Der perfekte Körper
Körperliche Idealbilder betreffen dadurch jeden Menschen auf die ein oder andere Weise. In den sozialen Medien wird darüber immer mehr diskutiert. Dementsprechend greift auch die Forschung das Thema verstärkt auf – so wie Elisabeth Lechner, promovierte Kulturwissenschaftlerin und Autorin des Buchs Riot, don’t diet – Aufstand der widerspenstigen Körper. Sie beschäftigt sich unter anderem mit der Frage, wer bestimmt, was als schön gilt. Entscheidend für die Antwort sei, um welche Zeit es sich handelt und in welchem Kulturkreis die Frage gestellt wird, denn Schönheitsideale, erklärt Lechner, unterliegen großen historischen und regionalen Schwankungen.
Nicht toleriert würde hingegen jede Form von Behinderung, Körperbehaarung und wenn jemand nicht klar binärgeschlechtlich lesbar ist.
Wer sich dem entziehen möchte, muss mit Konsequenzen rechnen, denn Schönheit hat einen hohen Wert in unserer Gesellschaft: Wie wir aussehen entscheidet darüber, wie man uns behandelt.
Das Phänomen, dass es Menschen, die schön sind, einfacher haben im Leben, nennt sich Lookismus. „Schönheit“, sagt Lechner, „entscheidet über Lebenswege. Es gibt Studien, die belegen, dass Menschen, die als schön gelten, eine bessere Gesundheitsversorgung erhalten, leichter eine Wohnung oder Arbeit finden, eher Karriere machen.“ Doch wer bestimmt die Norm, also das, was wir als schön definieren?
Immer mehr Unternehmen achten daher auf Diversität, manche allerdings betreiben rein oberflächliche Formen der Inklusion.
Und was hat das Patriarchat damit zu tun? „Über Schönheit wird Kontrolle ausgeübt“, betont Lechner. Jahrhundertelang sei der öffentliche Raum Männern vorbehalten gewesen. Nun, da sich auch Frauen dort bewegen, würde deren öffentliches Auftreten ständig kritisiert. „Denken wir an Angela Merkel, die häufig als asexuell dargestellt wird, oder auf der anderen Seite an die finnische Premierministerin Sanna Marin, die für ein zu freizügiges Outfit an den Pranger gestellt wurde. Egal wie sich Frauen präsentieren, sie können es eigentlich nicht richtig machen“, stellt Lechner fest.
Ähnlich zwiespältig verhalte es sich mit dem Bild von Schönheit, das in den sozialen Medien gezeichnet wird. Die digitale Welt ermögliche es, in kürzester Zeit ein Foto oder Video zu machen, nachzubearbeiten, mit anderen zu teilen und Feedback dazu zu erhalten. Auf der einen Seite wachse durch die Zunahme an (unrealistischen) Visualisierungen, mit denen wir konfrontiert werden, der Schönheitsdruck – besonders auf Frauen (aber nicht nur).
Auf der anderen Seite formiere sich zunehmend Widerstand, etwa in Form von Bewegungen wie MeToo und Body Positivity, und es werde verstärkt Aktivismus betrieben. „Soziale Medien sind deshalb nicht nur als negativ anzusehen“, unterstreicht Lechner. Wichtig sei ein kompetenter Umgang, weshalb sie für ein Schulfach „Medienkompetenz“ plädiert. Doch auch älteren Menschen gelte es, die Angst vor den sozialen Medien und insgesamt vor dem digitalen Raum zu nehmen.
„Viele werden sich fragen: Was soll ich gegen diesen sogenannten Ageismus und Lookismus im Allgemeinen unternehmen“, vermutet Lechner. „Wichtig ist, anzuerkennen, dass es sich um ein systemisches Problem handelt und dass man nicht selbst das Problem ist. Dann sollte es das Ziel sein, über Selbst- und Fremdwahrnehmung zu informieren und zu reflektieren, um weg zu kommen vom Zwang zur Selbstoptimierung und einen neutralen Zugang zur Körperlichkeit zu erreichen. Das schaffen wir nur gemeinsam.“