Literarische Frauenstimmen
Aus Worten wächst eine Stimme
// Kathinka Enderle //
In Sarah Meraners Sprache wird das Persönliche politisch und das Politische poetisch. Als Journalistin, Literarin und Künstlerin vereint sie Ausdrucksformen, die Haltung zeigen und sichtbar machen: eine Einladung, laut zu werden und zu bleiben.

Sarah Meraner © Silbersalz
Die literarische Welt von Sarah Meraner
Wo Worte Wurzeln schlagen
Schon als Kind fand Sarah Meraner ihre Sprache in Geschichten und Gedichten. Schreiben war für sie nie ein bloßes Hobby, sondern eine Form, das Leben zu durchdringen. Ein entscheidender Moment kam, als sie vor neun Jahren ihren Kurzgeschichtenblog veröffentlichte. Die Rückmeldungen waren überwältigend und zum ersten Mal stand die Möglichkeit im Raum, Schreiben auch beruflich zu verfolgen. Seitdem wächst ihr Schreiben mit, verändert sich und öffnet neue Wege. „Ich habe in meinem Leben schon sehr viele Veränderungen erlebt und gelernt, verschiedene Perspektiven einzunehmen. Ich könnte nie von mir behaupten „Ich bin so und nicht anders“. Ich habe viele verschiedene Seiten an mir und verändere mich auch immer wieder – das ist auf der einen Seite vielleicht für andere Menschen oft schwierig, aber für mein Schreiben ist das natürlich wie Dünger, weil es mit mir mitwächst und reifer wird. Vieles, das ich vor ein paar Jahren geschrieben habe, würde ich heute nicht mehr so schreiben oder zumindest würde ich es vielleicht anders aufarbeiten. Bestimmte Themen von mehreren Seiten zu beleuchten und sie auch unterschiedlich aufzuarbeiten – sei es journalistisch wie auch literarisch oder künstlerisch – ist das, was ich an mir selbst als ‚vielfältig‘ bezeichnen würde. Und was ich immer schon gemacht habe: meiner Intuition zu folgen – sie hat mich bisher immer auf den für mich richtigen Weg gebracht.“
Ein Herzblut, das Brücken baut
Heute pendelt Sarah zwischen Journalismus, Kunst und ihrer eigenen Literatur. „Der kreative Ausdruck war schon immer Teil meiner Persönlichkeit und ist nach wie vor meine Art, mit der Welt und Erlebtem umzugehen.“ Während der Journalismus ihr die Möglichkeit gibt, Debatten anzustoßen, schenkt ihr die Literatur einen Raum für innere Bewegungen und poetischen Ausdruck. Lesungen in Bruneck, Eppan oder Meran haben ihr gezeigt, wie stark Literatur Brücken schlagen kann: „Da waren wirklich sehr viele schöne und berührende Momente dabei. Und wenn ich mit meiner Arbeit als Redakteurin etwas bewirken kann, dann ist das für mich schon sehr erfüllend. Dann weiß ich, dass ich mein Herzblut nicht verschwendet habe.“
Keine Kunst ohne Haltung
Als Literarin ist Sprache für Sarah nie neutral. Sie will Strukturen sichtbar machen, verletzende Muster aufbrechen, Bewusstsein schaffen. „Gerade in letzter Zeit ist das Thema Sprache sehr präsent in meinem Umfeld und die Frage: Was darf man heutzutage noch sagen? Muss man alles auf die Waagschale legen? Ich bin der Meinung: Ja, angesichts der heutigen gesellschaftspolitischen Situation muss man das. Sprache ist das Abbild unserer Gesellschaft und ich glaube, dass wir von uns selbst im Jahre 2025 schon verlangen können, in einem Wort eine Gender-Pause einzulegen oder zumindest eine neutrale Bezeichnung zu wählen. Oder dass wir Wörter vermeiden, die eine andere Person oder Personengruppe ausschließen oder verletzen. Aber: Wir sind alle auf dem Weg und sicher nicht frei von Fehler, da schließe ich mich selbst nicht aus. Trotzdem geht es um ein Bemühen und Reflektieren.“ Für sie bedeutet Schreiben auch, Alltagssexismus oder Ungerechtigkeiten nicht hinzunehmen, sondern Tabus zu brechen. Dieses kritische Hinterfragen möchte sie nicht nur für sich selbst, sondern auch für kommende Generationen: „Ich hinterfrage sehr viel – Strukturen, Gewohnheiten, gesellschaftliche Normen – und genau das möchte ich auch bei anderen auslösen: ein kritisches Nachdenken über das, was oft als ‚normal‘ gilt oder gar Teil unserer Kultur ist: Dinge wie Alltagssexismus oder andere Formen von Ungerechtigkeit werden häufig einfach hingenommen, weil das ‚halt so ist‘. Aber genau das darf kein Grund sein, sie zu akzeptieren. Ich möchte, dass meine Kinder diesbezüglich mit einem ganz anderen Bewusstsein aufwachsen, als ich es damals bin. Nur durch dieses Kritisch-Sein und Hinterfragen können Tabus gebrochen und mehr Gleichberechtigung geschaffen werden. Auch wenn es anstrengend ist. Und ja, das ist es.“ Ihr Schreiben ist damit längst auch gesellschaftlich und politisch geworden. „Mittlerweile bin ich der Meinung, dass es sich die Kunst nicht mehr leisten kann, unpolitisch zu sein. Jede Stimme, die laut wird, ist wichtig – auch wenn sie nur vom Papier runterschreit.”
Eine Stimme, die bleibt
Dass weibliche Stimmen in der Literatur an Sichtbarkeit gewinnen, nicht zuletzt durch die Unterstützung von Frauen untereinander, erlebt Sarah als ermutigend. Gleichzeitig stößt sie auf Barrieren, wenn Männer weiblichen Erfolg kleinreden. Die Debatte um den Deutschen Buchpreis 2024, als Clemens Meyer den Sieg von Martina Hefter öffentlich anzweifelte, ist für sie bezeichnend. „Solch eine Missgunst auf weiblichen Erfolg finde ich sehr schwierig, finden wir aber natürlich auch außerhalb des Literaturbetriebs.“ Doch sie bleibt zuversichtlich. Ihr Schreiben versteht sie als Stimme, die sich behauptet, als Haltung, die sichtbar macht. Und wenn sie jungen Frauen, die jetzt beginnen zu schreiben, nur einen Satz mitgeben könnte, dann ist es dieser: „Das Schreiben ist ein wundervolles Sprachrohr und Ventil – wenn du also was zu sagen hast, dann schrei(b) es laut und deutlich.”
Ein Herzblut, das Brücken baut
Keine Kunst ohne Haltung
Eine Stimme, die bleibt


