Think
Welches Geschlecht hat unsere Kleidung?
// Pia von Musil //
Geschlechtsspezifische Mode geht Hand in Hand mit der Ungleichheit von Frau und Mann. Sie aufzubrechen erfordert Mut, Charakterstärke und den unermüdlichen Glauben an Veränderung.
„Kleider machen Leute“ – nur ungeschickt, wenn eben diese Kleider schon darauf aus sind, Frauen einzuzwängen und ihnen im wahrsten Sinne des Wortes die Luft abzuschnüren. Natürlich hat sich die Welt der Mode erheblich weitergedreht, aber ein kleiner Exkurs in die Zeit des Korsetts kann trotzdem nicht schaden.
Immer schon, aber besonders zur Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, hatten es gesellschaftlich angesehenere Frauen schwer. Dies berichtet unter anderem die französische Philosophin und Vorreiterin, ja Begründerin des modernen Feminismus, Simone de Beauvoir (1908–1986) in mehreren Abhandlungen. So machte die Tochter aus gutem Hause schon früh die Erfahrung, dass es sich für eine Frau besser schicke, brav zu lächeln und angepasst den Alltag zu bestreiten als eigene Vorstellungen zu verfolgen und aufmüpfig zu werden.
De Beauvoir ist es neben solchen Beschreibungen auch zu verdanken, dass wir unter anderem die Begriffe „sex“ und „gender“ unterscheiden.
„Sex“, damit wird das biologische Geschlecht gemeint, mit „gender“ wird das kulturelle, das soziale Geschlecht beschrieben. „Sex“ ist angeboren, „gender“ ist sozialisiert und erlernt. Mit ihrem Zitat „Man ist nicht als Frau geboren, man wird es“, bringt es Simone de Beauvoir auf den Punkt.
Sozialisation ist notwendig, damit ein gesellschaftliches Zusammenleben funktioniert. Dass jedoch mit dieser erlernten Anpassung auch Zwänge einhergehen, dürfte mittlerweile niemandem mehr neu sein.
Das Ganze beginnt schon im zarten Kindesalter. Das Kinderzimmer wird traditionsgemäß in einer „Mädchen- oder Jungenfarbe“ gestrichen. Es wird sehr häufig davon ausgegangen, dass sich ein Kind mit seinem biologischen und kulturellen Geschlecht gleichermaßen anfreunden kann. Dass dies nicht immer der Fall ist, muss dann nicht selten unter Scham der Verwandtschaft oder noch besser, dem halben Dorf gestanden werden.
Kein Wunder also, dass heute Eltern vermehrt auf genderneutrale Mode bei ihrem Nachwuchs setzen. Sie trägt zur freien Entfaltung des Kindes bei; es kann somit seine eigene Individualität entwickeln, ohne dass bereits Weichen von außen gestellt wurden.
Das große Thema rund um genderneutrale Mode wissen auch die großen Modedesigner zu nutzen. Marken wie Marc Jacobs präsentierten bereits eigene Kollektionen, welche keine vorgeschriebene*n Verbraucher*in haben.
Die sogenannte „polysexuelle Mode“ steht allen Menschen offen, unabhängig ihres biologischen Geschlechts. Dass diese Bewegung in der Modeindustrie längst keine kleine Nebenrolle mehr spielt, dürfte spätestens seit dem legendären Vogue-Cover von Harry Styles klar geworden sein.
Der weltbekannte Sänger und Songwriter ist nicht nur der allererste Mann, welcher allein das Cover der einflussreichsten Modezeitschrift zierte, sondern er präsentierte sich, passend der Zeit, in einem bodenlangen Kleid der Luxusmodemarke Gucci.
Die Reaktionen der breiten Öffentlichkeit darauf waren gespalten. Die einen teilten die Bilder des Fotografen Tyler Mitchell und feierten den Sänger und die Zeitung für das klare Bekenntnis pro genderneutrale Mode, die anderen übten Kritik mit dem Argument, der Sänger sei nicht der erste Mann in der Öffentlichkeit, welcher sich den vorgefertigten Rollenbildern widersetze und somit eine Lanze für Inklusion gebrochen hätte.
Am Ende ist diese Diskussion natürlich irrelevant, da es darum gehen soll, gemeinsam ein Zeichen gegen Stereotype zu setzen. Mode und die Art, sich zu kleiden, sind für viele Menschen eine gute Gelegenheit, ihre Identität auszuleben oder nach außen zu tragen. Es ist daher nicht verwunderlich oder abwegig, der Mode eine große Bedeutung und Aufgabe zuzuschreiben.
Bleibt zu hoffen, dass aus der inklusiven Bewegung nicht nur ein kurzlebiger Trend wird, sondern dass das politische Statement sich neben anderen Selbstverständlichkeiten einreiht und Weichen für eine ganzheitlich tolerantere Gesellschaft stellt.
