Speak
Sprache schafft Wirklichkeit – Vielfalt statt Gleichschaltung
// Bettina Conci //
Der Verein der Neuen deutschen Medienmacher*innen in Deutschland setzt sich für mehr Diversität in den Medien ein, was die personelle Besetzung, die Themen und die Sprache betrifft. Höchste Zeit, dass auch in Südtirol etwas in Sachen Qualitätsjournalismus unternommen wird.
© Mikelya Fournier / Unsplash
Sheila Mysorekar ist eine energische Frau, die sich mit großer Leidenschaft, klaren Worten und unverkennbar rheinländischem Humor für vielfältige(re) Medien einsetzt. Die indodeutsche Journalistin arbeitet als Beraterin für konfliktsensiblen Journalismus für die Deutsche Welle Akademie. In ihrer Eigenschaft als Vorstandsmitglied der Neuen deutschen Medienmacher*innen informierte sie dieses Jahr in einem Workshop über „Medien und schwarze Perspektiven“ – weil die Veranstaltung in Innsbruck stattfand, nicht nur wie gewohnt am Beispiel Deutschlands, sondern diesmal auch bezugnehmend auf Österreich. Für Südtiroler Ohren klangen die Mechanismen, was Berichterstattung in den Medien angeht, allerdings bisweilen schmerzlich vertraut.
Medienmacher*innen, so der Verband Freier Rundfunk Österreich in einer Informationsbroschüre, die als Denkanstoß gesehen werden kann, sollten sich folgende Fragen stellen: Gebe ich Menschen Raum, die aus anderen Lebensrealitäten als meiner eigenen kommen? Erwähne ich Kinder und Aussehen bei Frauen, lasse diese Information bei Männern aber weg? Bin ich versucht, nicht-weiße Menschen zu fragen, woher sie kommen? Verwende ich den männlichen Plural und irritiert es mich, wenn nicht klar erkennbar ist, ob ein Mann oder eine Frau spricht? Kommen Menschen mit Armutserfahrung oder Behinderung als Expert*innen zu Wort?
Bei der diesjährigen Summer School Ende August auf Schloss Velthurns sprach auch Irene Kacandes, die an der US-amerikanischen Dartmouth-Universität German Studies und Komparatistik lehrt, vom Konzept des sogenannten „Co-Witnessing“ (Mit-Bezeugens), das es Nicht-Betroffenen erlaubt, gegen Ungleichheit im Sprachgebrauch und darüber hinaus tätig zu werden, ohne sich dem Vorwurf ausgesetzt zu sehen, einen Kampf ausfechten zu wollen, der nicht der ihre ist.
Auch Geschlechtergerechtigkeit ist noch längst keine Selbstverständlichkeit – weshalb die BBC mit ihrem Programm 50:50 den Frauenanteil untersuchte: nicht nur in den Redaktionen, sondern auch in Interviews und in den Fotos. Allein dadurch stieg die Zahl der Frauen in den Sendungen. Nachdem das Projekt zwei Jahre gelaufen war, hatte sich die Zahl der weiblichen jüngeren Zuschauerinnen um über ein Drittel gesteigert, weil sie sich mehr angesprochen fühlten. Eine Idee, die auch auf Südtirols Medienlandschaft angewandt interessant wäre.
Sprache ist ein lebendiges Konstrukt (sehr zum Missfallen einiger Dinos aus der Anti-Gendering-Ecke). Eine moderne Sprache nimmt jedoch nicht nur Rücksicht auf unter- oder schlicht falsch repräsentierte Geschlechter, sondern sollte im Jahr 2022 auch frei von kolonialistischen, rassistischen und antisemitischen Konnotationen sein. Dass dem noch nicht so ist (vor allem in Südtirol, wo wir bekanntermaßen noch einige andere sprachliche Baustellen und Sprachgruppenstereotype haben), ist zwar etwas beschämend, aber ein lösbares Problem.
