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Schatzi, schenk mir ein Foto

// Bettina Conci //
Die Verbreitung von Bildmaterial ohne Einwilligung der Betroffenen, seit 2019 eine Straftat und dementsprechend geahndet, hat während der Covid19-Pandemie zugenommen.
Schnelles Handeln ist gefragt, wenn man Opfer oder Zeugin bzw. Zeuge von mutmaßlich unerlaubter Verbreitung von Bildern oder Videos wird. Oft hilft es auch, sich mit anderen Opfern zusammenzutun. © Pexels / Andrea Piacquadio
Im Dezember 2020 machte das neu erstellte Instagram-Profil einer weiblichen Userin die Runde, die mit einigen wenigen Posts die Aufmerksamkeit so mancher Frau erregt haben dürfte. Darin beschuldigte sie einen Mann aus Brixen, seine Sexualpartnerinnen heimlich gefilmt, fotografiert und das Material weitergegeben zu haben, nannte ihn namentlich und forderte die betroffenen Frauen auf, sich bei ihr zu melden. Ihre Anschuldigungen unterlegte sie mit Screenshots, auf denen der Mann recht gut zu identifizieren war, nicht aber die Frauen, und der Frage „Wussten sie es?“
Unter den Kommentaren fanden sich nicht nur erstaunte bis entsetzte Reaktionen von Frauen. So mancher männliche Bekannte des Beschuldigten ergriff sofort Partei für den Angeklagten und bezichtigte die Userin der Lügen. Der Betroffene selbst veröffentlichte ein Video auf seinem Facebook-Account, in dem er sichtlich aufgeregt jegliche Schuld abstritt und von einem Hackerangriff auf seine Kamera redete. Keine vierundzwanzig Stunden später waren Posts und Profil der Userin verschwunden.
Während der Begriff Revenge porn für die unerlaubte Verbreitung von Foto- und Videomaterial aus Rache an Ex-Partnerinnen und Ex-Partnern, mit erpresserischer Absicht, aus verletztem Stolz oder einfach nur als Drohung oder Machtdemonstration zunehmend bekannt und gefürchtet ist, ist er ungenau und nicht ganz ungefährlich: Die Verwendung des Begriffs „Rache“ impliziert, dass die Tat als Reaktion auf ein fehlerhaftes Verhalten erfolgt, die Schuld wird dem Opfer zugeschoben, das wohl etwas provoziert hat. Was bei der Vergewaltigung der kurze Rock, ist hier etwas Unbestimmtes, das einen Racheakt rechtfertigt oder zumindest erklärlich macht. Dadurch, dass die Tat mit Pornographie in Verbindung gebracht wird, unterminiert und kritisiert er Frauen, die von ihrem Recht auf freies Ausleben ihrer Sexualität Gebrauch machen.
Aber reden wir Klartext: Die Verbreitung von Bildmaterial ohne Einwilligung der Betroffenen ist genauso strafbar wie andere Gewalttaten (siehe u.a. Art. 2 der Verfassung, Art. 2059 des Zivilgesetzbuches, Art. 612 ter des Strafgesetzbuches sowie Art. 10 des Gesetzes 69 vom 19.07.2019). Seit der Einführung des so genannten Codice rosso-Gesetzes im Jahr 2019 stellt das beschriebene Verhalten in Italien einen Strafbestand dar. Den Tätern drohen nun bis zu sechs Jahre Haft und Geldstrafen zwischen 5.000 und 15.000 Euro.
Auch in Südtirol ist das Bewusstsein für die Problematik angekommen: Noch im selben Jahr wurde ein von der Freien Universität Bozen geleitetes internationales Forschungsprojekt gestartet, um das Phänomen der Verbreitung und Verwendung intimer Bilder oder Videos ohne Einwilligung der Betroffenen zu untersuchen, unter besonderer Berücksichtigung der psychologischen Auswirkungen auf die Opfer. Unter dem Link creep.projects.unibz.it/survey kann man noch bis Ende Juli 2021 an der Umfrage teilnehmen.
In gesellschaftlicher Hinsicht liegen dem Phänomen mehrere problematische Muster zugrunde, die es aufzubrechen gilt, unter anderem die Tatsache, dass Frauen für ihr Privatleben eher Rechenschaft ablegen müssen als Männer. Ein Stigma, mit dem Frauen in allen Kulturkreisen leben, wie verschiedene Studien beweisen, die in Australien und den USA durchgeführt wurden, wo zehn Prozent der Bevölkerung (Australien) bzw. acht Prozent (USA) zum Opfer von Verbreitung pornographischen Bildmaterials ohne ihre Einwilligung wurden (Henry, Powell & Flynn, 2017 / Ruvalcaba & Eaton, 2020).
Die BBC stellte bereits im September 2020 fest, dass die Zahl der gemeldeten Fälle die des Vorjahres um 22 Prozent überstieg, was wohl auf die Pandemie und den damit verbundenen Lockdown zurückzuführen war. Auch die Bilanz der italienischen Polizei fiel ein Jahr nach der Einführung des Codice rosso ernüchternd aus: Höhepunkt der Zahl an Meldungen von Straftaten, die unter dieses Gesetz fielen, war die Zeit unmittelbar nach dem Lockdown. Insgesamt waren es 781 im Laufe eines Jahres, 81 Prozent der Opfer waren Frauen.
Covid-19 ließ alle Arten häuslicher und sonstiger Gewalt gegen Frauen (oder allgemein Schwächere) ansteigen, folgerichtig auch Verbrechen im Zusammenhang mit den neuen Technologien wie die Verbreitung von Bildmaterial ohne Zustimmung.
Im April 2021 tauchte auf Instagram ein neues Profil auf, auf dem der Südtiroler, der wenige Monate zuvor beschuldigt worden war, pornographisches Bildmaterial von Frauen ohne deren Zustimmung verbreitet zu haben, ein Video hochlud. Darin las er recht lustlos eine kurze Rede von einem Zettel ab, in der er zugab, dass die Anschuldigungen in allen Punkten zutrafen, und entschuldigte sich bei den Frauen, die er hintergangen hatte. Offensichtlich war die Info, eine Straftat begangen zu haben, auch zu ihm durchgesickert – was heißt, dass der kreative Ansatz der Userin, in den sozialen Medien zurückzuschlagen und sich mit anderen Opfern zu verbünden, etwas bewirkt hatte.
Das sagt die Post- und Kommunikationspolizei


