Young

Schluss mit dem Vergessen: Frauen, die die Welt veränderten

// Kathinka Enderle //
Wissenschaften jeglicher Art sind ein Symbol für kollektiven Fortschritt: für Ideen, Visionen und wichtige Entdeckungen, welche ihre Wissenschaftler*innen glänzen lassen. Doch in Wahrheit ist sie oft eine Geschichte des Ausschlusses, Schweigens und der Ignoranz. Frauen, die bahnbrechend waren, wurden ignoriert, ihre Erfindungen gestohlen, ihre Leistungen klein geredet. Es ist an der Zeit, ihre Geschichten zu erzählen.
© Vlad Tchompalov - unsplash
Die erste Märtyrerin der Wissenschaft:
„Verteidige dein Recht zu denken.“
Im 4. Jahrhundert stand Alexandria für das Zentrum des Wissens – und Hypatia war mitten drin. Sie war Mathematikerin, Astronomin und Philosophin, eine Frau, die in einer Männerwelt glänzte. Sokrates Scholastikus schrieb über sie: „Es gab in Alexandria eine Frau, die in Literatur und Wissenschaft alle Philosophen ihrer Zeit übertraf.“ Doch Hypatia war mehr als eine Denkerin. Sie war mutig genug, sich den Erwartungen des Patriarchats zu widersetzen – und das machte sie gefährlich. 415 n. Chr. wurde sie von einem Mob ermordet, angestachelt von Männern, die nicht ertragen konnten, dass ihnen eine Frau moralisch und intellektuell überlegen war. Was sagt es über eine Gesellschaft, wenn sie lieber tötet, als Frauen Macht zuzugestehen?

Eine Frau unter Philosophen:
„Ich werde dich nur heiraten, wenn man mir die Freiheit lässt, zu studieren und zu forschen.“

Fast 1300 Jahre später lebte in Bologna Laura Bassi. 1732 wurde sie als erste Frau weltweit Doktorin der Philosophie. Sie forschte über Physik, Mechanik und Aufklärungstheorien – und trotzdem wurde ihre Arbeit oft als ihr „Hobby“ abgetan. Bassi brach die Regeln ihrer Zeit, doch wurde sie in ihrer Arbeit stark eingeschränkt. Sie durfte forschen, aber nicht zu viel. Sie durfte lehren, aber nur, wenn sie die Dominanz ihrer männlichen Kollegen nicht infrage stellte. Wie viele weitere Frauen mussten ihre Genialität auf diese Weise zähmen? Wie viel Wissen blieb dadurch ungenutzt?

Die Mutter des Science-Fiction:
„Hüte dich, denn ich bin furchtlos und daher mächtig.“

Im 19. Jahrhundert, als Frauen eher als Musen statt Schöpferinnen galten, schrieb die 18-jährige Mary Shelley ein Werk, das die Literatur revolutionierte: „Frankenstein“. Es war eine philosophische Reflexion über Macht und Verantwortung – erschreckend aktuell in seiner Vision. Doch viele Kritiker zweifelten daran, dass eine junge Frau so etwas geschaffen haben könnte, und schrieben das Werk ihrem Ehemann zu. Warum wird Genialität von Frauen als Ausnahme betrachtet, für Männer jedoch als Selbstverständlichkeit?

Die Mutter der Kernspaltung:
„Das Leben muss nicht leicht sein, solange es nicht leer ist.“

Im 20. Jahrhundert revolutionierte Lise Meitner die Physik. Sie arbeitete an der Entdeckung der Kernspaltung, einem Meilenstein der Wissenschaft. Doch als der Nobelpreis vergeben wurde, ging er an ihren Kollegen Otto Hahn – Meitners Beitrag wurde ignoriert. Meitner war nicht nur genial, sondern auch mutig. Sie lehnte es ab, an der Entwicklung der Atombombe mitzuwirken. Warum wurde noch eine Frau, die wissenschaftlichen und moralischen Beitrag leistete, übersehen?

Die Schauspielerin, die die Moderne erfand:
„Jedes Mädchen kann glamourös aussehen, dazu muss es nur stillstehen und dumm gucken.“

Hedy Lamarr war mehr als ein Hollywood-Star. Während sie Filme drehte, erfand sie zusammen mit dem Komponisten George Antheil das Frequency-Hopping, die Grundlage für Technologien wie WLAN und Bluetooth. Auch ihre Genialität wurde nicht erkannt. Ihr Patent verfiel, ihre Leistungen wurden übersehen. Erst Jahrzehnte später ehrte man sie als „Lady Bluetooth“. Warum reduziert die Gesellschaft Frauen auf ihr Äußeres, selbst wenn sie die Zukunft erfinden?

Die Frau hinter der DNA:
„Wissenschaft und Alltag können und sollten nicht voneinander getrennt werden.“

Ohne Rosalind Franklin wäre die DNA-Doppelhelix womöglich nie entdeckt worden. Ihre Röntgenbilder waren der Schlüssel – doch Watson und Crick erhielten den Nobelpreis, während Franklins Beitrag verschwiegen wurde. Die DNA, das Symbol des Lebens, steht ironischerweise für das Versagen der Wissenschaft, Frauen zu würdigen. Wie oft wurde Wissen gestohlen, weil es von einer Frau kam?

Die Mathematikerin hinter den Sternen:
„Mädchen können alles tun, was Männer auch können. Manchmal haben sie mehr Fantasie als Männer.“

Die Flugbahnen der NASA-Missionen – von den Mercury-Flügen bis hin zu Apollo 11 – waren das Werk von Katherine Johnson, einer afroamerikanischen Mathematikerin. Sie musste gegen doppelte Diskriminierung kämpfen: als Frau und als Schwarze. Erst der Film Hidden Figures brachte ihre Leistung ins Rampenlicht. Wie viele solcher Geschichten gibt es noch, die nicht erzählt wurden?

