Filomena Prinoth Moroder

„Es ist Sonntag, ich tu lesen und schreiben…“

Die Freude am Schreiben oder der subversive Akt der Filomena Prinoth Moroder
Filomena Prinoth wurde am 11. Mai 1860 in Meran geboren. Ihre Eltern stammten aus dem Grödental und betrieben in Meran das Textilgeschäfts „Zitt“. Filomena war die jüngste Tochter der Familie und besuchte das Institut der Englischen Fräulein, wo sie bis zu ihrem 19. Lebensjahr wohnte, wohl weil die Eltern wenig Zeit für die Erziehung des Mädchens hatten.

Von der Obhut des Klosters kam Filomena am 20. Oktober 1879, mit der Heirat des Arztes Conrad Moroder, in die Obhut ihres Ehemanns. Das Paar übersiedelte nach St. Ulrich, wohin Conrad als Gemeindearzt berufen wurde und sie, neben der Pflege und Erziehung ihrer 13 Kinder, die nach und nach geboren wurden und von denen sie 8 überlebte, die Apotheke betreute.

Am Tag ihrer Vermählung begann Filomena Moroder mit dem Schreiben eines Tagebuchs, das sie vierzig Jahre lang, bis kurz vor ihrem Tod, fast lückenlos und mit bemerkenswerter Regelmäßigkeit führte. Es handelt sich dabei um einen auf deutsch, in einfacher aber oft poetischer Sprache, verfassten Text, der ein geradezu sensationelles Zeitdokument darstellt, erstens weil Frauen früher selten über sich, ihre Gedanken und Gefühle schrieben, geschweige diese publizierten, und zweitens weil solcherlei private Schriften sich nur in Einzelfällen bis in unsere Zeit erhalten haben.

Für Filomena Moroder war ihr Tagebuch ein Ort der Freiheit und Ruhe, aber auch ein Ort, in dem sie Zuflucht fand, ein diskretes Du, dem sie sich anvertrauen konnte. Zweifellos bedeutete das Schreiben für sie Freude und Lust. Und wie für manch andere schreibende Frau ihrer Zeit war wohl auch ihr Schreiben vom Wunsch beseelt, eine Lücke zu füllen, ein Defizit des Seins auszugleichen. Damit stellt es auf unspektakuläre Weise einen geradezu subversiven Akt dar, mit dem die Autorin ihr „marginales Frauenleben“ aus der Unbedeutsamkeit herauszuholen vermochte, um ihm sozusagen einen Sinn zu verleihen.

Filomena Moroder starb 1920.


Zum Weiterlesen:
Wenn doch endlich Frieden wäre! Aus dem Tagebuch der Filomena Prinoth-Moroder. Gröden 1914–1920, Hrsg. von Margreth Runggaldier-Mahlknecht, Folioverlag, Mai 2015.

Mein Gröden, Die Tagebücher der Filomena Prinoth-Moroder (1885-1920), Hrsg. Marion Ladurner/Oswald Überegger, Universitätsverlag Wagner, November 2018.

© Manuela Tessaro
Ingrid Runggaldier, cumëmbra dl cunsëi dl Archif storich dl’ëiles Bulsan. Tradutëura y autora de "Frauen im Aufstieg. Eine Spurensuche in der Alpingeschichte" y "Gezahnt wie der Kiefer eines Alligators. Was Reisende über die Dolomiten schrieben”.
Ingrid Runggaldier, Mitfrau im Vorstand des Frauenarchivs Bozen/Archivio storico delle donne Bolzano. Übersetzerin in der Landesverwaltung und Autorin von "Frauen im Aufstieg. Eine Spurensuche in der Alpingeschichte" und "Gezahnt wie der Kiefer eines Alligators. Was Reisende über die Dolomiten schrieben”.

