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„Ich betete zu Gott: bitte lass meine Gefühle für Frauen verschwinden“

// Kathinka Enderle //
Andrea verliebte sich in der Mittelschule zum ersten Mal. Und zwar nicht in einen Jungen wie die meisten Mädels in diesem Alter. Sie verliebte sich unglücklich in ihre beste Freundin Emma. Seit ihrem Outing blüht Andrea, 20, auf und steht mit Stolz zu sich. Von Stolpersteinen, welche Rolle Südtirol spielt und ihren Erfahrungen mit der Gesellschaft erzählt sie selbst.
© Raphael Renter / Unsplash
„Ich kann mich noch genau erinnern, als mir meine Gefühle für Emma zum ersten Mal klar wurden. An diesem Tag, an dem es mir so richtig einleuchtete und ich aufhörte, meine Emotionen abzustreiten, war ich mit Emma und einer anderen gemeinsamen Freundin Nora in Emmas Zimmer. Es kam zu einem Streit – wie jedes Mal, wenn Emma von Jungs-Problemen erzählte. Ihre Gefühle konnte ich nicht verstehen. Das führte öfters zu einem Chaos, nicht nur in mir, sondern auch in unserer Freundschaft. Ich saß auf dem Boden, mit dem Kopf zur Wand, ganz eng zwischen zwei Kästen, fast schon in die Ecke gedrängt. Als Emma während unseres Streites aus ihrem Zimmer ging, fragte mich schließlich Nora, ob ich mir sicher wäre, dass meine Gefühle für Emma rein freundschaftlicher Natur sind. Obwohl mir klar wurde, dass ich in sie verliebt war, unterdrückte ich meine Gefühle weiterhin und litt unter der Situation, da ich tief in der Freundeszone steckte und mir klar war, dass nicht mehr entstehen konnte.
In dieser Zeit habe ich oft unter Tränen zu Gott gebetet, damit meine Gefühle für Frauen verschwinden. Ich wollte immer eine ‚normale‘ Familie wie die meiner Eltern. Als ich merkte, dass das Beten nichts ändert, habe ich damit aufgehört und stattdessen damit begonnen, meine Homosexualität zu akzeptieren.“
Zukunftsangst: werde ich akzeptiert oder abgelehnt?
„Mit meinem Outing habe ich gewartet, bis ich schließlich in der Oberschulzeit meine erste Freundin mit heim nahm. Ich wollte sagen können: Das ist meine Freundin. Zuerst vertraute ich mich meiner Mutter an, da mir der Draht zu meinem Vater heilig war. Ihre Reaktion werde ich nie vergessen: „Hauptsache, du bist glücklich, es macht keinen Unterschied.“ Auch mein Vater hat zu meiner Erleichterung super reagiert. Anfangs nahmen mich meine Eltern bei größeren Familienkreisen in Schutz, sodass ich mein Outing langsam angehen konnte. Meine Großeltern erfuhren es als nächstes, anschließend meine Tante. Ab da verbreitete sich die Information von allein. Lustigerweise können Väter in der Familie oft leichter mit der Homosexualität ihrer Töchter umgehen, als es Mütter können. Das konnte ich mehrmals bemerken. Väter wissen, wie schön es ist, eine Frau zu lieben. Für Mamas ist das Ideal oft noch der Mann, der Wunsch nach ‚dem Einen‘.
Ich kann mich erinnern, dass es einst ein Gespräch zwischen meinen Eltern und Verwandten gab. Diese Verwandten sind die einzigen in meiner Familie, die konservativer eingestellt sind. Es war kein Wunder, als sie Sätze wie: ‚Ma, des mit dem Lesbisch sein…‘, aussprachen. Auch von ihrem Sohn, meinem gleichaltrigen Cousin, kamen verletzende Aussagen wie ‚Lieber bi als nie‘ und ‚Kurze Haare darfst du nicht tragen, denn das ist die Lesbenfrisur‘.
Meine Freunde hingegen reagierten ebenfalls sehr aufgeschlossen. Ich denke, das hängt damit zusammen, dass ich meinen Kreis unbewusst bereits auf die Menschen reduziert hatte, die offen sind. Trotzdem wünsche ich niemandem ein Outing. Es ist eine Situation, in der man seinen Liebsten etwas so Intimes sagen möchte, aber Angst haben muss, dass man nicht richtig angenommen wird, nur weil man zu sich selbst steht. Ich würde mir wünschen, dass Outings nicht mehr notwendig sein müssten. Da Heterosexualität in unserer Gesellschaft jedoch immer noch, verständlicherweise, die Norm ist, ist es nahezu unumgänglich.“
Jetzt darf ich, ich selbst sein
