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Frauen schreiben Geschichte

// Sabina Drescher //
Forschungen zum historischen Wirken von Frauen sind noch immer Mangelware, ebenso wie die Betrachtung der Allgemeinen Geschichte aus einem geschlechtsspezifischen Blickwinkel. Historikerin Siglinde Clementi möchte das ändern. Sie rückt Frauen in den Fokus der wissenschaftlichen Betrachtung.
Siglinde Clementi, Jahrgang 1967, ist Historikerin. Sie war langjährige Koordinatorin der Arbeitsgruppe Geschichte und Region – Storia e regione. Seit 2013 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin des Kompetenzzentrums für Regionalgeschichte der Freien Universität Bozen, seit 2019 ist sie Vizedirektorin des Zentrums. Clementi ist zudem Vorstandsmitglied der Società Italiana delle Storiche. © Sabina Drescher / ëres
ëres: Bis Ende der 1960er Jahre blendete die Geschichtswissenschaft die historische Lebenswelt von Frauen aus ihrem Themenrepertoire weitgehend aus. Wieso?
Siglinde Clementi: Dieser Umstand hängt mit dem damaligen Konzept von Geschichte zusammen, mit der Geschichte der großen Männer, der Kriege und politischen Ereignisse. Frauen kommen in dieser Erzählung kaum vor. In den 1970er-Jahren entwickelten sich parallel zueinander neue Forschungsfelder, die Alltagsgeschichte, die Geschichte von unten, die Mikrogeschichte und eben die Frauen- und Geschlechtergeschichte, die sich im Kontext der Zweiten Frauenbewegung entfaltete. Die erste Frage, die sich die Historikerinnen damals stellten, war: Wo sind die Frauen in der Geschichte? Und weiter: Was haben sie getan? Wo waren sie, während Männer politisch tätig waren oder Kriege führten? Dadurch kamen zunächst gesellschaftliche Bereiche ins Blickfeld wie das Soziale und die familiären Beziehungen, und nach und nach alle anderen Bereiche – etwa die Wirtschaft und die Politik. Letztlich geht es in der Geschlechtergeschichte um die Analyse von Machtverhältnissen in allen gesellschaftlichen Bereichen.
Wie hat sich die Frauengeschichte als Teilbereich der Geschichtswissenschaften in der Folge entwickelt?
Der wichtigste Übergang war jener von der Frauen- zur Geschlechtergeschichte. Zu Beginn wurde ein starker Fokus auf einzelne Frauen gelegt, auf die Frage: Wo haben welche Frauen gewirkt? Erst in einem zweiten Schritt wurde die Kategorie „Geschlecht“ ins Zentrum gesetzt und der Tatsache Rechnung getragen, dass es einen erheblichen Unterschied in der Geschichte machte, ob man als Mann oder als Frau geboren wurde. Zentral sind die Diskurse der jeweiligen Zeit, die Konstruktionen von Männlichkeit und Weiblichkeit, die damit zusammenhängenden Rollenbilder und wie diese in der sozialen Lebenswelt umgesetzt wurden. Ein weiterer Fokus liegt auf den Handlungsmöglichkeiten der historischen Akteurinnen und Akteure.
Welchen Mehrwert brachte bzw. bringt dieser geschlechterspezifische Blick auf die Geschichte?
Für Frauen – aber auch für Männer – ist er wichtig, weil es um ihre eigene, auch persönliche Geschichte geht. Es ist schade, dass Geschichte lange Zeit so praktiziert wurde, als hätte sie nichts mit uns zu tun, sondern sei etwas Elitäres, zu dem kaum jemand Bezug hat. Der afroamerikanische Dichter James Baldwin formulierte es treffend: „Die große Kraft der Geschichte rührt von der Tatsache, dass wir sie in uns tragen“. Da uns Geschichte – ob unsere eigene individuelle, unsere Familiengeschichte oder die Geschichte unseres Landes – prägt, ist es wichtig, sie in ihren Grundzügen zu verstehen. Und für Frauen ist die Geschichte nun einmal anders. Letztlich geht es um Freiheit.
Weshalb ist die Frauen- und Geschlechtergeschichte in der Regionalgeschichte noch immer stark marginalisiert?
