Frauenwahlrecht

Kleine Geschichte des Frauenwahlrechts

// Maria Pichler //
Der Kampf um das Frauenwahlrecht beginnt bereits im 19. Jahrhundert – und ist bis heute kein weltweites Recht
Der Begriff Frauenwahlrecht meint, dass Frauen aktiv und passiv an politischen Abstimmungen teilnehmen dürfen. Was heute – zumindest in unseren Breiten – ein selbstverständliches Recht ist, mussten (und müssen) sich Frauen weltweit erst hart erkämpfen. Das erste Land der Welt, in dem das allgemeine Wahlrecht für Männer und Frauen eingeführt wurde, war Neuseeland im Jahr 1893. Als Vorkämpferinnen des Frauenwahlrechtes in Europa gelten die Suffragetten in England, wo die Frauen bei den Wahlen zum britischen Unterhaus am 14. Dezember 1918 erstmals ihre Stimme abgeben und auch kandidieren durften.

In Italien konnten sich Frauen am 10. März 1946 das erste Mal aktiv und passiv an Wahlen beteiligen – und damit auch in Südtirol. Dennoch ist es bis heute so, dass weltweit nur 26,6 Prozent der Parlamentsabgeordneten weiblich sind. Spitzenreiter sind laut der Statistik der Internationalen Organisation der Parlamente (www.ipu.org) das Unterhaus in Ruanda sowie die Parlamente von Kuba und Nicaragua. Erstes europäisches Land auf der Liste ist Island mit einem Frauenanteil von 47,6 Prozent.
Dass der Weg von Frauen in die Politik grundsätzlich aber nach wie vor ein sehr mühsamer ist, zeigt ein Blick in die Südtiroler Politik. Einige wenige Frauen wurden bereits Ende der 1940er und Anfang der 1950er Jahre in die Stadt- und Gemeinderäte des Landes gewählt, im Jahr 1964 zogen die ersten beiden Frauen in den Landtag ein und erst dreißig Jahre später hatte Südtirol eine Parlamentarierin in Rom. Aktuell sind zwei von sechs Südtiroler Parlamentariern weiblich, neun von 35 Landtagsabgeordneten und 14 von 116 Bürgermeistern. In den Südtiroler Gemeinderäten beträgt der Frauenanteil aktuell 27,71 Prozent – von einem Hälfte-Hälfte sind wir also noch weit entfernt. Damit sind die Parlamente auf den verschiedensten politischen Ebenen nicht nur nicht-repräsentativ, sondern es geht der Gesellschaft viel Wissen und Erfahrung verloren. Ob wir uns das in einer Zeit des Umbruchs noch weiterhin leisten können und wollen?

