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Schlager und Sexismus

// Bettina Conci //
Die Tage werden kürzer und der misogyne Partyknaller „Layla“ rutscht kontinuierlich die Schlagercharts hinunter, bevor der nächste Mitgrölhit um die Ecke kommt (Weihnachten naht, vielleicht was mit Glocken). Um das Frauenbild in der Schlager- und Volksmusikwelt ist es nicht allzu gut bestellt, und das nicht erst, seit das deutsche Trash-Schlager-Sternchen Melanie Müller auf einem Konzert Ende September wiederholt den Hitlergruß zeigte.
Unser Musikgeschmack wird auch vom Text beeinflusst. Bei volkstümlicher Musik ist der oft kein Kaufargument. © Jamakassi/Unsplash
Meinte Andrea Berg im Bunte-„Starprofil“ noch recht antifeministisch „Als Frau über 40 muss man sich anstrengen, damit die Männer einem hinterher gucken“, bemühen sich andere Damen der Schlager- und Volksmusikszene, das dortige Frauenbild zu entstauben und um einige Facetten anzureichern. So besingt Helene Fischer in ihrem Song „Die erste deiner Art“ die vielzitierte Frauensolidarität, Michelle macht Frauen Mut, anders zu sein und dazu zu stehen, und Nicole trällert ihren ESC-Siegersong von vor vierzig Jahren, „Ein bisschen Frieden“, jetzt auch auf Russisch, um, wie sie sagt, „eine Botschaft an Herrn Putin zu senden.“ Aber ist das im Jahr 2022 auch genug?

Die Schlager-/Volksmusikecke ist eine ganz eigene Welt, mit eigenen Fans, Spielregeln und recht simpel anmutenden Erfolgsrezepten. Das Frauenbild in den Liedern ist je nach Interpret*in entweder bieder-romantisch-unschuldig (oder passiv-aggressiv, siehe unten) wie bei den Kastelruther Spatzen oder luderhaft-machomäßig-offenherzig bei diversen Partyschlagern und Mallorca-Hymnen. Auch werden Frauen sowohl in den Songtexten als auch ganz real – teilweise auch ganz bewusst – objektifiziert bzw. in ein Rollenklischee gedrängt, das eigentlich überholt ist.

Mädchen der Straße, was konnt‘ ich erwarten?
Die größte Enttäuschung des Lebens warst du!
Ich wollte Liebe kaufen, doch du gabst sie mir nicht,
du hast mich nur belogen mit lachendem Gesicht.
„Mädchen der Straße“, Kastelruther Spatzen (1989)
Ich ging in den Laden und schon stand sie da
Geile Figur, blondes Haar
Er hat 'nen Puff und seine Puffmama heißt Layla
Sie ist schöner, jünger, geiler…
„Layla“, DJ Robin x Schürze (2022)
Ganz unbemerkt bleibt Sexismus natürlich nicht: Das deutsche Volkslied „Einst ging ich am Ufer der Donau entlang“, auch Donaulied genannt, stammt aus dem Jahr 1894 und erzählt davon, wie ein Mädchen im Schlaf vergewaltigt wird. Lobend zu erwähnen ist hier Mickie Krause, der seine 2012 erschienene Partyversion des Liedes entschärfte und aus dem Verbrechen einvernehmlichen Geschlechtsverkehr machte. Trotzdem blieb die Originalversion eines der meistgesungenen „Wiesn-Hits“ auf traditionellen Bier- und Zeltfesten im süddeutschen Raum, was bis heute für hitzige Diskussionen sorgt.

