Role Models | Der ëres-Fragebogen

Evelyn Regner

// Bettina Conci //
Die Wiener Juristin, SPÖ-Politikerin und Europa-Parlamentsabgeordnete ist seit 2019 Vorsitzende des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter (FEMM). Die Mutter von zwei Kindern ist außerdem Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Währung (ECON) und stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten (EMPL) und dem Steuerausschuss (FISC).
© Thomas Peintinger
Wie definierst du Feminismus? Hat sich dein Bild vom Feminismus im Laufe der Zeit verändert?
Feminismus bedeutet für mich nichts anderes als der Kampf für ein besseres Leben für alle. Und das ist möglich! Als Feministin in der Europäischen Union kämpfe ich dafür, dass wir mit der europäischen Frauenpolitik im 21. Jahrhundert ankommen. Mein feministischer Blick und daher auch mein Bild vom Feminismus, oder Feminismen verändert sich dabei ständig durch die Geschichten, die ich von vielen verschiedenen Frauen in ganz Europa hören darf. Eins haben wird jedoch alle gemeinsam: Wir wollen eine gerechtere Welt!
Als Vorsitzende des Frauenausschusses im EU-Parlament ist bei mir daher jeder Tag Weltfrauenkampftag!
Was ist der größte Unterschied zwischen Mann und Frau?
Bis heute liegt einer der größten Unterschiede bei den Chancen und Hürden im Alltag. Aber auch in der Arbeit wie bei der fairen Entlohnung. Geht es in einem solchen Schneckentempo weiter, wird die Lohnschere noch mindestens vierzig Jahre ein Problem sein. Außerdem sehen wir in Österreich, wie die hohe Teilzeitquote bei Frauen Altersarmut befeuert. Das muss geändert werden: mit einem solidarischen und gleichberechtigten Europa! Denn es geht um die Veränderung der Struktur, die diese Unterschiede erzeugt. Unterschiede für die Hälfte der Bevölkerung.
Hast du in deinem Beruf Benachteiligung erlebt, weil du eine Frau bist?
Als Frau in der Politik braucht man eine dicke Haut: Hassnachrichten, abfällige und sexualisierte Kommentare oder auch einfach nicht ernst genommen zu werden. Alles Dinge, die allen Frauen in der Öffentlichkeit sicher schon passiert sind. Es handelt sich schließlich um ein systemisches Problem.
Was beschäftigt dich gerade?
Mich beschäftigt besonders, wie die Pandemie bestehende Ungleichheiten verstärkt. Für mich ist klar: Frauen sind die Heldinnen der Coronakrise und müssen dafür auch belohnt werden. Klatschen reicht nicht. Deshalb setze ich mich für eine europäische Antwort auf diese großen Probleme ein: Gleiches Gehalt für gleiche oder gleichwertige Arbeit, faire Verteilung der Betreuungsarbeit und des Haushalts, Gewaltschutz, und dass sowohl Länder, als auch Unternehmen genau dafür Verantwortung übernehmen.
Wer beeindruckt dich besonders? Politisch? Persönlich?
Politisch beeindruckt mich besonders die neuseeländische Premierminister Jacinda Ardern. Mit ihrem Erfolgsrezept einem Budget des Wohlbefindens (und nicht des ständigen Wirtschaftswachstumes) führt sie die Menschen in Neuseeland in die Zukunft. Ich treffe jeden Tag Held*innen, die für eine gerechtere Welt kämpfen und genau diese Zukunft möglich machen. Das beeindruckt mich und stimmt mich optimistisch!
Welche Botschaft hast du an die Frauen und Männer, die behaupten, Feminismus sei nicht nötig?
Feminismus setzt sich für ein besseres Leben für alle ein. Davon profitieren sowohl Männer als auch Frauen! Wir können uns heute eine Welt vorstellen, in der zuallererst nicht das Geschlecht, sondern der Mensch zählt: Das haben Feministische Bewegungen für uns erreicht. Und deswegen bin ich Feministin.

Editorial

Zum Jubiläum blicken wir zurück

Man soll die Feste eigentlich feiern, wie sie fallen, hieß es immer, doch seit Ausbruch der Pandemie ist bekanntermaßen alles ein wenig anders: Hochzeiten wurden verschoben, Großveranstaltungen wie die Fußball-EM (die heuer dennoch als Euro 2020 ausgetragen wurde) – und eben auch runde Geburtstage, wie der 30. des Landesbeirats für Chancengleichheit für Frauen, der 1990 eingerichtet wurde.
Zum Jubiläum blicken wir zurück und fragen, was sich getan hat, geben zugleich aber Platz für Gegenwärtiges und Zukünftiges.
Erstmals finden Sie in dieser Ausgabe außerdem ein viel diskutiertes typografisches Zeichen, den Asterisk, in seiner Verwendung als Gendersternchen. Die Debatte darüber, ob und wie wir gendern sollen, wird bekanntlich emotional geführt. Wissenschaftliche Argumente werden dabei oft beiseitegelassen. Klar ist, dass Gendern deutliche Effekte haben kann. Wie wir gendern, muss sich von alleine finden, doch irgendwie müssen wir beginnen. Wenn nicht jetzt, wann dann?
Ich wünsche Ihnen eine angenehme Lektüre.
Sabina Drescher, Chefredakteurin