Sparen war gestern finanzielle Freiheit für Frauen
Analysiert wurden dabei fünf Millionen Fidelity Depots in den USA im Zeitraum zwischen 2011 und 2020. Die Ergebnisse wurden vom Magazin „Business Wire“ im Oktober 2021 veröffentlicht, das feststellt, dass Frauen zusehends mehr Schritte unternehmen, um ihr Geld für sich arbeiten zu lassen. Tatsächlich gaben 67 Prozent der befragten Frauen an, ihr Geld im Aktienmarkt statt in Rentenfonds anzulegen. Ein interessanter Aspekt: Diese Entwicklung hat sich seitdem fortgesetzt, und das trotz der pandemiebedingten Faktoren ökonomischer Druck und (schwindende) Jobsicherheit. Wenn überhaupt, dann sind die vergangenen eineinhalb Jahre eher als Katalysator zu sehen, der mehr Frauen dazu gebracht hat, ihren Finanzen eine höhere Priorität einzuräumen, Notgroschen anzulegen, Finanzierungspläne zu erstellen oder zu aktualisieren und den Schritt von der Sparerin zur Investorin zu wagen.
Soweit die Situation auf der anderen Seite des großen Teichs. Doch wie sieht es hierzulande aus?
Vor nicht allzu langer Zeit war die Frage finanzieller Freiheit hierzulande eine männliche. Und auch heute noch stellt sich die Situation alles andere als rosig dar: Eine Studie des italienischen Marktforschungsinstituts Episteme aus dem Jahr 2017, die 2019 vom Nationalen Rat für Wirtschaft und Arbeit CNEL aufgegriffen wurde, zeigt, dass drei von zehn Frauen in Italien über kein Bankkonto verfügen. Vier von zehn sind finanziell von ihrem Partner abhängig – in Süditalien sind es sogar die Hälfte. Diese Statistik verhält sich übrigens umgekehrt proportional zum Bildungsgrad. Das klingt erst mal entmutigend (und ist es offen gesagt auch), aber was ist mit den anlagewilligen Frauen im Besitz eines kleinen Vermögens?
Die „Repubblica“ berichtete im April 2021 über die italienischen Frauen, die über ein Finanzvermögen von mindestens 250.000 Euro verfügen, das sie aus eigener Kraft erwirtschaftet haben. Es handelt sich um 0,2 Prozent der Gesamtzahl an Italienerinnen (zum Vergleich: bei den Männern sind es ein Prozent), die in der Umfrage als „High-profile“-Unternehmerinnen bezeichnet wurden und von denen fast die Hälfte (48 Prozent) in einem Aufsichtsrat sitzt. Diese 60.000 Frauen, so stellte eine Gemeinschaftsstudie von der italienischen Private-banking-Vereinigung AIPB und Candriam sowie dem Marktforschungsinstitut Ipsos fest, setzen beim Anlegen lieber auf Sicherheit und Nachhaltigkeit als auf Rendite und kurzfristige Verfügbarkeit. Aber auch hier ist zu beobachten, dass mehr Frauen investieren als Männer: Nur vier Prozent lassen ihr Vermögen brachliegen. Das macht investitionswillige Frauen zur begehrten Zielgruppe des Private-Banking-Sektors und zu Vorbildern für ihre Geschlechtsgenossinnen. Trotz der Tatsache, dass sie (noch) in der Unterzahl sind – was aber auch am Umstand liegen könnte, dass weniger Frauen als Männer überhaupt erwerbstätig sind.
Auch Kleinvieh macht Mist. Wo also informiert man sich beizeiten über Strategien zum Vermögensaufbau? Das gutgemeinte, etwas sperrig betitelte „Handbuch für eine sichere Zukunft für angehende Unternehmerinnen“ der Handelskammer Bozen erklärt den Frauen erst einmal von Grund auf, worum es beim Investieren eigentlich geht. Eine Orientierungshilfe allemal, konkreter wird es allerdings im Internet. Dort hat sich die junge Unternehmerin Natascha Wegelin alias „Madame Moneypenny“ einen Namen gemacht – zunächst als Finanzbloggerin, als Buchautorin und seit Kurzem über ihren Podcast „Finanzielle Unabhängigkeit für Frauen“. Sie bietet praxisorientierte Ratschläge für Frauen, die für die Zukunft vorsorgen wollen, teilweise auch mit kostenlosen Handouts für den richtigen Start und mit anschaulichen Videos auf YouTube. Auch Christiane von Hardenberg bietet Frauen mit Sparschwein-Allergie Unterstützung. Die Zeit-Kolumnistin („money matters“ auf zeitonline.de) ist promovierte Wirtschaftsjournalistin und Mutter von vier Söhnen. Ihr Ziel ist es, Frauen das Handwerkszeug zu vermitteln, um ihre Finanzen selbst in die Hand zu nehmen, unter anderem mit ihrem 2021 im Rowohlt-Verlag erschienenen Buch „Selbst investiert die Frau“.
Es ist wichtig zu wissen, dass es sehr viele Optionen zum Investieren gibt, auch einfache Ansätze, Werkzeuge, die frau dabei helfen und zahlreiche helfende Hände – auch und vor allem zunehmend weibliche. Denn obwohl 70 Prozent der Frauen glauben, sich mehr Wissen über Aktien aneignen zu müssen und 77 Prozent sich mit der Hilfe eines*r Anlagenberater*in sicherer fühlen würden (Quelle: Fidelity), obwohl die Frauen durch die Pandemie ein ungeahntes Stresslevel erreicht haben, was ihre ökonomische Sicherheit angeht, obwohl viele von uns die Mühen scheuen, sich finanziell selbstständig zu machen, sind wir auf dem richtigen Weg dazu. Denn eigentlich müssten genau Frauen sich aufgrund ihrer Situation – geringerer Lohn, lange Teilzeit, Kindererziehung – brennend für das Thema Geld und finanzielle Freiheit interessieren und das Thema Investitionen nicht den Männern überlassen.