Menschen mit Behinderung

Politik behindert

// Heidi Ulm //
Politik ist im Idealfall das Spiegelbild der Gesellschaft. Im Südtiroler Landtag sitzt derzeit kein Mensch mit Behinderung, obwohl wir zehn Prozent der Bevölkerung darstellen. Aber welche Forderungen und Erwartungen haben Menschen mit Behinderung an die Politik und wie können sie bestmöglich, auch von Nichtbetroffenen, umgesetzt werden? Und wie geht überhaupt eine barrierefreie Wahl?
Nicht für alle Menschen ist es so einfach, in der Wahlkabine ihre Stimme abzugeben. In Südtirol bietet beispielsweise das Weiße Kreuz bei Bedarf einen kostenlosen Transport für nicht gehfähige Wählerinnen und Wähler zu den Wahllokalen an. Dennoch: Wählen ist nicht für alle barrierefrei. © Weißes Kreuz
Vor dem Gang zur Wahlurne wäre es von Vorteil sich über die Wahl zu informieren, um nicht aus Versehen seine Stimme ungültig zu machen, weil man den Wahlzettel falsch ausfüllt. Genau aus diesem Grund hat People First, Selbstvertretungsgruppe für Menschen mit Lernschwierigkeiten, eine Broschüre rund um die Landtagswahlen in Leichter Sprache erstellt. Freilich unter Berücksichtigung der Par Conditio.
Barrierefreie Stimmabgabe
Zu den Wahlkabinen sei gesagt, dass es in manchen Wahlsektionen größere Wahlkabinen für Rollstuhlfahrer*innen gibt. Menschen mit Sehbehinderung haben das Recht auf eine Begleitperson. Jedoch äußern einige Selbstbetroffene, dass die Zugänglichkeit vieler Wahlsektionen zu wünschen übriglässt.
Welche Politik brauchen Menschen mit Behinderung?
Als Selbstbetroffene sind mir die Forderungen von Menschen mit Behinderungen an die Politik bekannt. Und es sind viele Forderungen, weil ein gleichberechtigtes und selbstbestimmtes Leben für viele nicht immer möglich ist. Unmöglich, an dieser Stelle jedes einzelne Anliegen zu beschreiben, einige davon seien jedoch an dieser Stelle genauer ausgeführt.
Inklusive Arbeit und gerechte Entlohnung
Menschen mit Behinderung haben das Recht ihren Lebensunterhalt durch eine frei gewählte Arbeit zu verdienen. Die Realität zeigt aber, dass viele Unternehmen lieber eine (geringe) Geldstrafe im Kauf nehmen, als einen Menschen mit Behinderung einzustellen. Eine Lösung wäre, die Geldstrafen deutlich zu erhöhen, sodass die Entscheidung der Betriebe nicht mehr ganz so einfach ist. Für Betriebe sind zudem Unterstützungshilfen seitens der öffentlichen Ämter wichtig.
Auch die Behindertenwerkstätten sind nicht ohne Probleme. Zum einen gibt es viele Menschen, die jahrelang auf einen Platz warten. Und einmal dort, schaffen es die meisten nicht mehr in den freien Arbeitsmarkt. Die Menschen in den Behindertenwerkstätten bekommen im Schnitt einen bis drei Euro pro Stunde, womit sie nie finanziell unabhängig sein können.
360 Grad Barrierefreiheit
Ein weiteres Anliegen ist die Barrierefreiheit und damit ist nicht nur der Abbau von architektonischen Barrieren gemeint. Barrierefreiheit sind auch die Blindenleitlinien, Sprachausgaben, die Leichte Sprache, die Übersetzung in Gebärdensprache usw. Für eine barrierefreie Gestaltung des öffentlichen Raumes ist das „Zwei-Sinnes-Prinzip“ ein wichtiger Grundsatz. Nach diesem Prinzip müssen alle Informationen in mindestens zwei der Sinne Hören, Sehen und Tasten dargestellt werden. Ein Alltagsbeispiel dazu sind die Rauchmelder, die nicht nur akustische, sondern auch optische Alarmsignale durch Alarmlichter abgeben können. Somit können auch Gehörlose und schwerhörige Menschen Alarmsignale wahrnehmen.
Es ist wichtig zu erkennen, dass mit dem Zwei-Sinne-Prinzip nicht alle Menschen Berücksichtigung finden (z. B. Menschen, die mehrere Sinne nicht haben). Hier braucht es innovative Lösungsansätze.
Leider werden auch heute noch neue Einrichtungen gebaut, die nicht barrierefrei sind, so wie das erst kürzlich fertig gestellte Mobilitätszentrum in Bruneck. Die jetzigen Umbaukosten hätten durch eine unsichtigere Planung verhindert werden können. Warum nicht Selbstbetroffene im Vorfeld anhören?
Persönliche Assistenz ist der Schlüssel zu einem selbstbestimmten Leben
Was bringt einem Menschen ein Aufzug, wenn er aber nicht dorthin kommt, weil ihn niemand vom Bett in den Rollstuhl hebt. Barrierefreiheit allein nützt also nicht immer und nicht in allen Fällen, denn auch in der Idealvorstellung einer barrierefreien Welt brauchen viele Menschen mit Behinderung menschliche Hilfe: eine sogenannte Persönliche Assistenz. Persönliche Assistent*innen sind eine unterstützende Kraft für Menschen mit Behinderungen in allen Bereichen, in denen Unterstützung aufgrund ihrer Behinderung erforderlich ist, zum Beispiel im Haushalt, bei der Arbeit, im Studium oder auch bei Freizeit-Aktivitäten.
Die Persönlichen Assistent*innen stellen ihre Augen, Muskelkraft, Füße oder Hände je nach Bedarf zur Verfügung. Der wesentliche Unterschied zum Leben in betreuten Einrichtungen besteht darin, dass Menschen mit Behinderungen in der Rolle der Auftraggeber*in agieren. Sie haben die Kontrolle über ihren Lebensstil und entscheiden selbst, was für sie am besten ist.
In Südtirol ist das Konzept der Persönlichen Assistenz noch nicht wirklich angekommen. Es gibt einen finanziellen Beitrag „Selbstbestimmtes Leben und gesellschaftliche Teilhabe“, den aber nur Menschen mit einer eigenen Wohnung, einem Pflegegeld und einer Invalidenrente beziehen können. Damit werden viele Betroffene bereits im Vorfeld ausgeschlossen. Zum Beispiel erhalten die meisten Menschen mit einer Sinnesbeeinträchtigung kein Pflegegeld, weil sie keine Pflege im klassischen Sinne benötigen, dennoch wäre auch für diese Personen eine Assistenz oft wünschenswert. Kein Wunder, dass dieser Beitrag von nicht mehr als zehn Personen südtirolweit angesucht wird
Zudem müssen Betroffene ihre Assistent*innen selbst suchen, was durch die schlechte Entlohnung schwierig bis unmöglich ist, Verträge erstellen und alles koordinieren. Es braucht eine Vermittlungszentrale, weniger Bürokratie und bessere finanzielle Absicherung für die Assistent*innen.
Die Persönliche Assistenz ist zweifelsohne eines der obersten Bedürfnissen von Menschen mit Behinderung, die zuallererst umgesetzt werden müssen – denn ohne dies ist die Umsetzung aller anderen Forderungen nur halb so wirksam.

Zum Schluss sei noch erwähnt, dass alle Forderungen von Menschen mit Behinderung der gesamten Bevölkerung zugutekommen. Sei es Eltern mit Kinderwägen, älteren Personen oder jenen, die im Laufe des Lebens eine Behinderung erwerben, denn nur drei Prozent der Behinderungen sind angeboren.