Frauen kommen zwar vor, aber häufig anekdotenhaft, als Protagonistinnen von Geschichten oder Erzählungen, so wie Anna von Menz („1811 die reichste Erbin Bozens, Anm. d. Red.“), die als „Franzosenbraut“ bekannt war. Ein weiteres Beispiel ist Katharina Lanz („Magd und Tiroler Freiheitskämpferin, Anm. d. Red.“), von der wir nicht wissen, ob sie tatsächlich existierte. Sie ist eher eine mythische Gestalt bzw. Konstruktion. Dieser Umgang ist verniedlichend, nicht ernst nehmend. Die wirklichen Frauen kommen in der Regionalgeschichte hingegen kaum vor. Es gibt viel zu tun. Bei jedem Thema ist die Frage zu stellen, wo die Frauen waren und wie die Geschlechterverhältnisse aussahen. Das ist hochkomplex.
Haben Sie sich mit der Rolle der Frauen während der Bombenjahre in Südtirol beschäftigt? Der Kampf um die Südtiroler Autonomie wird ja hauptsächlich aus männlicher Perspektive erzählt.
Ich persönlich habe das nicht. Es gibt ein Buch von Astrid Kofler, „Zersprengtes Leben“, über die Ehefrauen der Attentäter. Ein weiteres Buch hat Herlinde Molling herausgebracht, die sich zusammen mit ihrem Mann aktiv im Befreiungsausschuss Südtirol engagierte.
Prinzipiell bräuchte es einen breiteren Ansatz. Die Bombenjahre waren ein Teil der Autonomiegeschichte und der Nachkriegsgeschichte, die aus frauen- und geschlechterhistorischer Perspektive aufgearbeitet werden müssten. Einen Schritt in diese Richtung haben wir mit dem Buch über Waltraud Gebert Deeg gesetzt, in dem auch das Verhältnis von Frauen und Politik in Südtirol nach 1945 nachgezeichnet wird, unter anderem die verschiedenen Positionen, SVP-Frauen um Gebert Deeg versus linke Frauen wie Andreina Emeri, Grazia Barbiero, die in der Frauenbewegung der 1970er-Jahre aktiv waren. Zu Beginn, 1945/1946 als das Frauenwahlrecht in Italien eingeführt wurde, gab es eine starke Tendenz, Frauen aus dem „schmutzigen Geschäft“ der Politik fernhalten zu wollen. Auch Kanonikus Michael Gamper bescheinigte, es sei nicht seine Absicht, Frauen in das aufgeregte Feld der Politik hineinzuziehen. Während in Restitalien von Seiten der DC und der Linksparteien um die Stimmen der Frauen gebuhlt wurde, wurde in Südtirol von der deutschsprachigen Mehrheit aufgrund der ethnischen Frontstellung stillschweigend vorausgesetzt, dass Frauen SVP wählen.
Lassen sich daraus Schlüsse für die heutige Zeit ziehen?
Den Anspruch, aus der Geschichte zu lernen, mag ich überhaupt nicht, denn er wird der Komplexität des Feldes nicht gerecht. Man lernt meiner Meinung nach nicht aus der Geschichte, weil jede Epoche einzigartig ist und im Kontext analysiert werden muss. Man lernt, indem man das zur Kenntnis nimmt und versucht, die historischen Zusammenhänge zu verstehen. Deshalb ist es für mich gerade als Mikrohistorikerin, die an den kleinen Schicksalen die großen Fragen bespricht, wichtig, präzise zu kontextualisieren. Die Auseinandersetzung mit Geschichte schärft das Verständnis für die Lage, in der wir uns befinden. Auch jedes Land und jedes Problem hat seine Geschichte, die wir kennen müssen, um konstruktiv damit umgehen zu können.
Wie kann die Frauen- und Geschlechterforschung bekannter werden?
Über verstärkte Vermittlung und vor allem müsste sie stärker als bisher Eingang in die Schulbücher finden. Ich bin im Vorstand der „Società Italiana delle Storiche“, die auf nationaler Ebene ein ganzes Fortbildungsprogramm zur Frauen- und Geschlechtergeschichte für Lehrer*innen aller Schulstufen durchführt. Im Kompetenzzentrum für Regionalgeschichte der Freien Universität Bozen, wo ich den Forschungsbereiche Regionale Frauen- und Geschlechtergeschichte leite, haben wir gerade eine Vermittlungsinitiative gestartet, „History on Tour“. Auf Einladung von Bibliotheken und Bildungsausschüssen halten wir Vorträge im Rahmen unserer Forschungsbereiche. Ich biete dabei ein frauen- und geschlechterhistorisches
Thema an.

