Sei servita - Das Bild der Frau in der Werbung

DALL·E: „Generiere mir eine Frau auf einem Laufsteg“

// Kathinka Enderle //
Ich gab DALL·E, einer künstlichen Intelligenz (KI), die Aufgabe, ein Bild einer Frau auf dem Laufsteg zu erstellen. Das Ergebnis war das, was ich erwartet hatte – und das, was mich erschreckte.
„Generiere eine Frau auf dem Laufsteg“
Die „Idealform“ der Weiblichkeit?
Die KI-erstellte Frau ist makellos. Ihr Körper, dünn und grazil, wird in einem engen Jumpsuit gezeigt. Das Make-up ist intensiv, die Lippen voll, das Haar glänzt. Es ist ein Bild der Weiblichkeit, das Jahrzehnte lang in Medien gezeigt wird. Und leider ein Bild, welches als Schönheitsideal gilt. DALL·E hatte mir diese „Idealform“ der Weiblichkeit erschaffen: und genau in dieser Perfektion liegt die Gefahr, die sich in den Strukturen unserer Gesellschaft zeigt.

Ein unerreichbarer Maßstab
Psychologisch gesehen ist der Mensch zutiefst empfänglich für visuelle Reize. Menschen vergleichen und messen sich an den Bildern, die ihnen gezeigt werden. Das beeinflusst nicht nur den Blick auf sich und andere, sondern auch, wie das eigene Selbst wahrgenommen wird. Was passiert, wenn dieses Ideal, das ich in Bildform vorgeschlagen bekam, als Maßstab für Frauen genommen wird? Was, wenn Frauen sich mit einer unerreichbar perfekten Version messen?

Kollision zwischen Realität und Ideal
DALL·E hat nichts anderes getan, als die verzerrte Realität zu spiegeln, die ihr von ihren Entwickler*- und Nutzer*innen beigebracht wird. Was geschieht mit denen, deren Körper nicht zu diesem Ideal passen? Werden sie unsichtbar oder sind sie weniger wert? Und was passiert mit der Psyche, wenn man sich mit einem nicht-realen Bild misst?



„Generiere eine Frau auf einem Laufsteg und stelle die Frau mehr als nur ein Objekt der Begierde, sondern als einen komplexen, vielfältigen Menschen dar.“

Aufgabe: Stelle die Frau als mehr als nur ein Objekt der Begierde dar
Die Künstliche Intelligenz zeigt, was ihr beigebracht wurde. Aber ist das wirklich eine wahre Reflexion der Menschlichkeit? Oder ist es nur das verzerrte Bild einer Welt, die von Stereotypen durchzogen ist? Deshalb gab ich als nächstes DALL·E einen neuen Auftrag, eine weitere Frau zu kreieren, diesmal vielfältiger. Auch dieses Ergebnis war schockierend: eine Frau in Unterwäsche, deren Rippen hervorstachen – wiederum eine „perfekte“ Darstellung, die in ihrer sogenannten Perfektion noch weiter von der Realität entfernt ist. Sollen oder vielmehr müssen wir die KI als Herausforderung sehen, unser Verständnis von Schönheit und Norm zu hinterfragen?

Fragen über Fragen
Künstliche Intelligenz hat das Potenzial, unsere Wahrnehmung zu verändern – aber wer bestimmt die Bilder, die wir sehen? Und wer legt die Realität fest, die wir uns selbst dadurch aufzwingen? Was wäre, wenn wir Technologie nutzen könnten, um die Vielfalt der Menschlichkeit zu zeigen, statt sie weiter einzuengen? Können wir lernen, Unvollkommenheit zu akzeptieren und Schönheit in ihrer Vielfalt zu sehen? Welche Möglichkeiten entstehen dann? Was, wenn wir unseren Blick von der Idealform lösen und uns der Realität zuwenden – einer Realität voller Schönheit und Menschlichkeit? Wie schön wäre die Welt dann?