Eine Psychologin für Menschen:
„Ein rassistisches System zerstört und schädigt unweigerlich die Menschen; es verroht und entmenschlicht sie, Schwarze wie Weiße gleichermaßen.“

Die bahnbrechenden Studien von Mamie Phipps Clark zur Diskriminierung Schwarzer Kinder legten die Grundlage für die Aufhebung der Rassentrennung in den USA. Doch wie so oft wurde ihre Arbeit ihrem Mann zugeschrieben. Warum wird weibliche Intelligenz in Partnerschaften immer wieder in den Hintergrund gedrängt?

Die Stimme gegen das Vergessen:
„Es gibt ein Wort, das süßer ist als Mutter, Heimat oder Himmel. Dieses Wort ist Freiheit.“

1870 schrieb die Soziologin Matilda Joslyn Gage ihr Essay „Woman as Inventor.“ und kritisierte darin, wie weibliche Leistungen systematisch ignoriert werden. Sie sprach davon, wie Frauen trotz massiver Hürden bedeutende Beiträge leisteten – nur um dann von der Geschichte vergessen zu werden. Gage gab diesem Phänomen einen Namen: der Matilda-Effekt. Ihre Worte sind bis heute aktuell: Warum erfindet eine Gesellschaft immer wieder Gründe, Frauen kleinzureden, anstatt sie für ihre Leistungen zu feiern?

Der Kampf gegen das Vergessen ist ein Kampf für die Zukunft
Hypatia, Shelley, Franklin, Lamarr – sie alle stehen für das verschwendete Potenzial von Frauen in der Wissenschaft. Was hätten sie noch erreicht, wenn sie in einer Welt gelebt hätten, die sie unterstützt hätte, anstatt ihren Weg zu blockieren? Wie viele Hypatias, Mary Shelleys und Katherine Johnsons leben heute unter uns – und werden immer noch übersehen? Der Kampf gegen das Vergessen ist ein Kampf für die Zukunft. Wahre Gleichheit bedeutet, die Menschheit in ihrer Vollkommenheit anzuerkennen – ohne Schatten, Ignoranz oder Diskriminierung.

Herstory

Cicely Saunders, un impegno visionario

// Franca Toffol | Frauenarchiv //
Cicely Saunders © St Christopher’s Hospice
Londra, 24 luglio 1967: viene inaugurato il St Christopher’s Hospice - il primo paziente era stato ammesso già il 13 - e non è un caso che porti il nome del patrono dei viandanti. È destinato ad accogliere malati terminali e cronici nell’ultima parte del loro viaggio, secondo concetti di accudimento e cura che saranno la base filosofica e operativa delle cure palliative così come le conosciamo ora. È un posto pieno di malattia e vita: animali, piante, opere d’arte, dolci, musica e, soprattutto, un personale medico e infermieristico preparato all’attenzione e all’ascolto di chi è ricoverato. L’artefice di questa potente innovazione si chiama Cicely Saunders, una donna straordinaria che dedicherà sessant’anni della sua vita ad un progetto che ancora nessuno aveva nemmeno ipotizzato e che ne farà una figura rivoluzionaria nella storia della medicina.
Nasce nel 1918, in una agiata famiglia della borghesia londinese. Studia, indirizzandosi in un primo tempo verso scienze politiche, filosofia ed economia, ma lo scoppio della seconda guerra mondiale cambia tutto: abbandona gli studi intrapresi, prende il diploma da infermiera e comincia a lavorare in diversi ospedali, venendo direttamente a contatto con la morte, ma, soprattutto, con il dolore e la mancanza di strumenti adeguati nell’affrontarlo. Per problemi fisici è costretta, a malincuore, ad abbandonare la professione. Diventa allora assistente sociale, dedicandosi in particolar modo ai malati oncologici: dall’intenso incontro con uno di loro, David Tasma, che le lascerà in eredità 500 sterline per “una finestra”, nasce l’idea di un ospedale-casa in cui ospitare i pazienti terminali secondo un approccio olistico e integrale, con adeguate terapie del dolore e che tenga conto di ogni dimensione della persona, psicologica, spirituale, affettiva, relazionale. Ci metterà 19 anni a realizzare la sua visione – e nel frattempo non si ferma: si laurea in medicina, perché è anche una donna di scienza e a lei si deve il primo studio sistematico sulla gestione farmacologica del dolore, che farà scuola. A lei, alla sua ostinata volontà, si devono la scoperta dell’efficacia del trattamento regolare del dolore, il riconoscimento del “dolore totale” dei morenti e del potere terapeutico delle relazioni nelle cure di fine vita, la consapevolezza della dignità di chi è incurabile.

“Tu sei importante perché sei tu, e sei importante fino all’ultimo momento della tua vita. Faremo ogni cosa possibile non solo per permetterti di morire in pace, ma anche per farti vivere fino al momento della tua morte” e ancora “La sola risposta appropriata a una persona è il rispetto; un modo di vedere e ascoltare ciascuno nel pieno contesto della sua cultura e delle sue relazioni, di modo da dare a ciascuno il suo intrinseco valore”. Cicely Saunders, visionaria, muore nel 2005 nel suo ospedale.
Cicely Saunders © St Christopher’s Hospice
Franca Toffol
Archivista, fa parte del direttivo del Frauenarchiv/Archivio storico delle donne di Bolzano. Ha lavorato per molti anni nell’ambito della progettazione e gestione di progetti locali ed europei legati alle pari opportunità e all’empowerment delle donne.