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Mut zur Lücke
// Bettina Conci //
„Und, was ist dein Pronomen?“ Was in englischsprachigen Ländern durchaus als woker Small Talk gilt, mutet im Südtiroler Raum noch etwas exotisch an. Deutschlehrer*innen allerorts klatschen zwar verzückt in die Hände, weil endlich bis in die letzte Hinterbank durchgedrungen ist, welcher Wortart denn nun „ich, du, er/sie/es, wir, ihr, sie“ zuzuordnen sind, Ottilie Normalverbraucherin runzelt zunächst aber einmal fragend die Stirn.
Worte formen unser Denken. Nicht vergessen: Das gilt auch umgekehrt. © 2 Nick Fewings/Unsplash
Während die Notwendigkeit eines kreativen Gebrauchs der Fürwörter für nichtbinäre Personen schnell erklärt ist und durchaus ihre Daseinsberechtigung hat in der allgegenwärtigen Diskussion um sprachliche Gender correctness, zieht diese Neuheit einen Rattenschwanz nach sich, der uns vor die Frage stellt: Wer soll sich das antun?
Und vielleicht kommt es darauf auch gar nicht an, und man sollte sich einer geschlechtergerechten Sprache Schritt für Schritt, Sternchen um Sternchen, und vor allem: mit viel Feingefühl nähern, bevor man die Inklusion aller möglichen und unmöglich scheinenden Geschlechteridentitäten anstrebt. Will heißen: das Gegenüber einfach mal fragen, wie es denn nun angesprochen werden möchte.
Krome: „Man kann sprachliche Änderungen nicht einfach aufoktroyieren.“
Das Problem: Es gibt eben nicht nur sechs mickrige Personalpronomen (plus eventuelle kreative Wortneuschöpfungen wie das aus dem Schwedischen übernommene „hen“, das wiederum vom finnischen „hän“ abgeleitet ist und alle meint, die sich keinem der beiden bisher gebräuchlichen Geschlechter zuordnen lassen), sondern eine Unzahl anderer Anstatt-Wörter. Diese alle korrekt zu gendern, führt zu einer Fülle an Wortneuschöpfungen, die erst einmal ihren Einlass in die Alltagssprache finden müssen. Theorie ist eine Sache, die Praxis eine andere. Denn: „Man kann sprachliche Änderungen nicht einfach aufoktroyieren“, wie Sabine Krome, Leiterin der Geschäftsstelle des Rats für deutsche Rechtschreibung im Juni 2021 auf ORF.at verlauten ließ. Sprache ist fließend, entwickelt sich mit ihren Sprecher*innen und etabliert sich erst mit ihrem Gebrauch durch die Mehrheit der Bevölkerung. Ein Umstand, der in weiter Ferne ist, wenn man sich die Statistiken zur Bereitschaft, eine geschlechtergerechte Sprache zu verwenden, ansieht (in Österreich sind es 20 Prozent, in Deutschland 24).
Vielleicht sollte man sich einer geschlechter–gerechten Sprache mit viel Feingefühl nähern.
Immerhin: Der Duden verzeichnet einen Zuwachs an genderneutralen Formulierungen, Tendenz steigend. Ist die „Männersprache“ (sic!) Deutsch gar nicht so schlimm wie ihr Ruf? (Spoiler: Doch. Ist sie.) Zeit-Kolumnist Harald Martenstein, dem man nun wirklich nicht vorwerfen kann, ein Feminist zu sein, tätigte in einem Radiointerview im September vergangenen Jahres eine Aussage, über die nachzudenken sich aber für alle lohnt: Sprache dient dazu, die Wirklichkeit alltagstauglich zu vereinfachen. Fraglich, ob Fantasiepronomen wie „ens“, „sier“, „zier“ oder „x“ dieser Sache dienen.Und vielleicht kommt es darauf auch gar nicht an, und man sollte sich einer geschlechtergerechten Sprache Schritt für Schritt, Sternchen um Sternchen, und vor allem: mit viel Feingefühl nähern, bevor man die Inklusion aller möglichen und unmöglich scheinenden Geschlechteridentitäten anstrebt. Will heißen: das Gegenüber einfach mal fragen, wie es denn nun angesprochen werden möchte.