Die Fragen, die wir uns stellen sollen
Als Beispiele für einseitige, suggestive Berichterstattung führte sie unter anderem an: „Menschen mit Migrationshintergrund“ (jede*r vierte Österreicher*in) vs. „die Bevölkerung“ (wer ist dieses „wir“, wenn Medien davon reden? Gehören nicht alle dazu? Wenn nicht, wer wird ausgeschlossen?), „südländisches Aussehen“, „Menschen ausländischer Herkunft“ usw. Reduziert sich die sprachliche Reichweite zu stark auf das WIR gegen DIE, können Medien durchaus de-eskalierend wirken, so die Journalistin. Es ist die Entscheidung der Medienmacher*innen, der Journalist*innen, ob sie antirassistisch agieren wollen. Dazu ist es wichtig, Beteiligte und Betroffene zu Wort kommen zu lassen, gut zu recherchieren – und zu vermeiden, Rechtsradikalen und Rassisten eine Stimme zu geben.Medienmacher*innen, so der Verband Freier Rundfunk Österreich in einer Informationsbroschüre, die als Denkanstoß gesehen werden kann, sollten sich folgende Fragen stellen: Gebe ich Menschen Raum, die aus anderen Lebensrealitäten als meiner eigenen kommen? Erwähne ich Kinder und Aussehen bei Frauen, lasse diese Information bei Männern aber weg? Bin ich versucht, nicht-weiße Menschen zu fragen, woher sie kommen? Verwende ich den männlichen Plural und irritiert es mich, wenn nicht klar erkennbar ist, ob ein Mann oder eine Frau spricht? Kommen Menschen mit Armutserfahrung oder Behinderung als Expert*innen zu Wort?
Verbündete, die mitbezeugen
Nun ist das Problem in Südtirol (aber nicht nur dort), dass wir gar nicht so viele Menschen finden, die direkt von Rassismus, Diskriminierung und Ausgrenzung betroffen sind, um als Experten zu diesen Themen befragt zu werden. Hier ist guter Rat teuer, und Menschen wie die Politologin und Journalistin Hadija Haruna-Oelker haben auch eine Lösung parat: Es müssen gar nicht immer nur die sprechen, die direkt betroffen sind. Das Konzept des/der Verbündeten (engl. „Ally“) hält auch im deutschsprachigen Raum zunehmend Einzug. Menschen, die ein Bewusstsein für etwas entwickeln, von dem sie nicht direkt betroffen sind, sich mit dem Thema Diversität auseinandersetzen und es ernst nehmen, können dieses neu erworbene Wissen und diese Erfahrung weitergeben und somit ihren Teil leisten, um die Welt etwas gerechter zu machen.Bei der diesjährigen Summer School Ende August auf Schloss Velthurns sprach auch Irene Kacandes, die an der US-amerikanischen Dartmouth-Universität German Studies und Komparatistik lehrt, vom Konzept des sogenannten „Co-Witnessing“ (Mit-Bezeugens), das es Nicht-Betroffenen erlaubt, gegen Ungleichheit im Sprachgebrauch und darüber hinaus tätig zu werden, ohne sich dem Vorwurf ausgesetzt zu sehen, einen Kampf ausfechten zu wollen, der nicht der ihre ist.
Ein Appell an die Redaktionen
Um Diversität ernst zu nehmen, bedarf es einer Strategie. Das beginnt bei der Personalauswahl. Im Bemühen, Menschen für eine journalistische Tätigkeit zu rekrutieren, heißt das Zauberwort Mehrdimensionalität. Das beginnt bei der gendersensiblen Anrede (m/w, *, Binnen-I) und gilt auf jeder Ebene der Berufswelt. Praktikant*innen müssen bezahlt werden, dann kriegt man auch solche aus Arbeiterfamilien und ihre wertvolle Perspektive. So wird ein neues „Wir“-Gefühl geschaffen, eine neue Normalität, die von den Redaktionen ausgeht und in jeden Winkel gesellschaftlichen Lebens ausstrahlt.Auch Geschlechtergerechtigkeit ist noch längst keine Selbstverständlichkeit – weshalb die BBC mit ihrem Programm 50:50 den Frauenanteil untersuchte: nicht nur in den Redaktionen, sondern auch in Interviews und in den Fotos. Allein dadurch stieg die Zahl der Frauen in den Sendungen. Nachdem das Projekt zwei Jahre gelaufen war, hatte sich die Zahl der weiblichen jüngeren Zuschauerinnen um über ein Drittel gesteigert, weil sie sich mehr angesprochen fühlten. Eine Idee, die auch auf Südtirols Medienlandschaft angewandt interessant wäre.
Sprache ist ein lebendiges Konstrukt (sehr zum Missfallen einiger Dinos aus der Anti-Gendering-Ecke). Eine moderne Sprache nimmt jedoch nicht nur Rücksicht auf unter- oder schlicht falsch repräsentierte Geschlechter, sondern sollte im Jahr 2022 auch frei von kolonialistischen, rassistischen und antisemitischen Konnotationen sein. Dass dem noch nicht so ist (vor allem in Südtirol, wo wir bekanntermaßen noch einige andere sprachliche Baustellen und Sprachgruppenstereotype haben), ist zwar etwas beschämend, aber ein lösbares Problem.