeiterinnen der Zwischenkriegszeit.
Die Lebens- und Arbeitsbedingungen berufstätiger Frauen waren der Inhalt detaillierter Studien von Käthe Leichter, der ersten Leiterin des Frauenreferates der Wiener Arbeiterkammer, das in diesem Jahr sein 100-jähriges Bestehen feiert. © europeana.eu/ Historisches Museum Göteborg, Schweden - Public Domain(Partille/Schweden, 1911. Innenaufnahme mit Arbeiter*innen der "Jonsereds fabriker"
Das Zitat stammt aus ihrer 1932 veröffentlichten Studie „So leben wir… 1320 Industriearbeiterinnen berichten über ihr Leben“, die Leichters Position als eine Pionierin der feministischen Sozialwissenschaften festigte. Aber gehen wir der Reihe nach.
Obwohl Käthe Leichter – amtlich und ledig: Marianne Katharina Pick – am 20. August 1895 in eine gut situierte Wiener Industriellenfamilie geboren wurde, entschied sie sich schon als junge Frau gegen ein großbürgerliches Leben. Ab 1914 gehörte sie zu den ersten Studentinnen der Staats- und Wirtschaftswissenschaften in Österreich-Ungarn. Neben ihrem Studium betreute sie ehrenamtlich Kinder aus armen Familien im Krimviertel in Wien Döbling, wodurch sie sich ein Bild von Elend und Ausbeutung der Wiener Arbeiter*innen machen konnte. Leichter – damals noch Pick – schloss ihr Studium im deutschen Heidelberg ab, weil sie als Frau in der Habsburgermonarchie zwar studieren, nicht aber die Früchte ihrer wissenschaftlichen Arbeit in Form eines akademischen Grades ernten konnte.
Vor genau hundert Jahren wurde sie die erste Frauenreferentin der Wiener Arbeiterkammer. Da war sie bereits mit dem Juristen und Journalisten Otto Leichter verheiratet und junge Mutter. Als Frauenreferentin setzte sich Leichter mit den spezifischen Problemen der Wiener Arbeiterinnen auseinander, die mit den für Frauen besonders prekären und ausbeuterischen Praktiken der Zeit zu tun hatten, mit den unterschiedlichen Wirtschaftskrisen und der Mehrfachbelastung von Arbeiterinnen durch Erwerbs-, Haus- und Pflegearbeit. Leichter und ihre Mitstreiter*innen waren überzeugt davon, dass die Emanzipation und Gleichberechtigung der Arbeiterinnen gezielt verfolgt und verteidigt werden müsste, und nicht als bloßes Nebenprodukt einer Revolution des (männlichen) Proletariats verstanden werden sollte.
Um die Situation der Wiener Arbeiterinnen tiefgreifend und nachhaltig verbessern zu können, brauchte es eigens dafür gesammelte Daten. Diese Verbindung von theoretischem Wissen und Methoden einerseits und politischem Aktivismus andererseits findet sich in verschiedenen Projekten Leichters wieder und sollte für spätere Generationen von Forscher*innen wegweisend sein. Genauso wie die Tatsache, dass Leichter nicht allein von außen über eine Gruppe von anonymen Studienobjekten schrieb, sondern Kolleginnen in ihre Studien einbezog, die die Arbeiterinnen beim Ausfüllen der Fragebögen unterstützten und zusätzliche Informationen und Erfahrungen der Arbeiterinnen notierten. Diese feministische und sozialistische Forschung war, so die Historikerin Veronika Duma, zu jener Zeit einzigartig in Europa. Zu finden sind diese Forschungsansätze auch in der bereits genannten Studie über die Arbeits- und Lebenswelt 1320 Wiener Arbeiterinnen. Wer die Studie liest, fühlt sich eben nicht gerade in eine andere Zeit versetzt. Etwa, wenn es heißt: „Müdigkeit ist der Zustand, der die von früh bis spät mit Arbeit überlastete Arbeiterin beherrscht“, zurückzuführen auf die Mehrfachbelastung der Arbeiterinnen durch die Kombination aus (prekärer und schlecht entlohnter) Erwerbsarbeit und (nicht bezahlter und wenig geschätzter) Haus- und Pflegearbeit. „Für die Frauen ist zu Hause nur Schichtwechsel“, so formulierte es eine befragte Arbeiterin.
