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Und erkläre uns unsere Welt…

// Alexandra Kienzl //
Mann redet, Frau hört zu: Das muss aufhören.
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Was haben Mansplaining, das unverlangte Erklären der Welt durch Männer an (zumeist) Frauen, und ein Bart gemeinsam? Genau, nicht alle Männer tun es bzw. haben einen, aber jene, die es tun bzw. Bart tragen, sind fast ausnahmslos männlich. Wenn Sie weiblich sind oder so gelesen werden, dann brauche ich Ihnen nicht lange schildern, wie es üblicherweise abläuft: Boy meets girl, die beiden kommen ins Gespräch, und irgendwann überkommt den Mann der unüberwindbare Drang, seine Gesprächspartnerin an seinem Spezialwissen teilhaben zu lassen. Aber es muss nicht unbedingt ein der Zuhörerin völlig fremdes Gebiet sein, ganz im Gegenteil: Mehr als einmal hat mann mich bereits über mein Studienfach belehrt, mir Eigenheiten der englischen Sprache aufgezeigt, über korrekte Aussprache doziert, und sich nicht davon abhalten lassen, dass die eigene Qualifikation „nur“ in einem Maturaabschluss und dem Konsum von englischsprachigen Filmen besteht.

Verstehen sie mich bitte nicht falsch: Ich lerne gerne dazu, ich habe Bildungslücken, und es tut immer gut, mal ordentlich über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen, aber wow: Einmal im Leben möchte ich über die Selbstgewissheit und Nonchalance verfügen, mit der Männer davon ausgehen, dass sie erstens im besagten Bereich mehr wüssten als ihr Gegenüber, und zweitens, dass dieses Gegenüber jetzt tatsächlich Bock auf einen halbstündigen Vortrag über die Geschichte der afrikanischen Kontinentalplatte hat. Signale, die das Gegenteil bezeugen, werden meisterhaft ignoriert, und ich muss zugeben, ich bin auch nicht gut darin. Meist nicke ich fassungslos aber freundlich, wenn ich merke, holla, es geht schon wieder los, der Mansplainer-Zug nimmt Fahrt auf und ich bin wider Willen Passagier. Im Geiste gehe ich dann meine To-do-Liste durch oder überlege, was man so gegen den Klimawandel unternehmen könnte oder auch nur, ob meine Hose zu meinen Schuhen passt. Leider wird diese Entrücktheit meist als gesteigertes Interesse interpretiert („geweitete Pupillen, sie steht drauf!“), was die Erklärungseuphorie der Vortragenden nur noch intensiviert. Ich muss einfach lernen, ausgiebig zu gähnen, abzuwinken und „Lass mal stecken“ zu sagen, dann knallharter Themenwechsel. Aber dafür sind wir Frauen, zu unserem eigenen Nachteil, einfach zu gut erzogen. Noch.

Wieso Männer das machen, dazu habe ich mehrere Theorien. Vielleicht wird ihnen das von klein auf als normale Konversation beigebracht: Rede über irgendwelche Fachbereiche, dann musst du nicht über dich und deine Gefühle sprechen. Vielleicht funktioniert es als Eroberungsstrategie: Die Frau ist irgendwann so fertig erklärt, dass sie sich bereitwillig küssen lässt; Hauptsache, der Typ ist endlich still – aber nein, unwahrscheinlich, denn aphrodisierend wirkt das paternalistische Gesplaine gar nicht. Ich vermute, dass dem Ganzen ein missionarischer Eifer zugrunde liegt, der nur leider hundertfünfzig Jahre zu spät kommt: Mann möchte Frau an seinem üppigen Weltwissen teilhaben lassen und lässt dabei völlig außer Acht, dass Frauen mittlerweile selbst über eine ganz passable Ausbildung verfügen. Die Zeiten, in denen man ihnen wenig mehr als stricken und Knödel drehen beibrachte, sind gottlob vorbei. Außerdem, das hat sich möglicherweise auch noch nicht so herumgesprochen, besitzen auch Frauen Smartphones und schaffen es ganz gut, sich Informationen zu Themen, die sie interessieren, aus dem Internet zu beschaffen. Auch wir haben Wikipedia, Siri und Alexa, und sind somit auf das gebündelte Wissen von Dieter, Franz und Werner nicht unbedingt angewiesen. Wenn ihr uns also wirklich beeindrucken wollt, liebe Männer, versucht‘s mal mit zuhören, nachfragen, in den Dialog gehen. Das ist nicht nur spannender, sondern auch weniger anstrengend (für beide Seiten!) als euer Monologisieren, und wer weiß, womöglich lernt ihr dabei ja sogar mal was von uns.