Verbrechen gegen Frauen im Zusammenhang mit dem Internet sind umgehend der Postpolizei zu melden – vor allem, weil es sehr schwierig ist, der Weiterverbreitung von Bildmaterial Einhalt zu gebieten, wenn die Bilder erst einmal in Umlauf gebracht sind. Dies ist unter der Telefonnummer 0471 531 413, auf der Webseite www.commissariatodips.it/segnalazioni/segnala-online oder bei der örtlichen Dienststelle der Polizei möglich. Hier einige Tipps von den Ordnungskräften:
Jegliche Dokumentation der eigenen Privatsphäre vermeiden.
Eventuell kompromittierendes Bildmaterial auf externen Medien speichern, die nicht mit dem Internet verbunden sind.
Inhalte aus sozialen Netzwerken entfernen, indem man bei den betreffenden Betreibern darum ansucht.
Ebenso ist eine Deindizierung von Inhalten möglich (z.B. durch eine Anfrage an Google), womit die Inhalte auch aus Suchmaschinen gelöscht werden.

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Young - Wer findet die Parallele?

Club am Samstag - Schule am Montag
Auf welche Gemeinsamkeiten stoßen Sie, wenn Sie an „Club am Samstag“ und „Schule am Montag“ denken? Auf den ersten Blick fallen wohl eher die Unterschiede auf: Ungezwungenheit vs. Regelunterricht; lautes Feiern vs. konzentriertes Lernen; neue Menschen kennenlernen vs. alte Schulfreundschaften pflegen.

Natürlich haben sich in den vergangenen Monaten sowohl die Feiergesellschaften als auch der Präsenz­unterricht Covid-19-bedingt einschränken müssen.
Trotzdem möchte ich in diesem Artikel eine Parallelität herstellen. Eine Parallelität zwischen Clubs und Schule – all den bereits beschriebenen Unterschieden zum Trotz.

Das Thema dürfte Sie hoffentlich hellhörig machen; es geht um sexuelle Belästigung. Es ist zwar immer wieder in der Öffentlichkeit präsent, dennoch habe ich den Eindruck, dass die Bevölkerung ihm oft zu wenig Ernsthaftigkeit und Entschlossenheit entgegenbringt.
Es ist im Endeffekt nicht das Problem einer einzelnen Frau, sondern zeugt auch von einem gravierenden Fehlverhalten der Gesellschaft im Allgemeinen.

Auch die Gesellschaft übernimmt nämlich Verantwortung und Mitschuld an begangenen Taten, wenn sie versucht, das Opfer mit Phrasen á la „Was hattest du denn an?“, „Sei doch nicht überempfindlich!“ oder „Es ist doch nichts passiert!“ zu beschwichtigen oder dessen Erlebnisse zu relativieren. Genau solche Sätze sind es, die das Problem deutlich machen – die Schuld wird nicht selten beim Opfer gesucht.

Es muss gesagt werden, dass Belästigung nicht erst bei physischen Übergriffen beginnt.

Dass dieses Verhalten beim Ausgehen und Feiern in Clubs für viele „ja irgendwie dazu gehört“ oder dass es durch den Einfluss von Alkohol nahezu entschuldigt wird – „er kann doch nicht wirklich was dafür“ –, ist schon schlimm genug. Noch weniger mag man es aber wahrhaben, dass es diese Schattenseite v.a. für Mädchen auch in der Schule gibt.
Ich habe mehrere Gespräche mit Freundinnen geführt und musste feststellen, dass das, was beim ausgelassenen Feiern trotz aller Unzumutbarkeit häufig zu relativieren versucht wird, auch in Schulen präsent ist. Die Palette reicht dabei von unangenehmen Blicken über zweideutige Sprüche bis hin zu ungeniertem Anmachen.

Ich möchte nun, stellvertretend für so viele Geschichten, die mir Freundinnen erzählt haben, diesem Vorfall Raum geben:
Sie hatte sich in der Mittagspause einen Lolli gekauft und als sie für den Nachmittagsunterricht wieder das Klassenzimmer betrat, ließ er es sich nicht nehmen zu fragen, ob er nach dem Lolli an der Reihe wäre… Der Vorfall ereignete sich im zweiten Jahr der Oberschule – sie war 15 Jahre alt!
// Pia von Musil //