Leichter hielt fest, dass ledige und verheiratete Arbeiterinnen nur beschränkt die Möglichkeit hatten, ihren Interessen nachzugehen, Sport zu treiben, kulturelle Veranstaltungen zu besuchen, sich fortzubilden, sich zu entfalten – oder auch: achtsam zu sein. In ihrer Studie präsentierte Leichter freilich auch Vorschläge zur Verbesserung der Situation dieser Arbeiterinnen – allerdings konnte die Wissenschaftlerin, Funktionärin und Aktivistin deren Umsetzung nicht mehr betreuen. Aufgrund ihrer antifaschistischen Arbeit und jüdischen Herkunft musste Leichter nach dem Bürgerkrieg und dem Sieg des Austrofaschismus in den Untergrund gehen, leistete von dort aus Widerstand. Ende Mai 1938, bald nach dem „Anschluss“ Österreichs an Nazideutschland, wurde Leichter in das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück deportiert, bevor sie im März 1942 in der „Heil- und Pflegeanstalt“ Bernburg ermordet wurde. Es sollten gut sieben Jahrzehnte vergehen, bis sie ihren während der Diktatur aberkannten Doktortitel von der Universität Heidelberg zurückerhielt.
Leichters Kritik an den damaligen Lebens- und Arbeitsumständen der Wiener Arbeiterinnen können wir heute nachvollziehen – Achtsamkeit kann viel mehr sein als ein Marketingbegriff oder Pinterest-Stichwort. Wir könnten Achtsamkeit als Selbstfürsorge denken, die es uns erst ermöglicht, uns in einer Gesellschaft solidarisch zu entfalten, ungerechte und gewaltvolle Strukturen zu hinterfragen und aufzubrechen. Wie damals braucht es dafür eine tiefgründige Fehleranalyse. Studien könnten beispielsweise nicht nur erheben, wer für welche Arbeit wie viel verdient, wer wo wie viel Rente bekommt, und wer wen wie lange pflegt – sondern ganzheitlicher, wie Menschen ihre Zeit verbringen, und insbesondere was in ihrem Leben auf der Strecke bleibt. Leichters Lösungsansätze, die neben der Gleichstellung und Aufwertung von Frauenarbeit auch die Entlastung von Haus- und Pflegearbeit durch öffentliche Maßnahmen, Investitionen und Infrastrukturprogramme vorsah, sind dabei, wie ihre Fragestellungen, sicher kein Schnee von gestern.

© Olivia Kieser
Lisa Settari ist seit Mai 2024 Vorstandsmitglied im Frauenarchiv Bozen/Archivio storico delle donne di Bolzano. Studium der Politikwissenschaften und der Europäischen Frauen- und Gendergeschichte. Derzeit lehrt sie am Germanistikinstitut der Universität Paris Nanterre.

Speak

Prendiamoci cura della nostra mente

// Lorena Palanga //
Intervista alla psicologa e psicoterapeuta Francesca Zucali
Ogni organo ha diritto ad essere curato, anche il cervello”. Non usa giri di parole Francesca Zucali, psicologa e psicoterapeuta, 50 anni, per sei anni consigliera e vicepresidente dell’Ordine degli psicologi altoatesini e oggi Presidente del Comitato Croce Rossa di Bolzano. Nella sua esperienza professionale decennale ha avuto sempre una missione: promuovere la consapevolezza che il benessere mentale è importante tanto quanto quello fisico. Chi raggiunge di più questa consapevolezza? Le donne. “Il motivo – spiega la psicologa – è molto semplice: tra carichi familiari, impegni lavorativi e fattori ormonali sono quelle che più spesso si trovano in una situazione di sovraccarico mentale e che, ad un certo punto decidono di dire stop”. Il nostro territorio provinciale è tra quelli a livello nazionale più attenti alla salute mentale. “I servizi psicologici territoriali – racconta Francesca Zucali – sono unici nel loro genere in Italia. L’Azienda Sanitaria offre consulenze psicoterapeutiche a tariffe agevolate. Insomma per chi ha bisogno di aiuto le offerte ci sono, e molte”. E allora cosa manca? “Spesso il coraggio di chiedere aiuto. Si sottovaluta la salute psicologica. Non si capisce che non si sta bene se non si ha anche la salute mentale. Per fare un esempio: tutti noi conosciamo cosa sia un defibrillatore o sappiamo elencare i sintomi che precedono un infarto. Pochi invece conoscono la differenza tra un disturbo e una malattia. E poi c’è un fattore culturale – prosegue Zucali -. Abbiamo fatto molti passi in avanti negli ultimi anni. Si