Liebe Gesellschaft

ich wünsche mir …

// Kathinka Enderle //
Dieser Wunschzettel richtet sich nicht an das Christkind oder das neue Jahr, sondern an unsere Gesellschaft. Denn die Veränderungen, die ich mir wünsche, brauchen keine Magie – sie brauchen Einsicht, Engagement und Mut.
© freepik

Ich wünsche mir …
Unsere Gesellschaft gleicht einem Spiegel. Er reflektiert unsere Werte, unsere Prioritäten und unsere Menschlichkeit oder eben den Mangel daran. Wenn wir in diesen Spiegel schauen, sollten sich alle wohlfühlen können. Leider ist dieser aber vor langer Zeit gesprungen und es zeigen sich Brüche, die vielen unsichtbar erscheinen, solange sie nicht direkt betroffen sind. Risse ziehen sich durch seine Oberfläche und hinter den Linien erkennt man die Umrisse all derer, die in unserer Gesellschaft zu wenig Platz finden: Frauen, Kinder, Individuen, die Gewalt, Ungleichheit und Diskriminierung erleben. Ich wünsche mir, dass dieser Spiegel repariert wird. Keine bloßen Pflaster über seine Risse, sondern ein Umdenken.

… Sicherheit und Gleichheit
Erlebt eine Frau Gewalt, ist das keine Ausnahme, sondern Realität. Sie geschieht hinter verschlossenen Türen, in Beziehungen, in der Öffentlichkeit, in Strukturen, die Frauen nicht schützen, sondern verraten. Leider sprechen die Zahlen eine klare Sprache: Jede dritte Frau erlebt in ihrem Leben Gewalt. Es ist keine reine Statistik, sondern es sind Menschen, die hinter diesen Zahlen stehen. Es sind Leben, die gebrochen werden, Seelen, die von einem Umfeld im Stich gelassen werden, das Gewalt als privates Problem behandelt. Doch Gewalt ist kein individuelles Schicksal, sondern eine gesellschaftliche Verantwortung. Ich wünsche mir Sicherheit und Gleichheit für alle – und zumindest Orte, die Schutz und Würde garantieren.

… eine gewaltfreie Gesellschaft
Wenn es eine Antwort auf Gewalt gibt, dann beginnt sie in den Köpfen. Doch wie kann Bildung Veränderung bewirken, wenn sie selbst durch Gewalt geprägt ist – sei es durch die Vernachlässigung unbequemer Themen, durch das Ausklammern von Diskussionen über Machtstrukturen oder durch die Tabuisierung von Sexualität? Das Verhindern von Gewalt muss in unseren Schulen beginnen. Ich wünsche mir Bildung, die unseren Jüngsten Werkzeuge gibt, um Machtverhältnisse zu hinterfragen, Grenzen zu setzen und Empathie zu entwickeln.

… Vielfalt als unsere Essenz
Gleichstellung ist eines der großen, uneingelösten Versprechen unserer Gesellschaft. Sie bleibt unerfüllt, wenn Menschen jeden Tag um ihre Existenzberechtigung kämpfen müssen. Statt Vielfalt zu fördern, sehen wir Mauern. Dabei ist Vielfalt die Essenz unserer Menschlichkeit. Ich wünsche mir, dass wir akzeptieren, dass Gleichstellung und Vielfalt keine natürliche Entwicklung sind, sondern ein aktiver, oft unbequemer Prozess, der alte Strukturen und unsere eigene Bequemlichkeit aufbrechen muss, damit alle erblühen dürfen.

… Antworten auf einige Fragen
Die Risse in diesem Spiegel sind nicht unvermeidbar. Sie sind menschengemacht und damit veränderbar. Gewalt, Ungleichheit, Ignoranz und Passivität sind nicht die Natur des Menschen, sondern die Konsequenzen einer Gesellschaft, die verlernt hat, wirklich hinzusehen. Vielleicht beginnt Veränderung mit einem einfachen Gedanken: Was wäre, wenn wir nicht nur für uns selbst, sondern füreinander leben? Was wäre, wenn wir uns nicht von Angst, sondern von Hoffnung leiten lassen? Sind wir bereit, Verantwortung für die Risse zu übernehmen und sie gemeinsam zu heilen?