Kolumne

Alles paletti

// Alexandra Kienzl //
Der Weg zur Gleichstellung von Mann und Frau ist noch ein weiter. Ja, auch bei uns.
© Claudio Schwarz - unsplash
Die sozialen Medien sind oft nervig, weil sich darin jede*r zu allem äußert. Manchmal sind sie aber auch lehrreich. Ich habe beispielsweise vor kurzem gelernt, dass die Gleichstellung von Mann und Frau in Südtirol prima klappt. Nach dem Femizid in Schlanders, bei dem der Täter bekanntlich Migrationshintergrund hat, wurden Männer und auch Frauen auf Facebook nicht müde zu betonen, dass „solche Typen“ kapieren müssten, dass „bei uns“ Frauen respektiert würden. Oha, dachte ich, wie erfreulich. Da muss sich schlagartig einiges geändert haben, seit ich das letzte Mal Augen und Ohren aufgesperrt habe. Denn die Lebensrealitäten der meisten Frauen könnten eine ordentliche Portion Respekt gut gebrauchen.
Wenn Frauen „bei uns“ respektiert werden, so wie Männer respektiert werden, warum werden sie nach wie vor schlechter bezahlt, warum gibt es einen Gender Pay Gap von 17 Prozent? Warum haben Frauen dann ein ungleich höheres Risiko in der Altersarmut zu landen? Wenn Frauen respektiert werden, wieso wird ihre Arbeit im Haushalt, in der Kindererziehung, in der Pflege von Angehörigen als selbstverständlich angesehen und wenig bis gar nicht entlohnt? Wieso wird angenommen, Frauen könnten das alles ganz problemlos noch neben ihrem eigentlichen Job schultern? Oder gingen selbstverständlich in Teilzeit oder verzichteten sogar auf eigene Erwerbstätigkeit und machten sich damit finanziell abhängig von ihrem Partner? Zeugt es von Respekt, wenn Frauen von ihrem Partner knapp bei Kasse gehalten werden, obwohl sie den Laden schmeißen? Wenn das Haushaltsgeld kaum ausreicht, oder gönnerhaft ein Taschengeld gewährt wird, als wäre die Frau ein Kind, obwohl sie einen 24-Stunden-Job macht? Wenn sie ihm abends das Bier und die Patschen bereitstellen muss, wie eine Sklavin?
Ist es respektvoll, wenn Frauen sich immer noch blöde Sprüche anhören müssen, in Bezug auf ihr Aussehen, auf ihr Alter, auf ihre vermeintlich geschlechtstypischen Eigenschaften? Wenn sie sexistisch angemacht werden, wenn sie begrapscht werden, wenn sie beim Ausgehen auf ihr Glas aufpassen müssen, weil K.O.-Tropfen drin landen könnten? Wenn sie, nachts allein auf dem Nachhauseweg, in der Jackentasche ihre Schlüssel umklammern, um einem plötzlichen Angreifer zumindest ein bisschen Gegenwehr leisten zu können? Ist es respektvoll, wenn sich Frauen mit solchen Szenarien abfinden müssen, immer darauf gefasst sein müssen, dass ihnen etwas passieren könnte?
Ist es ein Zeichen von Respekt, davon, dass man die Frau als dem Mann an Kompetenz und Intelligenz ebenbürtig wahrnimmt, wenn Frauen sich von Männern die Welt erklären lassen müssen, ungefragt und unaufhaltsam? Wenn Frauen in Sitzungen einfach überhört werden, der Mann dann aber Applaus dafür kassiert, wenn er dasselbe sagt? Wenn sie ungleich öfter unterbrochen werden, wenn man ihnen einfach nicht zuhört, sie nicht für voll nimmt, sie belächelt, wenn sie über Themen sprechen, die außerhalb des ihnen zugestandenen Kompetenzbereichs (Haushalt, Kinder, Mode, Schnickschnack) liegen? Wenn sie in männertypischen Sphären doppelt so viel leisten müssen, um mindestens ebenso ernst genommen zu werden, wie ihre männlichen Kollegen, während Männer in frauentypischen Berufen für jeden richtigen Handgriff bejubelt werden? Sind das lauter Beweise dafür, dass wir keinen Unterschied mehr machen zwischen Frau und Mann, dass beide als gleichwertig und mit gleichen Rechten ausgestattet wahrgenommen werden, hier, „bei uns“?
Es geht uns sehr viel besser als Frauen in anderen Teilen der Erde, geschenkt, und es geht uns sehr viel besser, als es noch unseren Großmüttern ging. Aber wir leben nach wie vor in einer patriarchalen Gesellschaft und haben in punkto Gleichstellung, bei allen Errungenschaften, noch einen langen Weg vor uns. In letzter Zeit scheinen wir auf diesem Weg sogar wieder ein paar Kilometer zurückgeworfen worden zu sein. Man muss daher nicht auf andere Kulturkreise zeigen, um Gewalt gegen Frauen zu erklären, wir haben selbst noch genug Baustellen. Und so lange diese nicht behoben sind, so lange Frauen nicht wirklich denselben Stellenwert in der Gesellschaft haben wie Männer, so lange wird die Gewalt gegen sie weitergehen.