„Nach meinem Outing fühlte ich mich glücklicher. Ich litt vorher unter dem Druck, mich verstellen zu müssen. Jetzt kann ich mich ausleben. Mit der Zeit beginnt man damit, sich zu feiern. Deshalb mag ich auch Pride-Paraden. Mir kam es besonders am Anfang so vor, dass ich das ‚Sich-selbst-zeigen-und-feiern“ aufholen muss. Dass ich stolz sein kann, so zu sein, wie ich bin. Das Gefühl, eine Frau zu lieben, ist eigentlich wunderschön, wird aber oft schlecht geredet. Ich habe nicht nur einmal gehört, dass sich Homosexualität nun mal nicht gehört, weil man es nicht so oft sieht. Aber in den ersten Malen, in denen man es genießen darf, eine Frau zu lieben, wird die ganze Welt automatisch viel schöner.“
Südtirol, Italien & die katholische Kirche - Liebe und Unverständnis
„Leider sind Südtirol und auch Italien in Bezug zur Homosexualität etwas problematisch. Man kann als homosexuelle Person definitiv leben, allerdings haben Menschen mit einer konservativen oder christlichen Denkweise oft Probleme mit meiner Sexualität. Seit ich weiß, dass die Kirche gegen meine Sexualität ist, habe ich keine Verbindung mehr zu ihr. Das ist schade, weil ich immer sehr katholisch war. Ich habe fünf Jahre lang jeden Mittwoch die Fürbitten in der Kirche gelesen, war die Beste im Religionsunterricht und habe acht Jahre katholische Schule hinter mir. Ich mag es nicht, wenn man religiöse Werte mit sich transportiert und über Menschen, die ‚anders‘ sind, automatisch eine schlechte Meinung hat. Eigentlich ist der Konsens in der Gesellschaft, dass Homosexualität okay ist. Von besonders religiösen Menschen hörte ich aber auch schon das Gegenteil, nämlich dass es eine Sünde wäre. Die Gesetzeslage spiegelt diese Einstellung wider. Das Gesetz, dass diskriminierende Handlungen und Aufrufe zur Gewalt gegen LGBTQIA+ Menschen sowie Menschen mit Beeinträchtigung geahndet werden sollten, platzte 2020. Eigentlich sollte Homophobie dem Rassismus gleichgestellt werden. Bei Verstößen wäre es sogar zu Freiheitsstrafen gekommen. Die Durchsetzung scheiterte. Gesetzlich fühle ich mich nicht geschützt. Auch Themen wie Familiengründung, künstliche Befruchtung oder sogar Abtreibung leiden.
Selbst Transsexualität ist ein Thema, das für viele in Südtirol ein Rätsel ist. Es wäre schön, wenn auch die öffentlich-rechtlichen Medien diese Themen mehr beleuchten und erklären würden. Eine Quote für Homosexualität wäre interessant. Schön wäre auch eine stärkere Repräsentation. Dabei geht es mir nicht darum, dass Homosexualität unter die Nase gerieben werden soll. Neutralität würde ausreichen. Das fängt auch bei der Sprache an. Genderneutrale Sprache ist mir wichtig. Genauso wie Studentinnen nicht genannt werden, wenn man nur von Studenten spricht, wird auch das Familienbild mit zwei Mamas generell kaum genannt. Ich unterstütze das in der Hoffnung, selbst unterstützt zu werden. Dasselbe gilt für marginalisierte Gruppen, zum Beispiel Menschen mit Kopftuch oder mit Migrationshintergrund. Wir gehören alle zu denen, die ausgeschlossen werden und sollten zusammenhalten. Würden sich Minderheiten zusammenschließen, wären wir eine Mehrheit.
Wenn wir nur in der Akzeptanz stehen bleiben, sind wir noch nicht am Ende
„Deshalb ist Respekt für mich auch so wichtig, da zwischenmenschliche Beziehungen nicht nur bei Akzeptanz aufhören dürfen. Respekt ist für mich etwas Aufrichtiges, während Akzeptanz nur ein ‚Nebeneinander-Leben‘ ist. Akzeptanz darf nie das Ende sein, bis zum Schluss muss es immer in Respekt münden. Es kann zwar ein guter Anfang sein, um sich anzunähern, aber wenn wir in der Akzeptanz stehen bleiben, sind wir noch nicht am Ende.
Jetzt geht es mir mit meiner sexuellen Orientierung gut und ich stehe vollkommen zu und hinter mir. Trotzdem war das ein langer Weg, der sich nicht immer als einfach gestaltete. Für all jene, denen es ähnlich wie mir ergeht, würde ich mir wünschen, wenn Sie, liebe*r Leser*in, sich für mehr Durchmischung in unserer Gesellschaft einsetzen würden. Wir sollten unsere Hände öffnen und sie uns gegenseitig reichen. Homophobie ist keine Meinung und schließlich sind wir alles Menschen, die dasselbe verbindet: die Liebe.“