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Unterschiede beeinflussen die queere Szene

// Jenny Cazzola //
Gerade ist viel los in der Südtiroler LGBTQIA+-Szene. Der für 2025 geplante Pride lässt viel Neues entstehen und auf eine langfristige Veränderung hoffen. Doch wie ist die Stimmung, besonders unter jungen und deutschsprachigen Menschen?
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Lange Zeit galt die Südtiroler LGBTQIA+-Szene als kaum vorhanden. Versteckt, auf Bozen konzentriert, und in den vergangenen Jahren – auch aufgrund des Engagements von Centaurus – als stark italienisch geprägt. Wer hingegen jung, queer und deutschsprachig war, der musste sich woanders umsehen. Denn hier in Südtirol gab es einfach nichts. Kein Netzwerk, kaum Partys, selbst eine queere Bar sucht man vergebens. Und erst recht keine Pride Parade, oder einen CSD, wie die Veranstaltung im deutschsprachigen Raum oft heißt.

Auf dem Weg zum ersten Pride
Das soll sich nun ändern. Für den 28. Juni 2025 ist der erste Alto Adige Pride Südtirol geplant und aktuell läuft auch bereits die Road to Pride, eine Serie von Events, die eine Möglichkeit zum Austausch schaffen, ein Gemeinschaftsgefühl erzeugen und die Bevölkerung auf die finale Parade einstimmen soll. Madu Alber ist im Vorstand des Vereins, der gegründet wurde, um den Pride zu organisieren. „Unser Ziel ist es, möglichst die gesamte Bevölkerung Südtirols bei dem was wir tun mitzunehmen und auch verschiedenste Lebensrealitäten abzubilden“, so Alber. „Ich kann deshalb hier auch nur meine persönlichen Beobachtungen zur LGBTQIA+-Szene in Südtirol wiedergeben.“

Und wie sieht diese aus? „Es ist nicht leicht“, antwortet Alber nach einigem Zögern. „Es gibt verschiedene Gruppierungen, aber die sind eher weniger oder hauptsächlich online aktiv. Treffen gibt es eher weniger, wobei sich das in letzter Zeit geändert hat. Es gibt immer mehr Partys und vor allem die Drag-Szene wächst gerade sehr stark. Das ist auf jeden Fall sehr positiv. Denn so kommen die Leute zusammen, es entsteht eine Gemeinschaft. Aber viele Leute, die neu sind in der Szene, haben noch große Hemmungen zu Events zu kommen. Bei den meisten Veranstaltungen, auch von Centaurus oder vom Filmclub, trifft man daher eher bekannte Gesichter. Auch das soll sich durch den Pride ändern. Bei unseren Veranstaltungen sind alle willkommen, egal wie alt sie sind, wo sie herkommen und welche Sprache sie sprechen.“

Barrieren
Aber Sprache und Geografie stellen auch große Barrieren in der Szene dar. „Hier tun sich Leute grundsätzlich schwerer einander zu finden und zusammenzukommen als in einer Großstadt“, erklärt Alber. „Und die queere Szene in Südtirol spielt sich hauptsächlich in den Städten, vor allem in Bozen, ab. Auch das ist ein Punkt, den wir gerne ändern würden. Aber ein Event in einem Dorf oder Tal zu machen, heißt auch, dass weniger Leute kommen und dass diese Leute mutig genug sein müssen, um sich zu outen. Außerdem braucht es natürlich auch Leute, die bereit sind, die Verantwortung zu übernehmen und etwas auf die Beine zu stellen. Auch das ist in kleineren Orten schwieriger. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz: Um etwas zu organisieren, müssen Menschen zusammenkommen. Aber damit Menschen zusammenkommen, braucht es Veranstaltungen.“