Durch die mediale Aufmerksamkeit dürften sich mittlerweile wohl die meisten unwohl fühlen, das Donaulied in seiner originalen Textversion anzustimmen. Es bleiben jedoch genügend andere problematische Liedtexte wie zum Beispiel das ironische (?) „Außer mit die Depf“ der Tiroler Schlagersängerin Hannah, deren Video, in dem ungeschickt mit Töpfen und Nudeln hantiert wird, wahrlich keine Sternstunde des Feminismus darstellt, oder auch, und das soll nicht unerwähnt bleiben, zahlreiche Songtexte aus anderen Genres.
Totschlagargument Hip-hop
Alle Whataboutism-Fans, die jetzt aufschreien „Aber Rap- und Rockmusik…!“ sollten bedenken, dass Schlagerlieder, Volksmusik- und volkstümliche Popsongs oft einen anderen Kontext haben und auf Festen, am Ballermann, beim Aprés-Ski oder Karneval und anderen bierseligen Zusammenkünften gesungen werden, wo eine aufgeheizte Stimmung herrscht und sich daher andere Dynamiken entwickeln als beim Hören zuhause (wo man sich eher nicht die „Ballermann-Hits XVI“ reinzieht).
Wobei es auch am Ballermann nicht immer kontrovers zugeht, wie der neu aufgelegte, harmlos-romantische Flippers-Hit „Wir sagen Dankeschön“ in diesem Sommer zeigte. Und auch weibliche Popschlagerstars wie Helene Fischer, Vanessa Mai, Michelle oder Beatrice Egli reden mittlerweile ein feministisches Wörtchen bei ihren Lyrics mit, in denen es statt um Blumen und Berge immer häufiger um Selbstbestimmung, Selbstakzeptanz und Toleranz geht.

„Denn du bist der Held in deiner Welt
Und du bestimmst, durch welche Tür du jetzt gehst
Sag nicht sorry, das ist deine Story
Lass dir nicht erzählen, wie du dein eigenes
Leben lebst“
„Anders ist gut“ (2020), Michelle

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Wie war das damals, Belsy Demetz?

// Bettina Conci //
Die erfolgreichste „Grand Prix der Volksmusik“-Teilnehmerin aller Zeiten beendete ihre Karriere als volkstümliche Schlagersängerin 2014. Sie ist Mutter von zwei Buben und arbeitet im elterlichen Hotelbetrieb in Wolkenstein. Die Lust, Musik zu machen, ist immer noch da, wenngleich sie die Szene mittlerweile etwas abgeklärter betrachtet.
Belsy ist entwaffnend ehrlich: „Body Positivity in allen Ehren, aber ich würde gern wieder in meine alten Dirndln passen.“ © Belsy Demetz


Wie hast du als junge Frau die Welt der volkstümlichen Musik erlebt?
Ich war 17, als ich in die Volksmusik sozusagen „eingestiegen“ bin, und dort wird ja oft und gerne eine heile Welt dargestellt. Was aber hinter den Kulissen, also bei After Show Partys abging, war dann nicht mehr so heilig.
Was vermisst du – und was nicht?
Nicht vermisst habe ich die Aufdringlichkeit mancher Fans, und überhaupt die Tatsache, dass ich manchmal in meiner Komfortzone bedrängt wurde. Wobei ich sagen muss, dass mir die männlichen Kollegen oft leidtaten, weil die weiblichen Fans viel aufdringlicher waren. Als Sängerin passiert es höchst selten, dass man betatscht wird, aber bei den männlichen Kollegen kannten die Frauen oft keine Hemmungen.
Ich vermisse die Wertschätzung, die mir als Künstlerin entgegengebracht wurde. Heute bin ich Mutter und ein „normaler“ Mensch, und fast schon gekränkt, wenn man mich außerhalb meiner Heimat Gröden nicht mehr erkennt. In Kombination mit dem Rassismus, den ich aufgrund meiner Hautfarbe auch oft erlebe, und der Blicke, wenn die Leute mich erst auf den zweiten Blick erkennen, weil ich nach zwei Kindern natürlich nicht mehr die Figur von damals habe, ist das schon etwas verletzend. Body positivity klingt natürlich toll und alles, aber machen wir uns nichts vor: Wenn man sich auf die Bühne stellt, möchte man schon auch gut ausschauen.
Bist du der Meinung, die Songtexte in der Volksmusik bzw. in der Schlagerszene haben sich verändert
?
Ich finde ordinäre und beleidigende Songtexte von ernsthaften Künstlern – sowohl im Schlager als auch in der Volksmusik – nicht in Ordnung, hier sollten die Themen einfach andere sein. Bei Aprés-Ski-Liedern ist die Toleranz größer, auch bei mir. Da ist das Publikum ein anderes, und bestimmte Liedtexte sollten nicht allzu ernst genommen werden.
Wie denkst du darüber, wie die Frauen in der Schlager- und Volksmusikszene dargestellt werden bzw. sich inszenieren?
Ich finde manche Frauen einfach nur peinlich mit dieser aufdringlich-sexy Art. Eine Frau sollte sich in einem bestimmten Alter etwas stilvoller kleiden. „Sex sells“ ist ein Zug, auf den man nicht um jeden Preis aufsteigen sollte.