Ein weiteres Vermittlungsprojekt wurde von der Politik an uns herangetragen: Frauenbiografien und Straßennamen. Wir arbeiten ein Vademecum vor allem für die Gemeindepolitik aus, in dem wir Empfehlungen aussprechen, welche Frauennamen sich für Straßennamen anbieten und die entsprechenden Frauenbiografien erarbeiten.
LESETIPPS!
Die Landesmutter. Waltraud Gebert Deeg, Bozen 2021 (gemeinsam mit Renate Mulmeter und Karl Tragust).

Der andere Weg. Beiträge zur Frauengeschichte der Stadt Brixen vom Spätmittelalter bis ins 20. Jahrhundert, Brixen 2005.

Frauen-Stadt-Geschichte(n). Bolzano-Bozen. Vom Mittelalter bis heute, Bozen/Wien 2000 (gemeinsam mit Martha Verdorfer).

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Terapia di gruppo

// unadonna //
“Benvenute al gruppo “Donne nel passato, presente e futuro”! Presentatevi pure!”
“Ciao, sono la donna del passato!”
“Ciaooo, donna del passato!”
“Sono passata dall’ubbidire a mio padre all’ubbidire a mio marito, mi è negata ogni autonomia, non ho un reddito mio. Se ho una famiglia mi alzo all’alba, mi occupo dei figli e della casa, lavoro nei campi, lavo, cucio, cucino per tutti, vado a dormire per ultima dopo aver pulito tutto. Se non ce l’ho, sono considerata strana. O strega. Oppure, è perché sono stata mandata suora controvoglia”
“Mi dispiace, donna del passato. Sentiamo le altre”
“Ciao, sono la donna del presente!”
“Ciaooo, donna del Presente!”
“Esco la mattina presto, porto le mie figlie all’asilo, vado al lavoro, dove per 8 ore svolgo i compiti per cui ho preso una laurea senza però riuscire a fare carriera in quanto prima potenziale madre, e poi davvero madre. Poi corro a riprendere le bambine, le porto al parco, vado a casa, le lavo, preparo la cena, pulisco casa e aspetto mio marito che torna nel tardo pomeriggio dal suo brillante posto di lavoro - guadagnato per le competenze ma anche grazie alle riunioni alle 20 e agli aperitivi con i capi - il quale di solito si spoglia, butta la biancheria un po’ dove gli pare e dice “bambine non disturbatemi che sono stanco”. Ma non è detto, perché posso anche avere un compagno molto presente, che collabora in casa e svolge appieno il suo ruolo di padre: avete presente quelli che di solito vengono definiti “bravissimi” per fare le stesse cose che dalle donne ci si aspetta di default?”
Tutte: “Eccome!”
Donna del presente: “Se invece non ho figli, sono incompleta. Se non ho compagno né figli, sono guardata con sospetto: gli uomini si sentono in dovere di provarci, le donne mi ritengono pericolosa. Ho uno stipendio, ma guadagno meno di un uomo”
Tutte: “Non sia mai!”
Donna del passato: “Beh… fortunata!”
“Accidenti, donna del presente. Sei davvero carica di incombenze! A chi tocca, ora?”
“Ciao, sono la donna del futuro”
“Ciaooo, donna del futuro!”
“Ho una famiglia, un lavoro, tanto tempo per me. Ho un buon reddito e posso disporne come voglio. Se ho figli, ce ne occupiamo in due: accompagnamenti, colloqui scolastici, visite mediche. Se sono single, vivo serena e senza paura perché nessuno pretende che ricopra ruoli tradizionali. La sera, non ho timore a uscire da sola”.
Tutte: “Wooowwww! Ma allora ce la faremo! Tutte le lotte, le manifestazioni, le proteste, saranno servite a qualcosa! Ma dicci,
donna del futuro, come ci siamo riuscite?”
“Beh, io mica lo so!”
“….?”
“Scusate, non è il gruppo Utopia 2500?”