Young

Breaking Beauty Standards

// Kathinka Enderle //
Schönheitsideale sind der Feind der Vielfalt, fordern Uni­formität und belohnen Konformität, anstatt die Einzigartigkeit zu schätzen. Sie unterdrücken Individualität und versprechen Glück und Anerkennung. Es ist ein Wettbewerb um Perfektion und eine Reise ohne Ziel. Doch wie wäre es, den Kurs zu ändern und stattdessen nach Selbstliebe zu streben?
© Kevin Laminto - unsplash
Als Laura 13 Jahre alt war, waren ihre Tage erfüllt von Freundschaften und von Träumen einer abenteuerreichen Zukunft. Sie war 13, als sie das erste Mal in die Welt der sozialen Medien eintauchte. Dort fühlte sich Laura zunehmend von der glänzenden Perfektion in den Bann gezogen. Ihr Handy war voll von idealen Körpern und maßgeschneiderten Outfits. Bislang ungekannte Selbstzweifel nisteten sich in ihrem Herzen ein. Sie empfand Selbstkritik und Angst, nicht schön genug zu sein. Die Schlingen der Schönheitsideale wurden enger. Was als harmloses Eifern nach einem gesellschaftlichen Ideal begann, entwickelte sich mit 15 Jahren zu einer verheerenden Essstörung. Die Zahl auf der Waage und ihre Kleidungsgröße wurden zum Maßstab ihres Selbstwertgefühls, sie versank in eine Welt aus Unzufriedenheit.
Mit 16 Jahren wurde Laura in eine Klinik für Essstörungen eingewiesen. Erst nach Monaten intensiver Behandlung durfte Laura heim – stärker und mit einer gesunden Einstellung sich selbst gegenüber.
Das Entstehen einer Monokultur
So wie es Laura erging, geht es Tausenden von Frauen* täglich. Der Weg zum Schönheitsideal verspricht nicht immer Erfolg. Das Streben nach Idealen entfremdet uns von unserer wahren Identität und Authentizität. Es wird vorgeschrieben, wie wir auszusehen haben, wie wir uns kleiden und fühlen sollen. Eine kollektive Halluzination wird erschaffen, die uns in eine lebenslange Jagd nach unerreichbaren Trugbildern treibt.
In der Wissenschaft unterscheidet man zwischen inklusiver Schönheit, die auf menschliche Werte und das Gute verweist, und die exklusive Schönheit, die sich im menschlichen Körper darstellen lässt. Trotzdem ist Schönheit auch eine Frage der Gesellschaft. Menschen messen Schönheit an gesellschaftlichen Richtlinien und Leitsätzen. Die Vergänglichkeit solcher Ideale und die damit verbundene Widersprüchlichkeit, sich diesen zu fügen, wird selten erkannt. Das permanente Streben nach Schönheitsidealen entfremdet uns von den wahren Werten und verhöhnt stattdessen die menschliche Vielfalt – es kommt zur Monokultur.


Beyond Beauty: Inspiriert zur Selbstbefreiung
Schönheitsideale sind in unserer Gesellschaft tief verwurzelt, aber wir haben die Kraft, sie zu durchbrechen. Denn: Schönheit darf in ihrer ganzen Vielfalt gezeigt werden. Ein Raum sollte entstehen dürfen, in dem jedes Individuum in dessen Einzigartigkeit erstrahlen darf – unabhängig vom äußeren Erscheinungsbild. Das Leben ist nicht dazu da, damit wir einem Bild entsprechen, das sich jederzeit ändern kann. Wir existieren, damit wir unsere eigene Geschichte schreiben. Wahre Schönheit liegt in der Vielfalt – ohne Einschränkungen, ohne Bedingungen, ohne Urteile. Als Feminist*innen wissen wir, dass die Befreiung von Schönheitsidealen kein einfacher Prozess ist, sondern Mut erfordert. Der Weg zur Selbstbefreiung beginnt damit, den eigenen Körper und Geist anzunehmen und sich wertzuschätzen, anstatt sich dem gesellschaftlichen Streben nach „Mehr“ zu fügen.