Danke Andrea für das spannende Interview!

Voci letterarie femminili

Ispirata a storie vere

// Linda Albanese //
Nata a Venezia, scrittrice e giornalista, Vichi De Marchi vive a Roma dove dirige il Comitato WE - Women empower the world, occupandosi di temi internazionali in un’ottica di genere. Più di vent’anni fa, quando il contributo della donna alla scienza era ancora un tema poco dibattuto, comincia a scrivere biografie di scienziate. Da allora Vichi De Marchi racconta le storie di donne che hanno fatto della scienza il loro mestiere in appassionanti libri per ragazzi.
Ragazze per l’ambiente © Editoriale Scienza / Ragazze con i numeri © Editoriale Scienza
Tra gli ultimi libri da lei dedicati a scienziate, c’è Ragazze per l’ambiente. Storie di scienziate e di ecologia, dieci storie di donne in prima linea per la salvaguardia ambientale. Dall’energia solare alla protezione degli animali, dalla robotica vegetale all’inquinamento di aria e acqua. Dieci scienziate che hanno svelato i meccanismi della natura, tutelandola e mostrando come tutto sia connesso. Una lettura che tocca temi di grande attualità su cui coinvolgere e sensibilizzare le nuove generazioni. Il libro scritto insieme a Roberta Fulci prosegue, dopo Ragazze con i numeri. Storie, passioni e sogni di 15 scienziate, la collana di Editoriale Scienza dedicata al contributo delle donne alla scienza.
In prima linea per l’ambiente
Ci sono Gitanjali Rao, che a soli 15 anni ha messo a punto un piccolo dispositivo per rilevare la contaminazione del piombo nelle acque, Maria Klenova, oceanografa e geologa marina, è stata la prima donna a condurre ricerche scientifiche nelle regioni antartiche. E ancora Mária Telkes, che ha dato un contributo decisivo alle ricerche sull'energia solare, tanto da meritarsi l'appellativo di “Regina del Sole”. Le altre scienziate raccontate nel libro sono Susan Solomon, Caitlin O’Connell, Eunice Newton Foote, Eva Crane, Anne Innis Dagg, Barbara Mazzolai e Rachel Carson.
Riflettori accesi sull’infanzia
Vichi De Marchi, inoltre, ha curato la dodicesima edizione de l’Atlante dell’infanzia a rischio di Save the Children. Il futuro è già qui, da cui è emerso come i giovani, nonostante abbiano interesse nella scienza, nella maggior parte dei casi non ricevano il supporto necessario per farne un indirizzo di studi. E qui il divario di genere è significativo già dalle intenzioni: il 41% delle ragazze esclude a priori un indirizzo scientifico, mentre solo il 26% dei ragazzi la pensa allo stesso modo. E sono solo 8 ragazze su 100 a puntare su una facoltà di ingegneria, rispetto a 30 ragazzi su 100.
Vichi De Marchi © Editoriale Scienza