Role Models – Der ëres-Fragebogen

Dalia Parisi Stix

Künstlerin, lebt in Augsburg und in ihrer Heimatstadt Brixen. Derzeit ist ihre Arbeit „None of your business“ in Franzensfeste zu sehen, mit der sie die weibliche Genitalverstümmelung thematisiert.
Dalia Parisi Stix, Jahrgang 1996, thematisiert in ihren Werken unter anderem Frauenkörper, Ästhetiken und Identitäten.
Wie sehen die Etappen deines Werdegangs aus?
Während meines Kunststudiums habe ich gelernt, mich von Konventionen, Erwartungen und institutionellen Rahmenbedingungen zu lösen. Mindestens genauso wertvoll sind aber emotionale Etappen wie meine unterschiedlichen Lebenskontexte in Brixen, Rom, Addis Abeba, München, Augsburg.
Ein Leben ohne Kunst wäre…
…für mich unmöglich und gesellschaftlich unmenschlich.
Wie definierst du Feminismus?
Zu weiß und akademisch, einseitig. Paradoxerweise schließt das vorherrschende Verständnis von Feminismus marginalisierte Gruppen wie schwarze Frauen*, Transfrauen* oder nicht binäre Personen aus. Für mich ist Feminismus aber divers und vielfältig.
Hast du in deinem Beruf Benachteiligung erlebt, weil du eine Frau bist?
Oft sind es kleine, beiläufige Bemerkungen. Wenn über handwerkliche Dinge gesprochen wird, werde ich plötzlich nicht mehr einbezogen oder ernst genommen. Mir wird etwas zu meiner Arbeit erklärt, oder nochmal wiederholt, was ich gerade gesagt habe.
Was beschäftigt dich gerade?
Hauptsächlich Themen wie Körperästhetik bzw. Identitäten, Diversität und Kommunikation. Ich finde es spannend, mit erwarteten Geschlechterkonstruktionen zu spielen, stelle diese in Frage und arbeite sie in provokativen Zwischenspiel mit Malereien, Installationen und Fotografien auf. Außerdem möchte ich die Realitätsrelevanz von bestimmten Themen aufgreifen, wie beispielsweise die weibliche Genitalverstümmelung, Catcalling, Fatshaming etc.
Was ist der größte Unterschied zwischen Mann und Frau?
Ich sehe Mann und Frau nicht als zwei Gegenpole. Für mich entstehen viele Probleme mit der binären Einteilung von Geschlechtern und der damit einhergehenden Heteronormativität. Die kulturelle Gruppe der „Bugis“ in Indonesien kennt beispielsweise fünf Geschlechter. Trotzdem wird immer noch allzu oft die Kategorie „Mann“ als Standard festgelegt und die „Frau“ als Abweichung davon.
Nenne eine Künstlerin, die dich sehr beeindruckt!
Die britische Künstlerin Jenny Saville. Sie beschäftigt sich in großformatigen Arbeiten mit dem Körperbild und setzt dieses in fleischiger Brutalität in Szene. Unrealistische Schönheitsstandards erzeugen Unzufriedenheit und seelischen Druck. In Jenny Savilles Arbeiten werden Adern, Dellen, Masse, Flecken, Narben, Operationen jedoch selbstbewusst und provokativ dargestellt. Weder schön noch hässlich. Sie sind einfach da.
Wie wichtig sind soziale Medien für deine Arbeit?
Ich versuche einen gesunden Abstand zu halten, da sie mich als Künstlerin teilweise unter Druck setzen und meine Inspiration hemmen. Trotz der Chancen und Möglichkeiten, die soziale Medien bieten, frage ich mich manchmal, ob sie den Kunstmarkt nicht in die Bedeutungslosigkeit und Oberflächlichkeit treiben.
„None of your business“, noch bis zum 3. Oktober bei der Biennale 50x50x50 in der Franzensfeste zu sehen.

Editorial

(Frauen-)Körper

Gut Ding will Weile haben: Nach einer längeren Pause halten Sie endlich wieder eine Ausgabe der ëres in Ihren Händen. Nicht nur optisch hat sich in der Zwischenzeit einiges getan, sondern auch inhaltlich. In der neuen ëres erwarten Sie ab sofort die wieder­kehrenden Rubriken Focus, Act, Think, Speak und Chill. In der aktuellen Ausgabe dreht sich alles um das Thema (Frauen-)Körper. Nach wie vor werden gerade weibliche Körper stark reguliert: Üppigere Frauen sollen keine engen Kleider tragen, Mütter nicht in der Öffentlichkeit stillen, gewisse Körperpartien von Frauen keine Behaarung aufweisen. Zu dick, zu dünn, zu nackt, zu angezogen – können Frauen mit ihrem Körper eigentlich irgendwas richtig machen? Wir hinterfragen Schönheitsideale, sprechen über Körperwahrnehmung, informieren über Cybermobbing, stellen inspirierende Frauen vor und vieles mehr.

Ich wünsche Ihnen eine angenehme Lektüre.
Sabina Drescher, Chefredakteurin