Think

Wie Alltagsgegenstände Unabhängigkeit schaffen

Was haben ein Haargummi und ein Wasserkocher gemeinsam? Für viele sind es zwei unscheinbare Alltagsgegenstände - für andere bedeuten sie ein Stück Freiheit.
Ein speziell entwickeltes Haargummi ermöglicht es, sich mit nur einem Arm einen Haarschwanz zu binden © privat
Ein speziell entwickeltes Haargummi ermöglicht es, sich mit nur einem Arm einen Haarschwanz zu binden. Dabei wird das Band an einem Tür-oder Fenstergriff befestigt, während der Rest des Bandes um den Kopf gespannt wird. Durch das Zurückgehen zieht sich das Gummi enger, bis der Zopf mit einem kleinen 3D-gedruckten Verschlussteil fixiert wird. Versuchen Sie sich mal einhändig einen gutaussehenden und festsitzenden Haarzopf zu binden. Nahezu unmöglich. Das adaptierte Haargummi schafft Abhilfe – wenn auch noch Verbesserungsbedarf vorhanden ist. Wer seine Hand nicht bewegen oder nur einen Arm benutzen kann, schafft es damit auch ohne Unterstützung anderer, sich die Haare zusammen zu binden.

Ebenso praktisch ist die Einschenkhilfe für den Wasserkocher, die speziell für Menschen mit eingeschränkter Mobilität entwickelt wurde. Das Ausgießen von heißem Wasser benötigt Kraft und Stabilität. Die Lösung ist eine Vorrichtung, die den Wasserkocher in einer Art Mini-Hollywoodschaukel aus Holz hält. Das heiße Wasser kann sicher und kontrolliert ausgegossen werden – ohne die Gefahr von Verbrennungen oder verschüttetem Wasser. So können sich betroffene Personen ohne Hilfe Tee zubereiten oder eine Wärmflasche einfüllen.

Beide innovativen Hilfsmittel sind das Ergebnis der Initiative INNklusion an der Universität Innsbruck. Im Rahmen der gleichnamigen interdisziplinären Masterlehrveranstaltung entwickeln Studierende seit fast zwei Jahren gemeinsam mit und für Menschen mit Behinderungen bedarfsgerechte Assistenzlösungen. Von der Bedarfsanalyse bis zur konkreten Umsetzung sind Menschen mit Behinderungen aktiv involviert, um praxistaugliche Lösungen zu schaffen. Und ganz nebenbei erfahren die Studierenden, was Leben mit Behinderung und Inklusion bedeuten. Auf der Webseite von INNklusion finden sich weitere tolle Projekte und auch ein Video über die Funktionsweise des adaptierten Haargummis.

Diese kleinen Adaptierungen machen deutlich, wie wichtig individuell angepasste Hilfsmittel für ein selbstbestimmtes Leben sind. Sie ermöglichen Menschen mit Behinderungen mehr Unabhängigkeit im Alltag und zeigen, dass Inklusion auch in kleinen Details beginnen kann.

Mehr Infos zum Projekt INNklusion: www.uibk.ac.at/de/projects/innklusion/

Think

Die Kraft eines Films

// Jenny Cazzola | Centaurus //
Während es in den USA die Protestnächte auf der Christopher Street waren, war es im deutsch­sprachigen Raum ein Film, der die Schwulen- und Lesbenbewegung Fahrt aufnehmen ließ.
© Adobe Stock
In der März-Ausgabe der ëres hat sich Cristina Pelagatti mit den Stonewall-Aufständen und ihren Nachwirkungen befasst. Doch ich fragte mich dabei, wie schwappten queere Bewegungen eigentlich von den USA nach Europa und spezifisch in den deutschsprachigen Raum über? Die Antwort lautet: durch einen Film.

„Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“
So lautet der Titel eines Filmdramas von Rosa von Praunheim aus dem Jahr 1971. Es zeigt das Leben einiger Männer in der schwulen Subkultur Berlins zur damaligen Zeit. Ihre Beziehungen zueinander, aber auch die Probleme mit denen sie kämpfen. Grundtenor ist dabei, dass Homosexuelle sich outen, sich nicht mehr verstecken sollten, um frei und gleichberechtigt leben zu können. An der Homosexualität ist also nichts pervers, an der Ausgrenzung und Benachteiligung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung schon.

Das sorgte für Aufsehen. Für Gerede. Für Aktivismus, von Leuten und Gruppierungen, die sich von dieser These angesprochen fühlten. Ähnlich wie in den USA begannen Menschen sich zusammenzufinden und Druck auf die Politik auszuüben. Es war der Beginn der Schwulen- und Lesbenbewegung im deutschsprachigen Raum.

Road to Pride Movies
Eigentlich ist es aber nicht verwunderlich, dass ein Film am Anfang dieser Bewegung stand. Denn Filme haben große Kraft. Sie können die Fantasie anregen, die Vergangenheit, Gegenwart oder eine mögliche Zukunft zeigen. Sie berühren emotional und man kann sie alleine oder auch in Gesellschaft konsumieren. Einen Film zu schauen, gehört für viele Menschen zum Alltag. Das war auch ein bisschen der Grund, wieso Alto Adige Pride Südtirol gemeinsam mit dem Filmclub die Veranstaltungsreihe „Road to Pride Movies“ ins Leben gerufen hat. „Wir wollten, dass die Pride nicht nur der 28. Juni ist, sondern das ganze Jahr über“, erzählt Christian Contarino, der die Filmvorführungen koordiniert. „Außerdem sprechen Filme viele unterschiedliche Menschen an und decken viele Themen ab. Bei der Erstellung der Filmreihe haben wir gezielt nach Filmen gesucht, die eine Bandbreite von queeren Themen und Erfahrungen aufgreifen: von Regenbogenfamilien bis zur Dragkultur, von Geschlechtsidentität bis zu Liebe und Beziehungen. Das Medium Film bietet dabei die Möglichkeit, auch in sehr kurzer Zeit in dieses Universum an Themen einzutauchen und sehr schnell etwas über das jeweilige Thema zu lernen.“