parla di più di benessere mentale, qualcuno azzarda perfino qualche recensione. In generale però abbiamo ancora troppa vergogna di occuparci della nostra testa. Prendersene cura, invece, vuol dire volersi bene”. E la psicoterapeuta della Bassa Atesina un’idea per rompere il tabù ce l’avrebbe. Nella cassetta della posta, le cittadine e i cittadini dovrebbero trovare, questa la sua proposta, insieme agli inviti per fare i check up di prevenzione, anche quello per una consulenza psicologica. “Solo con iniziative di questo tipo potremo incentivare quel cambio culturale che altri Paesi europei hanno già effettuato. Altro punto sul quale insisto sempre – continua la psicologa – è quello dell’utilizzo del Pronto Soccorso. Tutti noi tendiamo a rivolgerci alla struttura solo se abbiamo un problema dagli occhi in giù, ma non ci andiamo nel caso in cui non ci sentiamo bene mentalmente. È uno sbaglio. Dobbiamo diffondere la cultura del pronto soccorso psicologico. Basta rivolgersi al triage, come per qualsiasi altro problema fisico e si viene presi in carico dal servizio psicologico per un primo colloquio. Come Ordine – prosegue Francesca Zucali – proponiamo da tempo l’istituzione della figura dello psicologo di base. In attesa che questo progetto possa diventare realtà, il mio consiglio è sempre quello di rivolgersi per prima cosa al proprio medico di base che, dopo aver analizzato la situazione, potrà indirizzare il paziente verso il servizio più adatto”. Quali sono i segnali da non sottovalutare e che possono farci capire che abbiamo bisogno di un supporto? “Se anche dopo essersi confidati con una persona cara la situazione non migliora, se la nostra condizione mentale inizia a influenzare la vita di tutti i giorni, l’umore, il sonno, è meglio rivolgersi ad un professionista”. E Francesca Zucali rimarca questo concetto: scegliere professionisti regolarmente iscritti agli albi previsti dalla legge è la garanzia di poter seguire percorsi seri e di qualità. Tra i casi che la psicoterapeuta della Bassa Atesina segue quotidianamente ce ne sono molti che riguardano le donne con bambini piccoli, spesso post partum. “Anche in questo caso la sensibilità verso il tema, soprattutto da parte degli uomini, è cresciuta notevolmente negli ultimi anni – spiega -. A chi si rivolge a me tento di far comprendere che è importante in questi casi permettere alla donna di avere i propri spazi, in modo da non farla sentire come la responsabile unica del carico familiare. Parto sempre da un concetto: c’è sempre una soluzione a tutto. E agli uomini dico: non trascurate i segnali che arrivano dalle vostre compagne, perché quel malessere può arrivare ad intossicare l’intera famiglia”. Altro tema fondamentale è quello di iniziare a parlare di benessere mentale già dalla scuola primaria. “Dobbiamo lavorare sulle emozioni e dobbiamo iniziare a farlo fin da piccoli. Dobbiamo – continua la psicoterapeuta – investire sulla crescita emozionale della società e insegnare agli adulti di domani la tolleranza alla frustrazione”. Insomma così come alleniamo ogni settimana il nostro corpo, anche l’allenamento della nostra mente dovrebbe trovare uno spazio fisso nell’arco della nostra giornata. Qualche consiglio? “Suggerisco di solito alcune alternative. Per chi preferisce lavorare sulla mindfulness, consiglio di ritagliarsi una decina di minuti in un luogo tranquillo e di concentrarsi su quel momento, ascoltando quello che si vede e sente in quel preciso istante. Questo permette di abbandonarsi alle emozioni, senza giudizi. Altro esercizio molto importante è quello della respirazione consapevole. Lavorare su questo aspetto, permette di controllare l’ansia in determinati momenti. Altra possibilità è quella del diario. Scrivere aiuta a codificare schemi emotivi che poi diventano più riconoscibili e quindi maggiormente gestibili”. Alcune volte dietro uno sguardo apparentemente sano si stanno combattendo battaglie interiori. Tutti noi dobbiamo essere consapevoli che chiedere aiuto non è sbagliato, ma la scelta migliore che si possa fare.