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Kommentar – Die Klimakrise ist nicht geschlechtsneutral
// Sabina Drescher //
Wenn wir an die Zukunft denken, hoffen wir auf eine intakte Umwelt. Doch angesichts der Klimakrise braucht es dazu einiges an Optimismus. Warum es ohne Feminismus kaum möglich ist, sie zu bekämpfen.
Vor allem Frauen des Globalen Südens sind von den Auswirkungen der Klimakrise betroffen. © Unsplash/Annie Spratt
„Feminismus gibt selten Antworten. Feminismus lädt zum Denken ein. Er lädt uns dazu ein, groß zu denken, utopisch“, brachte es Teresa Bücker, ehemalige Chefredakteurin des Onlinemagazins Edition F, in ihrer Vorlesung über eine feministische Zukunft an der Universität Bonn im vergangenen Jahr auf den Punkt. Nachzudenken hätten wir über vieles. Besonders dringlich erscheint allerdings die Klimakrise, die zwar ein kollektives Problem ist, sich aber nicht ohne den Geschlechteraspekt diskutieren lässt. Nicht alle tragen nämlich gleichermaßen zur Klimakrise bei. Einer Studie zufolge haben Männer einen um 16 Prozent größeren CO2-Fußabdruck als Frauen. Und die obersten ein Prozent der Einkommensbezieher*innen weltweit, die überwiegend männlich sind, sind für mehr Kohlenstoffemissionen verantwortlich als die unteren 50 Prozent. In absoluten Zahlen sind das etwa 70 Millionen Menschen an der Spitze gegenüber 3,5 Milliarden am unteren Ende.
Frauen und Mädchen stärker betroffen
Dennoch sind es Frauen und Mädchen, die weltweit besonders stark unter den Auswirkungen der Klimakrise leiden. Besonders verheerend ist das in ländlichen Regionen des Globalen Südens. So sterben meist mehr Frauen bei Naturkatastrophen, die sich durch die Klimakrise häufen, als Männer. Beim Tsunami 2004 in Südostasien kamen einem Bericht von Oxfam zufolge etwa viermal so viele Frauen wie Männer ums Leben. In zahlreichen Fällen erreichten Warnungen sie zu spät. Da sie sich häufig um die Familie kümmerten, waren sie auch für die Rettung anderer verantwortlich. Wenn Menschen in Folge von Wetterextremen in Armut geraten, sind es meist die Töchter, die aus der Schule genommen werden und denen Bildung verwehrt bleibt. Zudem ist weit mehr als die Hälfte der durch den Klimawandel vertriebenen Menschen weiblich, um nur eine weitere negative Folge für Frauen und Mädchen zu nennen. Das Geschlecht ist dabei nur einer von verschiedenen Faktoren, die Diskriminierung und Benachteiligung verstärken.
Männer entscheiden über Lösungen
Doch nicht nur die Ursachen und Auswirkungen der Klimakrise sind patriarchal geprägt, sondern auch ihre Lösung. An den entscheidenden Verhandlungstischen Platz nehmen dürfen einmal mehr hauptsächlich Männer. Entscheidungen werden für Frauen getroffen, nicht mit ihnen. Das wirkt sich auch negativ auf die Vielfalt und Wirksamkeit der Lösungsansätze aus. Wer Klimaprobleme lösen will, muss jedoch Wege finden, an denen alle Menschen teilhaben können. Dafür setzen sich bereits heute zahlreiche Aktivistinnen ein. Die aktuelle Klimaschutzbewegung wird von Mädchen und Frauen geprägt. Greta Thunberg ist ihr bekanntestes Gesicht. Ihr Kampf für das Klima, Umweltschutz und gerechten Zugang zu Ressourcen ist derselbe Kampf wie für Geschlechtergerechtigkeit. Er nimmt nur verschiedene Formen an. Wenn Feminismus, wie Teresa Bücker anregt, groß denken soll, so muss er an eine geschlechtergerechte Klimapolitik denken, die die Vielfalt aller Menschen miteinbezieht. Davon profitieren wir alle.