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Den Frauen die halbe Welt
// Bettina Conci //
Die Meraner SVP-Politikerin vertritt Südtirol seit 2018 im italienischen Senat und kämpft als ehemalige Präsidentin des Landesbeirates für Chancengleichheit und auf Familien- und Scheidungsrecht spezialisierte Rechtsanwältin für die Gleichstellung der Frauen. Ihre Tochter aus der Ehe mit Karl Zeller kandidiert bei den anstehenden Gemeinderatswahlen in Meran für das Amt der Bürgermeisterin.
„Den Männern die halbe Familie, den Frauen die halbe Welt.“ Julia Unterbergers Losung für eine erfolgreiche Gleichstellung der Geschlechter. © Andreas Marini
ëres: Frau Unterberger, gibt es noch Gender-Ungerechtigkeiten, die Sie vor Wut so richtig auf die Palme bringen?
Julia Unterberger: Ja, natürlich gibt es die. Vor allem, wenn ich sehe, was mit den Frauen in Afghanistan passiert, erfüllt mich das mit ohnmächtiger Wut.
Politiker*innen haben derzeit einen schweren Stand, nicht nur in Südtirol. Warum sind Sie ursprünglich Politikerin geworden? Würden Sie diese Wahl heute nochmal genauso treffen?
Ich bin über die Frauenpolitik in die Politik gekommen. Da ich als Beiratspräsidentin eine große Bekanntheit erlangt hatte, bin ich beim ersten Anlauf in den Landtag gewählt worden. Ich denke, ich würde denselben Weg noch einmal gehen.
Liberal, radikal, transformativ, öko oder queer: Feminismus gibt es heute in vielen Varianten. Wie definieren Sie Feminismus für sich?
Eine Feministin oder auch ein Feminist ist für mich jemand, die/der die subtilen Abwertungs- und Unterdrückungsmechanismen in unserer Gesellschaft erkennt, auf sie aufmerksam macht und sie bekämpft, damit eine echte Gleichstellung zwischen den Geschlechtern erreicht wird.
Warum gibt es so viele Jurist*innen und Lehrpersonen in der Politik?
Da es in den gewählten Gremien, wie dem Landtag oder dem Parlament, in erster Linie darum geht, Gesetze zu erlassen, haben Rechtsanwältinnen sicher einen Vorteil. Lehrpersonen erlebe ich immer als politisch sehr interessiert.In einem ëres-Vorwort von 2008 zitieren Sie Alice Schwarzer und sprechen von der Gleichstellung der Frau, die in einigen Bereichen „zügig voranschreitet“. Was geht in Ihnen vor, wenn Sie sich diese Zeilen heute durchlesen? Hat sich Ihre Sichtweise durch die Erfahrungen der letzten 13 Jahre geändert? Wenn ja, inwiefern?
In vielen Bereichen schreitet die Gleichstellung tatsächlich zügig voran, vor allem dort, wo bei der Besetzung einer Position die Kompetenz zählt, wie z.B. bei den Richterstellen. Weniger zügig geht es dort voran, wo die Bestellungsmechanismen intransparent sind und Seilschaften mehr zählen als Kompetenz.
Wie kommen wir Frauen aus dem Fünfziger-Jahre-Hausfrauenszenario, in das uns die Pandemie katapultiert zu haben scheint, wieder heraus? Wie kann die Politik dazu beitragen?
Ich hoffe, dass das nur ein kurzfristiges Pandemie-Intermezzo war und dass Frauen immer entschiedener auf eine gute Ausbildung und ökonomische Unabhängigkeit setzen. Die Politik muss Rahmenbedingungen, z.B. Kinderbetreuungseinrichtungen, schaffen, aber auch Anreize für eine größere Beteiligung der Männer an der Familienarbeit setzen. „Den Männern die halbe Familie, den Frauen die halbe Welt“ ist ein treffender feministischer Slogan.