Landesbeirat für Chancengleichheit

Gewalt

// Maria Pichler //
Mehr als Mord, Schläge und Vergewaltigung
Wer über Gewalt an Frauen spricht, denkt meist an die Spitzen eines Eisbergs, an die unsäglichen Formen der körperlichen Gewalt bis hin zum Femizid, die leider immer noch tief in unserer patriarchalen Gesellschaft verankert sind. Mit der Kampagne „Südtirol schaut hin“ machen der Landesbeirat für Chancengleichheit für Frauen und das Frauenbüro in Zusammenarbeit mit der Landesabteilung für Presse und Kommunikation und dem Territorialen Netzwerk gegen Gewalt zum diesjährigen Tag gegen Gewalt an Frauen am 25. November auf weniger bekannte Formen der Gewalt an Frauen aufmerksam, die oft erst gar nicht als „Gewalt“ erkannt werden.
Sexistische Sprache und sexistischer Humor, sexuelle Objektivierung in den Medien, Erziehung zu stereotypen Geschlechterrollen, Victim blaming bzw. Schuldzuweisung an das Opfer und Catcalling oder sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum: das sind Formen der Gewalt gegen Frauen, die in der Gesellschaft oft nicht als solche wahrgenommen werden. Zum diesjährigen Tag gegen Gewalt an Frauen rufen der Landesbeirat für Chancengleichheit für Frauen und das Frauenbüro und mit ihnen eine Vielzahl an Vereinigungen und Organisationen landesweit mit verschiedenen Aktionen dazu auf, diese versteckten Formen der Gewalt zu erkennen und zu hinterfragen, sprich genau hinzuschauen und nicht schweigend zuzuschauen.
Die Informationskampagne dauert vom 18. November bis zum Tag der Menschenrechte am 10. Dezember und rückt die fünf obgenannten Formen von Gewalt in den Mittelpunkt. Informationen gibt es on- und offline. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei den sozialen Kanälen wie TikTok und Instagram, über die vor allem junge Menschen – Mädchen wie Jungen – erreicht, sensibilisiert und gestärkt werden sollen. Wie verschiedene kurze Videobeiträge aufzeigen werden, werden sexistische und diskriminierende Aussagen oft gar nicht als solche wahrgenommen. Tief verankert, vermeintlich „normal“, in der Gesellschaft verharmlost tragen sie aber dennoch subtil zu einer Kultur der Vorurteile, der Stereotype, der Respektlosigkeit und der Entwürdigung gegenüber und von Frauen bei – und damit stützt ein solches allgegenwärtiges „Grundrauschen“ zweifelsohne die sichtbare Spitze des patriarchalen Eisbergs.
Detaillierte Informationen zur diesjährigen Kampagne und das Material zur Gestaltung von Aktionen und Initiativen vor Ort finden sich unter www.gegengewalt.bz.it

Around the World

Frankreich: „Die Scham muss die Seiten wechseln“

// Hannah Lechner //
Pelicot: „Die Scham muss die Seiten wechseln“ © shutterstock
Gisèle Pelicot steht in Avignon in Südfrankreich aktuell im Zentrum eines Gerichtsprozesses, der weit über die Landesgrenzen hinaus Schlagzeilen macht und viele Fragen rund um sexualisierte Gewalt innerhalb des eigenen sozialen Umfelds aufwirft. Pelicot wurde über knapp zehn Jahre immer wieder von ihrem Ex-Mann, von dem sie inzwischen geschieden ist, betäubt und von ihm sowie von sehr vielen weiteren Männern vergewaltigt. Die Entscheidung, den Prozess öffentlich zu führen, macht die 72-Jährige in Frankreich und darüber hinaus aktuell zur Ikone im Kampf gegen sexualisierte Gewalt: Sie fordert, dass die Welt erfährt, was ihr angetan wurde und will damit Opfern eine Stimme geben, anstatt die Täter durch Schweigen weiter zu legitimieren. „Denn“, so drückt es Pelicots Anwalt kurz nach dem Prozessauftakt aus, „die Scham muss die Seiten wechseln.“ Zu hoffen bleibt, dass der aktuelle Aufschrei und die Welle der Solidarität, die mit dem Prozess einhergehen, den Weg für systematische Veränderungen ebnen und etwa Reformen der Gesetzgebung in Bezug auf sexualisierte Gewalt anstoßen.