„Kleider machen Leute“ – nur ungeschickt, wenn eben diese Kleider schon darauf aus sind, Frauen einzuzwängen und ihnen im wahrsten Sinne des Wortes die Luft abzuschnüren. Natürlich hat sich die Welt der Mode erheblich weitergedreht, aber ein kleiner Exkurs in die Zeit des Korsetts kann trotzdem nicht schaden.
Immer schon, aber besonders zur Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, hatten es gesellschaftlich angesehenere Frauen schwer. Dies berichtet unter anderem die französische Philosophin und Vorreiterin, ja Begründerin des modernen Feminismus, Simone de Beauvoir (1908–1986) in mehreren Abhandlungen. So machte die Tochter aus gutem Hause schon früh die Erfahrung, dass es sich für eine Frau besser schicke, brav zu lächeln und angepasst den Alltag zu bestreiten als eigene Vorstellungen zu verfolgen und aufmüpfig zu werden.
De Beauvoir ist es neben solchen Beschreibungen auch zu verdanken, dass wir unter anderem die Begriffe „sex“ und „gender“ unterscheiden.
„Sex“, damit wird das biologische Geschlecht gemeint, mit „gender“ wird das kulturelle, das soziale Geschlecht beschrieben. „Sex“ ist angeboren, „gender“ ist sozialisiert und erlernt. Mit ihrem Zitat „Man ist nicht als Frau geboren, man wird es“, bringt es Simone de Beauvoir auf den Punkt.
Sozialisation ist notwendig, damit ein gesellschaftliches Zusammenleben funktioniert. Dass jedoch mit dieser erlernten Anpassung auch Zwänge einhergehen, dürfte mittlerweile niemandem mehr neu sein.
Das Ganze beginnt schon im zarten Kindesalter. Das Kinderzimmer wird traditionsgemäß in einer „Mädchen- oder Jungenfarbe“ gestrichen. Es wird sehr häufig davon ausgegangen, dass sich ein Kind mit seinem biologischen und kulturellen Geschlecht gleichermaßen anfreunden kann. Dass dies nicht immer der Fall ist, muss dann nicht selten unter Scham der Verwandtschaft oder noch besser, dem halben Dorf gestanden werden.
Kein Wunder also, dass heute Eltern vermehrt auf genderneutrale Mode bei ihrem Nachwuchs setzen. Sie trägt zur freien Entfaltung des Kindes bei; es kann somit seine eigene Individualität entwickeln, ohne dass bereits Weichen von außen gestellt wurden.
Das große Thema rund um genderneutrale Mode wissen auch die großen Modedesigner zu nutzen. Marken wie Marc Jacobs präsentierten bereits eigene Kollektionen, welche keine vorgeschriebene*n Verbraucher*in haben.
Die sogenannte „polysexuelle Mode“ steht allen Menschen offen, unabhängig ihres biologischen Geschlechts. Dass diese Bewegung in der Modeindustrie längst keine kleine Nebenrolle mehr spielt, dürfte spätestens seit dem legendären Vogue-Cover von Harry Styles klar geworden sein.
Der weltbekannte Sänger und Songwriter ist nicht nur der allererste Mann, welcher allein das Cover der einflussreichsten Modezeitschrift zierte, sondern er präsentierte sich, passend der Zeit, in einem bodenlangen Kleid der Luxusmodemarke Gucci.
Die Reaktionen der breiten Öffentlichkeit darauf waren gespalten. Die einen teilten die Bilder des Fotografen Tyler Mitchell und feierten den Sänger und die Zeitung für das klare Bekenntnis pro genderneutrale Mode, die anderen übten Kritik mit dem Argument, der Sänger sei nicht der erste Mann in der Öffentlichkeit, welcher sich den vorgefertigten Rollenbildern widersetze und somit eine Lanze für Inklusion gebrochen hätte.
Am Ende ist diese Diskussion natürlich irrelevant, da es darum gehen soll, gemeinsam ein Zeichen gegen Stereotype zu setzen. Mode und die Art, sich zu kleiden, sind für viele Menschen eine gute Gelegenheit, ihre Identität auszuleben oder nach außen zu tragen. Es ist daher nicht verwunderlich oder abwegig, der Mode eine große Bedeutung und Aufgabe zuzuschreiben.
Bleibt zu hoffen, dass aus der inklusiven Bewegung nicht nur ein kurzlebiger Trend wird, sondern dass das politische Statement sich neben anderen Selbstverständlichkeiten einreiht und Weichen für eine ganzheitlich tolerantere Gesellschaft stellt.
© Vogue Cover Dezember 2020