SPEAK
Porträt: Laura Volgger
Von Mauern und Menschen
// Bettina Conci //
Laura Volgger (Jahrgang 1994) ist in Südtirol aufgewachsen und lebt seit 2020 in Berlin, wo sie als Künstlerin arbeitet, schreibt, Fotografie studiert und Schüler*innen in Deutsch, politischer Bildung und Kunst unterrichtet. Der gebürtigen Innichnerin liegt die Arbeit für eine Gesellschaft ohne Diskriminierung sehr am Herzen, so sehr, dass sie auch ihre vielseitigen Tätigkeitsfelder daran ausrichtet. Im Jahr 2020 erhielt sie den Preis für wissenschaftliche Arbeiten vom Landesbeirat für Chancengleichheit, und 2022 nahm sie mit zwei Videoinstallationen zusammen mit 26 anderen Künstlerinnen an der „Frauenfeste“ teil, die noch bis 18. April in der Franzensfeste zu besichtigen ist.
Die Frauenfeste und das Projekt „Brickfuck“, 2022 © Laura Volgger
Warum bist du rastlos?
Weil es auf dem Weg der Gleichberechtigung leider noch sehr viel zu tun gibt und ich gewisse Änderungen lieber früher sehen würde als später. Je mehr Frauen Energie in den Wandlungsprozess stecken, desto schneller erreichen wir das Ziel. Zwischen wissenschaftlichen und künstlerischen Arbeiten betätige ich mich auch in der Bildung, wo ich mich stark mit dem Thema Feminismus befasse – in Installationen, Workshops und Artikeln. Im Kern steht die Sache, um die es mir geht, eine Botschaft. Und diese Botschaft versuche ich über unterschiedliche Kanäle hinauszubringen.
Und was ist diese Botschaft?
Bestimmte Gesellschaftsgruppen werden systematisch diskriminiert oder benachteiligt. Das findet in verschiedensten Bereichen statt und äußert sich in verbaler Abwertung bis hin zur Anwendung von Gewalt. Die Botschaft ist das Streben nach einer diskriminierungsbefreiten Gesellschaft als ideales Ziel.
Ein erreichbares Ziel?
(lacht) Nun, darüber kann man jetzt ausgiebig philosophieren…. Sagen wir mal so: Wir sollten nicht davor zurückschrecken, uns am Idealzustand zu orientieren, und nicht von vornherein zaghaft sein.
Du bist Autorin, Performancekünstlerin, Fotografin. Wie ist die Gewichtung für dich, welche Reihenfolge ist dir persönlich am liebsten?
Momentan bin ich viel schreibtechnisch und in visuellen Welten unterwegs und weniger performance-mäßig, wenn, dann im Videobereich. Vielleicht auch wegen der Corona-Pandemie. Ich studiere Fotografie und unterrichte Geschichte, politische Bildung und Kunst an einer Gesamtschule in Berlin. Wenn ich diese Tätigkeiten reihen müsste, käme ich ins Schleudern. Ich glaube eigentlich auch, dass sich all diese Bereiche sehr gut ergänzen. Man muss sich nicht entscheiden. Ich bin auch sehr dankbar dafür, dass ich mich in verschiedenen Bereichen ausdrücken und verwirklichen kann, immer in Abhängigkeit davon, was ich erreichen will. Wenn ich mehr öffentliche Denkanstöße geben will, sind künstlerische Aktionen oft hilfreich, weil sie für alle zugänglich sind und eine ganz andere Sichtbarkeit haben, wenn ich mich selbst weiterbilden und mich intensiv mit einem Thema auseinandersetzen will, muss ich schreiben. Dabei lerne ich immer ganz viel Neues dazu. Workshops und bildungspolitische Arbeit sind genauso wichtig, auch in der Freizeit. Demnächst starten wir, das Orga-Team Frauenmarsch-Donne in Marcia, mit der Stuhlinstallation „On Remembrance“, die anlässlich des Frauenmarsches entstanden ist, an den Südtiroler Schulen. Im Sommer geht es ins Pustertal zu einem Performance-Workshop über Geschlechterrollen. Eigentlich betreibe ich alles mit derselben Leidenschaft. Bestimmte Themen, zum Beispiel Gleichberechtigung und Abbau von Vorurteilen, stehen dabei immer im Vordergrund.
Du bist eine der rund 25 Künstlerinnen, die für die Ausstellung „Frauenfeste“, die am 5. März in der Franzensfeste eröffnet wurde, zwei Monate lang kreativ gearbeitet haben. Was stellst du aus und worum geht es in deinem Projekt?
Ich habe mich dort zwei Videoarbeiten zum Thema Mut bzw. Courage gewidmet. Der Grundgedanke dabei: Es ist einfacher, in einer Routine zu bleiben, wo sich nichts verändert. Einen Wandel herbeizuführen und sich auf unbekanntes Terrain zu begeben, kostet Mut und Überwindung. Dabei ging ich vom Bauwerk der Festung aus, die mit ihren Steinen, Ziegeln und Mauern ein historisch „männlicher“ Ort ist. Somit wird ihr mehr Aktivität und Handlungsstärke zugeschrieben, während das Prinzip Frau eher passiv ist. Da stellte sich mir die Frage, ob solche Rollenzuschreibungen noch stabil sind, und wie kaputt das Fundament einer Gesellschaft sein muss, die einen Teil der Bevölkerung bevorzugt und mehr Repräsentationsfläche bietet als dem anderen. Vom Fundament ausgehend, habe ich in einem der Videos einen Frauenkörper dargestellt, der sich an einer Mauer der Festung reibt, eine monotone, mechanische Bewegung, die darauf hinweisen soll, dass diese genannte Rollenzuschreibung geändert werden kann: Die Frau wird aktiv, die Mauer statisch. Die Rollen werden vertauscht. Das 2. Video bietet eine recht explosive Soundkulisse, eine Frau lädt quasi dazu ein, Ziegelsteine zu zerschlagen und damit dem kaputten Fundament zum Einsturz zu verhelfen. Dies soll auch als Einladung zum Mitmachen gesehen werden.
Du hattest über ein Volontariat in einem interkulturellen Innsbrucker Verein und später beim Schreiben deiner Diplomarbeit viel mit Frauen aus aller Welt, Frauen mit Migrationsgeschichte und dem Schaffen neuer soziokultureller Räume zu tun. Schlägt sich das auch in einem deiner künstlerischen Werke nieder?
Durch die Begleitung dieser Frauen beim Spracherwerb habe ich sehr viel über ihren Hintergrund erfahren, Geschichten über Kriege und Krisengebiete und Infos zu den Themen soziale Exklusion, Integration und das Potenzial von interkulturellen Räumen gehört. Und es ist jetzt noch nicht spruchreif, aber tatsächlich floss die eine oder andere Erfahrung in ein Romanprojekt ein, das gerade im Entstehen ist.Laura Volgger und ihre aktuelle Leidenschaft, die Fotografie. © Judith Klemenc