Young

Couch Komfort und Kino Konversationen: Zwischen Klischees und Komplexität

// Kathinka Enderle //
Nachdem wir uns den Film „Miller’s Girl“ im Kino angesehen hatten, versanken meine Freundinnen Chiara, Giulia und ich in ein so tiefes Gespräch, dass wir unsere längst leeren Popcornschachteln gar nicht bemerkten.
© Ava Sol - unsplash
Heilige oder Verführerin?
Als Chiara den Anfang machte, konnte ich nicht anders, als zuzustimmen: „Wisst ihr, der Film war so gar nicht das, was ich erwartet hatte. Er war... besser und tiefgründiger, wenn man darüber nachdenkt.“ Giulia stimmte ihr zu: „Ja, der Trailer war irreführend. Ich dachte, wir kriegen die typische Geschichte von der Studentin, die ihren Professor verführt und alle klischeehaften Dramen, die dazu gehören. Aber der Film hat mich echt zum Grübeln gebracht. Er war bei der Verführung viel mehr involviert, als man zunächst annimmt. Und ja, er hat seine Machtposition definitiv ausgenutzt, ich glaube, das wird oft vergessen. Was meint ihr?“ „Die Beziehungsnuancen zwischen Cairo und Mr. Miller waren wirklich faszinierend“, warf ich ein, während ich über ihre Dynamiken nachdachte. „Er befeuerte all das, was zwischen den beiden passiert ist, definitiv und war gar nicht so sehr das Opfer, das er am Ende zu spielen versuchte. Besonders den Bezug zu seiner Ehe fand ich interessant. Seine Ehefrau wurde als chaotische Schriftstellerin dargestellt, die ihn nicht bemerkt und in ihrer eigenen Welt lebt. Ich las online oft, dass manche ihn als Opfer sehen und sie als die Schuldige. Aber es ist doch absurd, dass der Frau so oft die Schuld zugeschoben wird. Einerseits war seine Ehefrau die Schuldige, weil er aus seiner Ehe flüchten musste, andererseits wurde aber auch Cairo, die Studentin, schuldig gesprochen, weil sie ihm den Ehebruch ermöglichte. Er wäre immer das Opfer. Das zeigt für mich, dass Sexualität und Lust immer noch Themen sind, bei denen die Frau oftmals in Schubladen gesteckt wird. Mal sind wir zu prüde, mal verrucht, mal die Heilige, mal die Hure… Da soll man sich noch auskennen.“ Giulia fügte nachdenklich hinzu: „Es ist frustrierend, wie Frauen immer noch in stereotypen Rollen feststecken. Ich wünschte, man würde Frauen das Recht auf eigene Wünsche und Bedürfnisse zusprechen, ohne sofort zu urteilen.“
Wenn Fremde urteilen
Giulia erzählte von einer unangenehmen Erfahrung: „Letztens waren meine Freunde und ich gemütlich alle zusammen ein paar Drinks genießen. Da im Lokal recht wenig los war, hat sich eine andere Gruppe zu uns gesellt, die wir nicht kannten. Irgendwann erzählte eine meiner Freundinnen einigen unserer Gruppe von ihrem letzten Date, das mit einer heißen Nacht endete“, dabei wackelte sie lachend mit ihren Augenbrauen. „Wir haben uns für sie gefreut, aber die andere Gruppe konnte ihre Kommentare nicht für sich behalten. Meine Freunde sind offen und unterstützend, aber die Negativität der anderen hat die Stimmung gedämpft. Wir haben sie dann höflich gebeten zu gehen, bevor noch schlimmere Kommentare fallen. Dass das ein ‚billiges‘ Verhalten sei, war dabei noch eine nette Aussage…“ „Und wie geht es deiner Freundin jetzt damit?“, fragte ich neugierig. „Sie war natürlich geschockt, aber sie lässt sich davon nicht unterkriegen“, erzählte Giulia. Chiara fügte hinzu: „Es ist wirklich lächerlich, wie manche immer noch so engstirnig denken. Es ist doch die Entscheidung von jedem selbst, wie man das eigene Leben gestaltet. Manche scheinen noch im Steinzeitalter zu leben – oder sich zumindest so zu verhalten.“
Tragen wir noch immer ein Korsett?
Giulia nickte zustimmend und fügte mit einem Augenzwinkern hinzu: „Frauen werden immer noch in ein Korsett aus Erwartungen und Vorurteilen gestopft, besonders wenn es um ihre Sexualität geht. Ich meine, es ist 2024 und ich kann das nicht oft genug sagen, aber wir sollten doch weiter sein! Diese Doppelmoral ist noch so 19. Jahrhundert. Ich hoffe, dass Frauen irgendwann ungestört ermutigt sind, eigene Entscheidungen zu treffen, ohne sich ständig erklären zu müssen oder Sprüche zu ernten.“ Ich nickte eifrig und dachte an meine eigenen Momente, in denen ich das Gefühl hatte, meine Entscheidungen vor anderen verteidigen zu müssen, als ob ich Rechenschaft schuldete für das, was ich mit meinem Leben anstelle.
Eine Ode an den Käfer im Film
„Ist euch der glänzende Käfer im Film aufgefallen? Der wurde immer wieder gezeigt. Ihr wisst ja, dass ich gerade meine spirituelle Ader suche", begann Chiara mit einem schelmischen Funkeln in den Augen. „Der Käfer durchläuft laut Google verschiedene Lebensstadien, bis er zum fliegenden Insekt wird. Das wird als Spiegel des menschlichen Wandels interpretiert. Ich finde das passend. Sein Panzer war strahlend, und eigentlich ist sicher und einvernehmlich ausgelebte Sexualität auch etwas, das strahlen darf, aber trotzdem teilweise als etwas Hässliches wahrgenommen wird – wie ein Käfer." Giulia und ich grinsten. „Ich wünsche Frauen auch einen Wandel. Von den Tagen der Schuldzuweisungen und Verurteilungen, die wir Frauen in der Geschichte erlebten, bis hin zur Freiheit“, warf ich ein. „Ich sehe schon die Schlagzeile: Der Wandel von Frau zur fliegenden Göttin!“, lachte Giulia.
Fliegen lernen: Von Kokons zu Schmetterlingen
Wir grinsten über die Vorstellung, wie sich Frauen metaphorisch aus ihren eigenen und auferlegten Kokons befreien und wie strahlende Schmetterlinge durch das Leben flattern, frei von den Fesseln der Vergangenheit und Gesellschaft. Es war ein amüsanter Gedanke, aber mit einem Funken Wahrheit, der uns daran erinnerte, dass Veränderung möglich ist, wenn wir weiter danach streben. Was uns mehr begeisterte, der Film oder das Gespräch und dessen Wandlung, überlassen wir Ihnen.