So ähnlich sieht es auch Nick Franceschi. Er ist Teil der Gruppe Homophobie Ist Keine Meinung, die sich 2021 gegründet hat, um queerphobe Berichterstattung in den Südtiroler Medien richtigzustellen. „Wir empfinden die lokale queere Szene als von jüngeren Menschen geprägt. Da es keine ausdrücklich queere Bars oder ähnliches gibt, finden sich queere Menschen meist in queerfreundlichen Einrichtungen ein, um Zeit zusammen zu verbringen. Es gibt aber keine Orte, die ausschließlich queer sind. Die Treffen von queeren Menschen werden deshalb meistens von verschiedenen Organisationen oder Gruppen über soziale Medien koordiniert, welche queere Events veranstalten“, so Franceschi. „Junge queere Menschen in Südtirol sind leider oft von anderen queeren Menschen isoliert. Auch wenn man über diese queeren Events Bescheid weiß, fühlen sich viele nicht wohl dabei, in einen Ort voller unbekannter Menschen zu gehen. Vor allem für Jugendliche, die weit weg von den größeren Städten wohnen, sind manche Events einfach logistisch nicht zugänglich. In diesen Fällen bilden sich manchmal kleinere queere Communities in der Form von queeren Freundesgruppen. Solche Freundesgruppen können einen sehr großen Unterschied für junge queere Südtiroler*innen machen, und stark beeinflussen, ob das eigene Queersein als schamhaft oder bereichernd erlebt wird.“

Sprache und Spaltung
Aber auch Sprache spielt eine große – leider oft trennende – Rolle. „Leider herrscht auch zwischen queeren Menschen in Südtirol eine strenge ethnisch/sprachliche Trennung: Manche Events in Bozen finden gänzlich auf Italienisch statt, oder es gibt bestimmte Gruppen, in Brixen zum Beispiel, die sich ausdrücklich nur deutschsprachige Menschen wünschen. Es gibt mir aber Hoffnung, zu sehen, dass queere Menschen unterschiedlicher Sprachgruppen trotzdem immer mehr Wege finden, miteinander zu sein und sich gegenseitig zu unterstützen. In einer gespaltenen Gesellschaft wie unserer, kann Queersein neue Möglichkeiten des Zusammenlebens und der Zusammenarbeit anbieten. Durch den kollektiven Kampf um mehr Rechte für alle können queere Menschen eine neue Südtiroler Gesellschaft prägen, die auf Respekt und Neugier basiert, anstatt auf Ausgrenzung.“

Diese Spaltungen betrachtet auch Madu Alber als ein großes Problem. „Sprachgruppentrennung, Rassismus, Unterschiede zwischen den sozialen Klassen, alles das beeinflusst auch die queere Szene in Südtirol, sogar mehr als anderswo, weil eben alles recht klein ist und weit auseinanderliegt. Außerdem darf man eines nicht vergessen: Aktivismus ist ein großes Privileg. Um aktivistisch tätig sein zu können, braucht es Zeit, Geld, Energie, aber auch ein soziales Umfeld, das einen emotional unterstützt. Und gerade queere Menschen haben eh schon viel zu managen, vom Recht auf Arbeit, das nicht immer gegeben ist, bis zur eigenen mentalen Gesundheit. Da wundert es nicht, dass die Hemmschwellen oft noch hoch sind.“
Einige Mitglieder des Vorstands von Alto Adige Pride Südtirol beim ersten Road to Pride Event. Ganz rechts: Madu Alber. © Anna Friz
Nick Franceschi von Homophobie Ist Keine Meinung. © privat